Osterode. Viele Menschen im Altkreis Osterode machen sich Sorgen, ihre Gasrechnung nicht bezahlen zu können: Der lokale Versorger Harz Energie im Gespräch.

Coronapandemie, Ukrainekrieg, der rasante Anstieg der Energiekosten und galoppierende Inflation: Das ist ein unverträglicher Cocktail für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Viele Privathaushalte kommen jetzt ins Grübeln, wie sie den Winter überstehen sollen, ob sie die Kosten für Gas überhaupt berappen können.

Regionaler Versorger im Raum Osterode ist die Harz Energie, der selbst leidtragender der massiven Verwerfungen ist.

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Der Harz Kurier sprach mit der Harz Energie über die Lage am Energiemarkt, über die Folgen steigender Kosten für die Kunden und den Versorger.

Um wie viele Prozent erhöht sich für die Harz Energie der Bezugspreis für Gas beim Zwischenhändler?

Auf diese Frage gibt es mehr als eine Antwort. Die prozentuale Entwicklung hängt immer davon ab, welchen Zeitraum man betrachtet und für welchen Lieferzeitpunkt die Preise verglichen werden. Die Gashandelspreise für Lieferungen über ein Jahr haben sich zum Beispiel innerhalb der letzten 12 Monate um mehr als das siebenfache, also um mehr als 600 Prozent erhöht. Gründe für die stark steigenden Großhandelspreise sind verschiedene Entwicklungen. Bereits im letzten Jahr sind die Preise an den Energie-Börsen stark gestiegen. Ursache war eine weltweit nahezu zeitgleich einsetzende konjunkturelle Erholung nach der Hochphase der Corona-Pandemie. Dies führte in allen Weltregionen zu einer erhöhten Nachfrage nach Rohstoffen und ließ die Preise international steigen. Witterungsbedingt gab es zudem eine erhöhte Nachfrage nach Gas. Ein weiterer Faktor für die Entwicklung der Erdgashandelspreise ist der Ukraine-Krieg. Dieser hat zu großen Unsicherheiten auf den Rohstoffmärkten und durch die Verknappung von Gaslieferungen aus Russland zu extrem steigenden Preisen im Gaseinkauf geführt.

Ist nachzuvollziehen, aus welcher Region unser Erdgas kommt?

Der Lieferant Harz Energie liefert nahezu ausschließlich L-Gas, das in Deutschland oder den Niederlanden gefördert wurde. Ein kleiner Teil der Liefermenge ist H-Gas. Dieses kommt aus Norwegen, Russland und über LNG aus aller Welt. Der Großteil unseres Strom- und Erdgasportfolios wird über mehr als 30 Energiegroßhändler über viele Monate im Voraus beschafft. Dabei setzen wir auf Vorlieferanten, die eine hohe Seriosität und eine gute Bonität aufweisen. Nur Restmengen zum Ausgleich von Bedarfsschwankungen werden am Spotmarkt der Energiebörse kurzfristig beschafft. Diese vorausschauende Beschaffungsstrategie sorgt auch in unruhigen Zeiten für größere Planungssicherheit, von der gerade in Krisenzeiten auch unsere Kunden profitieren.

Wer verdient an den hohen Preisen?

Von den enorm gestiegenen Handelspreisen profitieren in erster Linie die Förderländer und deren Unternehmen, die häufig in staatlicher Hand sind. Hierzu zählt natürlich das russische Unternehmen Gazprom, welches übrigens auch ein wichtiger LNG-Lieferant auf dem Weltmarkt ist.

Rechnen Sie mit Zahlungsausfällen und in welchem Umfang, weil Verbraucher finanziell überfordert sind?

Bisher nehmen wir noch wenig Änderung im Zahlungsverhalten unserer Kunden wahr. Für eine Einschätzung hierzu ist es aber auch noch zu früh. Aber ganz sicher birgt ein Mehr an Zahlungsausfällen ein erhebliches Unternehmensrisiko. Wir wissen von einzelnen Unternehmen, dass sie mit Quoten von 5 bis 10 Prozent, teilweise sogar 15 Prozent rechnen. Für uns hätten Ausfälle in dieser Größenordnung erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Bevor wir dieses Szenario fortspinnen, sollten wir aber abwarten, wie die Entlastungspakete der Bundesregierung konkret aussehen.

Müssen säumige Zahler mit Sperrungen rechnen, welchen Vorlauf räumen Sie da ein?

Zwischen der Jahresrechnung und dem Sperrtermin liegen 8 bis 12 Wochen, das ist gesetzlich so geregelt. Bevor es zu einer Sperrung kommt, informieren wir die betroffenen Kunden mehrfach, schriftlich und persönlich, über den Zahlungsverzug. Zählersperrungen versuchen wir, so weit wie möglich, zu vermeiden. Kunden, die aufgelaufene Beträge aus Jahresrechnungen oder Schlussrechnungen nicht in einer Summe zahlen können, bieten wir in der Regel die Möglichkeit einer Ratenzahlung an. Vielfach beobachten wir, dass auf Mahnungen und Sperrankündigung nicht oder zu spät reagiert wird. Dann ist es oft zu spät. Viel besser ist es, unmittelbar Kontakt mit uns aufzunehmen, damit wir mit den Kunden gemeinsam nach Lösungen suchen können. Das vermeidet unnötige Folgekosten wie Inkasso- und Sperrgebühren oder Gerichtskosten.

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    Was halten Sie von der inzwischen beschlossenen Deckelung des Gaspreises?

    Ein Gaspreisdeckel senkt den Gaspreis direkt beim Verbraucher und kann sicherstellen, dass der Grundbedarf an Heizenergie auch für einkommensschwächere Haushalte bezahlbar bleibt. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Die entsprechende Lösung muss aber auch von Stadtwerken und Regionalversorgern innerhalb kürzester Zeit umsetzbar sein. Gleichzeitig darf im bevorstehenden Winter nicht das Ziel aus den Augen verloren werden, möglichst viel Strom und Erdgas einzusparen.

    Ist die Harz Energie als Unternehmen in ihrer Existenz bedroht, und wie würden im Fall einer Insolvenz die Verbraucher versorgt?

    Wir erleben eine Situation, die es in der deutschen Energiewirtschaft so noch nie gegeben hat. Es gibt erste Unternehmen, die auch bereits in Schieflage geraten sind, bei denen die kommunalen Anteilseigner mit Darlehen in Millionenhöhe aushelfen müssen. Sicherheitsgarantien, die beim Einkauf von Strom und Gas von den Vorlieferanten verlangt werden, können in kürzester Zeit zu erheblichen Liquiditätsproblemen und damit in die Insolvenz führen. Wir wissen von Lieferanten, die deshalb die Lieferverträge mit ihren Kunden beenden oder komplett aus dem Erdgasverkauf aussteigen. Solche Pläne haben wir nicht. Wir werden unsere Kunden auch weiterhin zuverlässig mit Erdgas und Strom beliefern.

    Wie schätzen Sie das ein: Es gibt Befürchtungen, dass Deutschland im Winter das Gas ausgehen könnte.

    Obwohl Russland Ende August die Gaslieferungen eingestellt hat und inzwischen auch die Heizperiode begonnen hat, werden die Erdgasspeicher in Deutschland immer voller. Der Füllstand lag zuletzt bei 91,2 Prozent (Stand 26. September 2022, 13 Uhr). Derzeit gibt es keinen physischen Gasmangel. Das klingt erstmal beruhigend, ist aber kein Anlass zur Entwarnung. Die Versorgung hängt neben dem Füllstand der Gasspeicher eben auch von zwei anderen wichtigen Faktoren ab: den Temperaturen im Winter und ob es gelingt, ausreichend Energie einzusparen. Und genau hier können wir alle auch unseren Beitrag leisten. Energiesparen ist in allen Bereichen angesagt: Industrie, Gewerbe, öffentlicher Sektor, Privathaushalte – mit Blick sowohl auf die Kosten, als auch auf die Versorgungssicherheit.

    Wie ist Ihre Prognose zur mittelfristigen Entwicklung der Gaspreise? Können sinkende Kosten an Kunden zügig weitergegeben werden?

    Eine Prognose zur weiteren Entwicklung der Gaspreise ist derzeit extrem schwierig. Eine weitere Verknappung von Energie könnte zu weiteren Preissteigerungen an den Energiemärkten führen. Andererseits könnte die Umstellung unserer Importwege sowie der Rückgang in der Verstromung von Erdgas in den nächsten Jahren schrittweise für Entlastung sorgen. Uns ist natürlich bewusst, dass die aktuelle Preissituation eine erhebliche Belastung und nicht selten auch zu einer Überlastung des verfügbaren Haushaltseinkommens führt. Wir versichern jedoch, dass wir sinkende Kosten schnellstmöglich an unsere Kunden weitergeben. Das ist für uns selbstverständlich. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir natürlich auch die von der Bundesregierung beschlossene befristete Umsatzsteuersenkung von 19 Prozent auf 7 Prozent für Erdgas (1. Oktober 2022 bis 31. März 2024). Wir werden die Umsatzsteuerreduzierung vollständig an unsere Kundinnen und Kunden weitergeben.

    Was raten Sie jetzt den Menschen in der Krise, können sie wichtige Tipps geben, auch zum Heizverhalten?

    Jede nicht verbrauchte Kilowattstunde Strom oder Erdgas hilft! Auch kleine Veränderungen im täglichen Verhalten können in der Summe zu spürbaren Energieeinsparungen von 10 bis 20 Prozent führen. Ein Grad weniger Raumtemperatur senkt zum Beispiel den Verbrauch um rund 6 Prozent. Wenn Sie die Temperatur (zum Beispiel nach dem Lüften) erhöhen wollen, sollten Sie den Regler nicht auf die Stufe „5“ aufdrehen. Wird die Heizung, wenn auch nur kurzfristig, auf „5“ eingestellt, steuert das unnötig viel heißes Wasser aus dem System durch den Heizkörper – was wiederum unnötig viel Energie verbraucht. Etwa 15 Prozent der Heizenergie wird für die Warmwasserbereitung benötigt. Die bewusste Nutzung von Warmwasser hat deshalb ein hohes Sparpotenzial. Wir empfehlen beim Duschen Sparduschköpfe einzusetzen und die Duschzeit zu reduzieren. Damit lässt sich der Warmwasserverbrauch nahezu halbieren. Auch das „Einweichen“ von schmutzigem Geschirr unter einem laufenden Heißwasserstrahl ist zu vermeiden. Ganz allgemein lässt sich sagen: Warmwasser sollte man nur dann „laufen lassen“, wenn es wirklich benötigt wird. Achten Sie auch darauf, dass vor den Heizkörpern keine Möbel stehen oder diese durch Vorhänge verdeckt werden. Entlüften Sie ihre Heizkörper regelmäßig. Außerdem empfehlen wir eine regelmäßige Wartung der Heizungsanlage vor dem Winter. Eine gut gewartete und eingestellte Heizung spart Energie. Und auch kleine bauliche Maßnahmen können sich schnell auszahlen: Dämmen Sie alle Heizungsrohre im unbeheizten Bereich. Das verhindert unnötige Wärmeverluste. Mit einer Dämmung des Dachs oder der obersten Geschossdecke lassen sich rund 7 Prozent des Energieverbrauchs einsparen. Eine einfache Maßnahme, die auch von einem durchschnittlich begabten Heimwerker selbst umgesetzt werden kann.

    Und ganz aktuell mit Blick auf viele Vorhaben in Osterode: Können die Städtischen Wirtschaftsbetriebe weiter mit Ausschüttungen rechnen?

    Krisenbedingte Erlösrückgänge durch die Gaskrise haben zwangsläufig Auswirkungen auch auf die Ausschüttungen an die Gesellschafter. Die konkreten Folgen auf das wirtschaftliche Ergebnis der Harz Energie und damit die Ausschüttungen lassen sich aktuell aber nicht valide vorhersagen.