Osterode am Harz. Holger Hanselka hat es vom Harz bis an die Spitze der Forschung in Deutschland geschafft. Dabei fing alles klein an mit dem Schrauben am eigenen Mofa.

  • Holger Hanselka wuchs in Osterode am Harz auf, besuchte hier das Tilman-Riemenschneider-Gymnasium.
  • „Ich war kein Musterschüler“, gibt er heute freimütig zu. Trotzdem ist es sein Interessen an Technik und Ingenieurswissenschaft, das sich damals schon entwickelt.
  • Nach dem Studium in Clausthal startet er eine steile Karriere: Er wird Präsident des renommierten KITs und ist seit 2023 Präsdient der Fraunhofer-Gesellschaft in München, berät sogar den Bundeskanzler.
  • Dem Harz ist er dabei immer treu geblieben: Regelmäßig zieht es ihn zurück zu Freunden und Familie nach Norddeutschland.

Eine der seit langem gewichtigsten Stimmen in Deutschland, wenn es um die Themen Technologie, Wissenschaft und Forschung geht, kommt aus Osterode am Harz. Seit August vergangenen Jahres ist Professor Dr.-Ing. Holger Hanselka elfter Präsident der renommierten Fraunhofer-Gesellschaft und damit der führende Kopf auf dem Gebiet der angewandten Forschung und dem Transfer in die Wirtschaft.

Vorgezeichnet war diese berufliche Laufbahn nicht unbedingt. Er war kein Musterschüler, erzählt Hanselka im Gespräch. „Schule war nur eine Notwendigkeit, andere Dinge waren mir wichtiger.“ Wie etwa das Schrauben an seinem Mofa. Dabei habe er sich oft über unzulängliche Konstruktionen geärgert und sich gedacht: „Das würde ich als Ingenieur besser machen.“

Vom Gymnasium in Osterode über Clausthal zum KIT

1961 wurde er in Oldenburg geboren und kam ein Jahr später nach Osterode, als sein Vater eine Lehrerstelle am heutigen Tilman-Riemenschneider-Gymnasium antrat. Dort machte Hanselka 1981 Abitur und entschied sich dann tatsächlich für ein Maschinenbaustudium an der TU Clausthal, wo er 1992 auch promovierte. Es folgten leitende Stellen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig sowie Professuren an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg, der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Karlsruhe.

Zudem war Hanselka Direktor des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit in Darmstadt sowie Mitglied des Präsidiums der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung, um nur wesentliche Stationen seines Werdegangs zu nennen. Von 2013 bis 2023 amtierte der Osteroder als Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und zugleich als Vizepräsident des Forschungsbereichs Energie der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Eigentlich war die Karriere so nicht geplant: Holger Hanselka hat klein angefangen

Daneben bekleidet Hanselka bis heute eine ganze Reihe von Ämtern, ist beispielsweise Mitglied im Hochschulrat der TU Clausthal sowie im Lenkungskreis der Wissenschaftsplattform Klimaschutz der Bundesregierung und im Zukunftsrat des Bundeskanzlers. Seit dem 15. August steht er nun an der Spitze der Fraunhofer-Gesellschaft, die ihre Zentrale in München hat.

Geplant war solch eine Karriere nicht, erklärt der Osteroder. „Während des Studiums war ich weit davon entfernt, etwas Besonderes machen zu wollen.“ Das habe sich Schritt für Schritt automatisch ergeben. Er habe sich auch niemals auf eine seiner Stellen beworben, sondern sei immer gefragt worden. Wenn es um eine interessante, sinnstiftende Aufgabe ging, sei ihm die Entscheidung für eine neue Herausforderung jedoch nie schwergefallen.

Auch interessant

Immer wieder zieht es ihn in den Harz zurück

Allerdings war eine berufliche Veränderung ungefähr alle zehn Jahre auch mit einem Wohnortwechsel verbunden. Und das musste ebenfalls für Frau und Kinder passen, darauf habe er viel Wert gelegt, schildert Hanselka. „Die Familie darf dabei nicht auf der Strecke bleiben.“ Aber für ihn bedeute das ebenso, immer wieder freundschaftliche Kontakte hinter sich zu lassen und neue knüpfen zu müssen, bedauert er.

Geholfen hat ihm dabei eine Passion, für die er sich trotz großen Arbeitspensums stets Zeit nimmt – die Musik. Orchester, denen man sich anschließen kann, gebe es in jeder Stadt. Wenn er nach seinem Beruf gefragt wird, antworte er: Ingenieur. Es widerstrebt ihm, als Mensch hinter seiner beruflichen Position zu verschwinden. „Ich bin Holger und ich spiele Cello“: Das sei doch das, worauf es in dem Moment ankomme. Erfahre sein privates Umfeld irgendwann, was genau er macht, dann ändere das nichts mehr im Umgang miteinander, weil man ihn schon gut genug kenne.

Geblieben sind Verbindungen nach Osterode. Die zu seiner Mutter selbstverständlich, die Hanselka alle vier bis sechs Wochen besucht, aber ebenso zu seinem engen Freundeskreis aus frühester Jugend, der sich noch immer regelmäßig trifft und manchmal wie damals zusammen zeltet. Natürlich genieße er auch das harmonische Miteinander in seiner großen Familie mit drei eigenen und drei „Bonus-Kindern“ aus seiner zweiten Ehe, wie er betont.

Was ist die Fraunhofer-Gesellschaft?

Die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. gilt mit etwa 30.000 Mitarbeitern als die größte Organisation für angewandte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in Europa. Sie ist ein bedeutender Bestandteil der deutschen Forschungslandschaft. Der Hauptsitz befindet sich in München.

Die Gesellschaft ist nach Joseph von Fraunhofer (1787–1826) benannt, dessen Leistung in der Verknüpfung präziser wissenschaftlicher Arbeit mit deren praktischer Anwendung für neue, innovative Produkte lag. Als Forscher, Erfinder und Unternehmer war Joseph von Fraunhofer gleichermaßen erfolgreich und diente daher als Vorbild und Namensgeber für den Verein.

Die Fraunhofer-Gesellschaft betreibt derzeit mehr als 80 Forschungseinrichtungen, darunter 76 Institute, an über 40 Standorten in ganz Deutschland. Überwiegend mit natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung, arbeiten rund 30.000 Mitarbeiter mit einem jährlichen Finanzbudget von 2,9 Milliarden Euro. Davon entfallen knapp 2,5 Milliarden Euro auf Vertragsforschung, wobei über 70 Prozent dieser Mittel durch Aufträge aus der Industrie und öffentlich finanzierte Forschungsprojekte erwirtschaftet werden. Der Rest stammt von Bund und Ländern.

Zu den Mitgliedern, der als gemeinnützig anerkannten Fraunhofer-Gesellschaft, zählen auch namhafte Unternehmen und private Förderer.

Sein Führungsstil folgt der Lehre eines deutschen Philosophen

„Mir war nie die Karriere, sondern immer die Aufgabe wichtig“, unterstreicht der Osteroder. Die als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft hat er mit Begeisterung übernommen, da er von dem Modell zur Förderung der angewandten Forschung und dem Transfer in die Wirtschaft uneingeschränkt überzeugt ist. „Diesen Job gibt es nur einmal auf der Welt.“ Zu verdanken hat er die Berufung neben seiner wissenschaftlichen Reputation und Erfahrung auch seinem kooperativen und kommunikativen Führungsstil, den ihm Fraunhofer-Senat und Medien bei seinem Amtsantritt bescheinigen.

Hinzu kommen offensichtlich Empathie und ein klarer Wertekompass. „Gehe so mit Menschen um, wie du möchtest, dass mit dir umgegangen wird“, lautet frei nach dem Philosophen Kant seine Maxime. Trete er eine neue Stelle an, dann nehme er sich am Anfang viel Zeit, Mitarbeitende kennenzulernen und ihnen zuzuhören, um aufgrund dieser Erkenntnisse den Rahmen für die Arbeit einer Einrichtung festzulegen.

Holger Hanselka will Vertrauen zu den Menschen haben

Mehr Vertrauen in die Menschen haben und ihnen mehr Freiraum geben, nennt Hanselka eine weitere seiner Leitlinien für ein gedeihliches Arbeitsklima. „Im Wissenschaftssystem ist Kreativität und intrinsische Motivation die treibende Größe“, weiß er. Deshalb will er bei Fraunhofer die bisherige zentrale Steuerung minimieren und sieht sich als Präsident eher in einer Lenkungsfunktion.

Die Rolle der Fraunhofer-Gesellschaft in Deutschland bezeichnet der Osteroder als „Unikat, um das wir weltweit beneidet werden“. Nach der Gründung 1949 habe sie maßgeblich zum Wirtschaftswunder in der Nachkriegszeit beigetragen. „Es gibt keine technologische Entwicklung, die nicht irgendetwas mit Fraunhofer zu tun hat“, hebt er hervor. Als Forschungs- und Entwicklungsdienstleister baue sie eine Brücke zwischen angewandter Forschung und Wirtschaft.

Es gibt keine technologische Entwicklung, die nicht irgendetwas mit Fraunhofer zu tun hat.
Holger Hanselka - Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft

Vom Harz nach München: Holger Hanselka ist Chef der Fraunhofer-Gesellschaft

Die Fraunhofer-Gesellschaft ist nach eigenen Angaben die global führende Organisation für anwendungsorientierte Forschung, die der deutschen Wirtschaft und Industrie die notwendigen Grundlagen für Innovationsprozesse liefert. Sie betreibt rund 80 Institute und Forschungseinrichtungen über ganz Deutschland verteilt sowie elf Forschungseinrichtungen im Ausland und beschäftigt über 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit überwiegend natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung.

Vor kurzem hat Hanselka seine neue Bleibe an seinem Arbeitssitz in München bezogen. Erste private Kontakte sind auch schon geknüpft, freut er sich. Zugutekam ihm dabei eine zweite Leidenschaft, die er sich neben der Musik seit Jugendtagen bewahrt hat: das Handwerken. Die Nachbarschaft sei nett, und viele Handwerker seien dabei, berichtet er und verrät schmunzelnd: „Gerade erst habe ich eine Motorsäge gegen einen Häcksler eingetauscht.“

Holger Hanselka im Interview mit dem SWR

Weitere Informationen zu Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka finden sich unter anderem auf der Webseite der Fraunhofer-Gesellschaft. Unter dem Titel „Wieso wir bei KI und Robotik hinterherhängen“ gibt es ein aussagekräftiges Fernsehinterview der Reihe SWR 1 Leute mit dem Fraunhofer-Präsidenten vom 27. November 2023, das in der ARD-Mediathek aufgerufen werden kann.

Mehr aktuelle News aus der Region Osterode, Harz und Göttingen:

Kurz, knapp, krass informiert: HK Kompakt, der Newsletter vom Harz Kurier, fasst die wichtigen News aus Osterode und dem Südharz zusammen: Hier kostenlos für den täglichen Newsletter anmelden!