Lasfelde. Der Steinmetzbetrieb Gruner in Osterode-Lasfelde ist 60 Jahre alt. Eine junge Steinmetzin gewährt einen Blick hinter die Kulissen.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts starben in Deutschland 2021 insgesamt 1,02 Millionen Menschen. Im November ist nicht nur der Volkstrauertag, sondern auch der Toten- oder Ewigkeitssonntag. Ein Gedenktag, an dem in den evangelischen Kirchen in Deutschland der Toten gedacht wird. Mit dem Verlesen der Namen wird in vielen Kirchengemeinden der Verstorbenen in den Gottesdiensten gedacht. Zu den verbreiteten Bräuchen gehört es, die Gräber mit Gestecken oder Blumen zu schmücken. Als Totensonntag ist er dem Gedenken an die Verstorbenen und dem Trost für die Trauernden gewidmet. Das Totengedenken in der katholischen Tradition erfolgt an Allerseelen. Am Totensonntag besuchen viele Familien und Freunde lieb gewonnene Verstorbene auf Friedhöfen, um sich zu erinnern und an vergangene Zeiten zurück zu denken.

Grabsteinen kommt hierbei eine wesentliche Funktion zu: Sie bieten zum einen Orientierung und markieren den Platz der letzten Ruhestätte und stellen so einen direkten und oftmals persönlichen Anlaufpunkt für Hinterbliebene dar. Manchmal ziert den Grabstein auch ein Foto des Verstorbenen. Oftmals steckt hinter jedem Grabstein eine ausgeprägte Handwerkskunst.

Familienunternehmen in der dritten Generation

Das Steinmetzhandwerk ist heute ein modernes Handwerk, das sich seiner Traditionen bewusst ist. 1962, also vor 60 Jahren, haben Kurt und Erika Gruner, die Großeltern von Annika Mackensen, den Steinmetzbetrieb in Lasfelde gegründet und aufgebaut. Kurt Gruner stammte aus dem Sudetenland. Schon dort waren seine Vorfahren in diesem Handwerk tätig und besaßen sogar einen Steinbruch. Wolfgang Gruner, Sohn von Kurt Gruner, sowie Annikas Eltern, Uwe und Sabine Schmidt, geb. Gruner, übernahmen die Weiterführung des Betriebes in Lasfelde. Somit wird Annika Mackensen den Gruner’schen Betrieb in der dritten Generation weiterführen.

Ist es nicht ungewöhnlich, dass sich eine junge Frau für den Beruf der Steinmetzin, jahrhundertelang eine Männerdomäne, entscheidet? Und was gefällt ihr daran? „Der Beruf ist ausgesprochen vielfältig“, erklärt die junge Frau. „Verschiedene Materialien werden bearbeitet. Als Steinmetz gestaltet man ja nicht nur Grabsteine, sondern hat häufig auch im Bausektor zu tun.“ So zum Beispiel bei Natursteintreppen, Bodenbelägen, Fensterbänken, Küchenarbeitsplatten, Bädern und Waschtischen sowie Fassaden und offenen Kaminen. Alles aus Naturstein.

Wie wird man eigentlich Steinmetz?

Steinmetz ist in Deutschland ein handwerklicher Ausbildungsberuf. Die Ausbildung dauert drei Jahre und wird mit dem Anfertigen eines Gesellenstückes sowie einer theoretischen Prüfung abgeschlossen. Die Ausbildung findet im dualen System statt. Das heißt, dass die Fertigkeiten im Betrieb und in der überbetrieblichen Ausbildung vermittelt werden, die Theorie in der Berufsschule. Bemerkenswert ist für einen sogenannten „Männerberuf“, dass in der Bundesrepublik Deutschland der Anteil der Frauen schätzungsweise 10 bis 12 Prozent beträgt. Zur Ausbildung zur Steinmetzin gehören viele Schulblöcke und die überbetriebliche Ausbildung im Steinmetzzentrum Königslutter.

Durch vielfältige Kontakte zu anderen Steinmetzen kann Annika Mackensen über den eigenen Tellerrand schauen. Als Steinmetzin übt sie einen der ältesten handwerklichen Berufe aus. Der Werkstoff ist der Naturwerkstein. Neben althergebrachten Werkzeugen kommen auch oft Maschinen zum Einsatz, die das Schleifen und Hauen erleichtern. Da dominieren geometrische Formen, Profile und Ornamente. Schrift und andere Zeichen werden in den Naturstein gehauen. Dabei werden auch Schablonen verwendet. Ein wesentliches Tätigkeitsfeld der Steinmetze sind Herstellung und Versetzen von Grabsteinen. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine Differenzierung herausgebildet. Es gibt Kunden, die personenbezogene Grabsteine bestellen, und andere, die industriell in Serie gefertigte Grabmale beschriften und aufstellen lassen.

Das gestalterische Auge und die kunsthandwerklich geschulte Hand sind beim Beschriften der Grabmale wichtig. Auch hier hat die computerunterstützte Schrift Einzug gehalten.

Arbeit mit historisch überkommenen Handwerkzeugen

Das Werkzeug des Steinmetzes, die sogenannten Eisen, sind zum größten Teil historisch überkommene Handwerkzeuge. Man unterscheidet sie entsprechend ihrer Verwendung in Hart- und Weichgesteinswerkzeuge.

So arbeitet der Steinmetz u.a. mit einem Fäustel, einem Hammer aus Eisen oder Stahl. Daneben gibt es den Schriftfäustel, einen Hammer zum Einhauen von Steinschriften. Zum Teilen von Weichgestein verwendet der Steinmetz einen „Knüpfel“, das sind zylinderförmige Hämmer aus Holz, zumeist Weißbuche. Der Setzhammer ist eine spezielle Form des Vorschlaghammers. Zur direkten Oberflächenbearbeitung dient ein „Steinbeil“. Daneben gibt es Handwerkzeuge in Meißelform, wie Steinspaltwerkzeuge, Beizeisen, Sprengeisen, Schlageisen, Spitzeisen, Zahneisen, Zweispitz, Scharriereisen und Schrifteisen.

Auch Drucklufthammer kommen zum Einsatz, um Schrift einzuhauen oder um Steinoberflächen bzw. Profile herzustellen. Grundsätzlich können alle Arbeitsschritte mit druckluftbetriebenen Werkzeugen auch von Hand ausgeführt werden. Doch der Zeitaufwand ist dann in der Regel natürlich weitaus größer. Handschleifmaschinen und Winkelschleifer erleichtern hier die Handarbeit.

Umgang mit dem Tod gehört dazu

Sich einen Beruf auszusuchen, bei dem es auch um das Thema Tod geht, ist sicher für manche Menschen ungewöhnlich. Dem Steinmetzbetrieb fügt sich auch das Bestattungshaus Gruner an. Hier ist vor allem Sabine Schmidt, die Mutter von Annika Mackensen, Ansprechpartnerin im Bereich Bestattungen. „Jede Beerdigung ist individuell“, so Annika Mackensen und somit auch eine Herausforderung. „Da es sich um eine sehr emotionale Tätigkeit handelt, ist es aber sehr wohltuend und bestätigend, wenn wir in beruhigte Gesichter der Angehörigen sehen, bzw. auch im Gespräch erfahren, dass Trauerfeier und Beerdigung ein gutes Abschiednehmen ermöglicht haben.“

Ist der Beruf nicht manchmal auch deprimierend? Diese Frage verneint Annika Mackensen. „Auf keinen Fall! Wir ermöglichen den Angehörigen, einen individuellen Ort für Abschied und Trauerbewältigung zu gestalten. So oft erfahren wir persönliche Dankbarkeit, wenn wir eine Grabanlage errichtet haben.“ Bei Verkaufsgesprächen sei es wichtig, einfühlsam zu sein. „Viele Menschen sind ja noch mitten in der Trauerbewältigung. Da dauert es dann einige Zeit, bis wirklich jedes Detail der Grabanlage besprochen ist oder eine Entscheidung getroffen wird. Uns ist es jedoch wichtig, dass jeder Kunde auch in 15 Jahren noch zum Friedhof geht und mit der gestalteten Grabanlage zufrieden ist.“

Große Auswahl an Formen und Materialien

Einen speziellen Trend bei Grabsteinen gäbe es heutzutage nicht, so die Steinmetzin. „Da gibt es eine immense Auswahl an Formen, Materialien und Oberflächenbearbeitungsmöglichkeiten.“ Da es jedoch prozentual heute mehr Urnenbestattungen als Erdbestattungen gibt, findet die Gestaltung auf kleineren Flächen statt. Bedauerlich wertet die Steinmetzin, dass es nur auf sehr wenigen Friedhöfen (zum Beispiel in Nienstedt und Clausthal) bislang die Möglichkeit gäbe, sich auf einer „individuell pflegefreien“ Grabanlage beisetzen zu lassen. „Dadurch sind die meisten Menschen, für die eine zu pflegende Grabanlage keine Option ist, dazu gedrängt, sich für anonyme oder halbanonyme Beisetzungen zu entscheiden. Anonym bedeutet, dass lediglich in städtischen Unterlagen der Ort der Beisetzung belegt ist, jedoch keine genaue Zuordnung für die Angehörigen oder die Öffentlichkeit ersichtlich ist. Neben anonymen Beisetzungen gibt es auch halbanonyme Beisetzungsmöglichkeiten.

Die Steinmetzin erläutert: „Halbanonym beinhaltet in unserem Umkreis verschiedene Möglichkeiten. Es gibt Friedhöfe, auf denen gibt es kleine Platten, die in den Rasen gelegt werden. Dann gibt es Friedhöfe mit Stelen und Bronzetafeln mit dem entsprechenden Namen des Verstorbenen. Und „individuell pflegefrei“ bedeutet, einen individuell gestalteten Grabstein aufbauen zu können. Hier ist es möglich, direkt am vorhandenen Grab ein Licht zu entzünden oder eine Dekoration, zum Beispiel eine Vase, aufzustellen. Die Pflege um den Grabstein herum wird dann vom Friedhof übernommen, wobei oft Bodendecker gepflanzt werden.“ Und Annika Mackensen fügt hinzu: „Wir als Steinmetze würden uns wünschen, wenn mehr Friedhöfe diese Alternative anbieten.“

Einige Vorgaben können die Arbeit erschweren

Manche Vorgaben einiger weniger Friedhöfe erschweren allerdings ihre Arbeit, da bestimmte Gestaltungsvorgaben eingehalten werden müssen. Doch sie hat Verständnis dafür, dass es gewisse Vorschriften hinsichtlich der Größe der Grabeinfassungen geben muss. „Wir achten selbstverständlich darauf, dass die Proportionen von Grabstein und Einfassung passen. Wenn es dann aber trotz dieser Beachtung darum geht, dass ein Grabstein nur 65 cm hoch sein darf, obwohl proportional zum Grab auch, nach den Richtlinien des Handwerks arbeitend, durchaus 95 cm möglich wären, dann ist das schon zermürbend, weil es die Gestaltungsfreiheit sehr einschränkt.“ Für Annika Mackensen wäre es eine Verbesserung, wenn der Steinmetz vor der Gestaltung neuer Grabfelder auf einem Friedhof beratend hinzugezogen würde. „Wir würden auch gerne, im Rahmen des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes unserer Mitarbeiter, so oft wie möglich mit dem Kran arbeiten. Die Wege und Einteilung der Grabfelder werden aber oft nur für Rasenmäher geplant.“

Der Beruf des Steinmetzes ist in mancherlei Hinsicht nicht ungefährlich. Und das nicht nur wegen der Handhabung der Werkzeuge. Und so bestehen bei der Ausübung des Berufes gesundheitliche Gefährdungen, die durch arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen (alle drei Jahre) oder durch Betriebsärzte erkannt bzw. ausgeschlossen werden können. Hier ist insbesondere die Belastung durch silikogene (quarzhaltige) Feinstäube zu nennen. Auch die Lärmbelastung sowie die Belastung durch Rückstoßerschütterung von handgeführten Vibrationswerkzeugen spielt hier eine nicht unerhebliche Rolle. Hinzu kommt die Belastung der Hände mit Zementen. Auch die Abnutzung der Wirbelsäule bei falscher Haltung und zu starker Belastung beim Aufbänken der Werksteine stellt ein Gesundheitsrisiko dar. Da die Steine ein beachtliches Gewicht aufweisen, gibt es für Naturwerksteine neben Kränen und Gabelstaplern spezielle Gerätschaften für den Steintransport. Diese Erkrankungen sind als Berufskrankheiten von den Berufsgenossenschaften anerkannt.

Was sind eher ungewöhnliche Kundenwünsche?

Gibt es auch spezielle, vielleicht ungewöhnliche, Kundenwünsche, was die Gestaltung eines Grabsteins betrifft? Dazu Annika Mackensen: „Einen Grabstein für ein verstorbenes Kind anzufertigen, ist immer besonders bewegend. Es gab im Laufe der Jahre aber auch viele Kunden, bei denen erst einmal ein bewegendes Gespräch über das Leben oder manchmal den plötzlichen Tod eines Angehörigen stattgefunden hat. Einen Grabstein zu gestalten, ist somit für uns auch immer ein Stück, die Trauerbewältigung mit und für den Kunden voranzubringen.“