Göttingen. Betrüger verursachen 2020 eine Millionen Euro Schaden im Bereich Göttingen: EG-Leiter Björn Wiesbaum klärt über bekannte Betrugsmaschen auf.

Enkeltrick, falsche Polizeibeamte und Schockanrufe: Üble Ganoven versuchen mit immer neuen aber auch „bewährten“ Maschen vor allem ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger um ihre Ersparnisse zu bringen. Dieser Entwicklung tritt jetzt die Polizeiinspektion Göttingen (PI) gezielt entgegen und hat eine spezielle Ermittlungsgruppe (EG) eingerichtet.

Am 1. Januar hat diese, angesiedelt im 3. Fachkommissariat des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeiinspektion, ihren Dienst aufgenommen. Die EG „SäM“ (Straftaten zum Nachteil älterer Menschen) befasst sich mit diesem wachsenden Problemfeld. Schon anhand der Bezeichnung wird deutlich, auf wen es Täterinnen und Täter der hier zu bearbeitenden Delikte hauptsächlich abgesehen haben.

2020 gab es 925 versuchte und 466 vollendete Taten

Es sind die älteren Menschen in der Gesellschaft, die im Bereich einiger Kriminalitätsphänomene immer mehr zur Zielscheibe werden. Um an das Geld ihrer Opfer zu kommen, bedienen sie sich inzwischen einer Vielzahl von unterschiedlichen Vorgehensweisen. Schockanrufe, Falsche Polizeibeamte oder auch falsche Wasserwerker sind nur einige Beispiele für die perfiden Methoden, mit denen die Betrüger vorgehen auch im Landkreis Göttingen immer wieder auffallen.

Insgesamt gab es im Zuständigkeitsbereich der PI Göttingen im Jahr 2020 925 Versuche und 466 vollendeten Taten gegeben. Der Gesamtschaden betrug mehr als eine Million Euro. Im Jahr davor (2019) waren es 893 Versuche und 580 vollendete Delikte. „Ein Abbruch der besorgniserregenden Entwicklung ist nicht in Sicht“, stellt Kriminaldirektor Oliver Tschirner, Leiter des Zentralen Kriminaldienstes, fest. Für das Jahr 2021 zeichnen sich Fallzahlen auf einem weiterhin unverändert hohen Niveau ab – Tendenz weiter steigend.

Die Ermittlungsgruppe „SäM“

„Unsere aus vier Beamtinnen und Beamten bestehende Ermittlungsgruppe ermittelt nicht nur fallbezogen, sondern führt Strukturermittlungen durch, um die kriminellen Vernetzungen offenzulegen und neue Ansätze für Ermittlungen und Prävention zu entwickeln. Dabei unterstützen sie als Phänomen-Spezialisten operative Vorgänge. Zunächst erscheint der Begriff SäM irreführend. Zum geschädigten Personenkreis zählen dabei Menschen über 60 Jahren, die durch klassische Call-Center-Delikte betroffen sind. Nicht jede Straftat gehört daher in den Bereich unserer Ermittlungsgruppe. Vorrangig behandelte Straftaten der EG SäM Südniedersachsen sind der Enkeltrick, falsche Polizeibeamte oder Schockanrufe“, erklärt der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes.

EG-Leiter klärt über bekannte Betrugsmaschen auf

Es sei nicht einfach, den international vernetzten Tätern habhaft zu werden, denn diese sind technisch gut ausgestattet. Tschirner: „Allerdings sind wir das inzwischen auch! Mit zeitgemäßer technischer Ausstattung, persönlichem Knowhow, einer großen Portion Idealismus und langwieriger klassischer Ermittlungsarbeit, erzielen wir hier Erfolge.“

Drei der bekannten Vorgehensweisen der Täter beschreibt EG-Leiter Björn Wiesbaum. So sei beispielsweise der „Enkeltrick“ bei den Tätern nie aus der Mode gekommen:

Der Enkeltrick

Hierbei werden vorrangig Menschen angerufen, die von Namen her als ältere Personen identifiziert werden können. „Über gut durchdachte Gesprächsstrukturen, schaffen es die gerissenen Gesprächspartner im laufenden Gespräch, immer mehr private Informationen zu erlangen“, so Wiesbaum.

„Wenn erstmal der Irrtum erregt wurde, es handele sich um das Enkelkind oder einen anderen näheren Verwandten, haben die Täter bei den hilfsbereiten älteren Menschen leider überwiegend leichtes Spiel“, erklärt der Ermittler. Es werde dann zum Beispiel von einer finanziellen kurzfristigen Notsituation berichtet und gebeten, bis morgen auszuhelfen. Hohe Summen würden so häufig an Dritte weitergegeben, ohne das Vorhaben zu hinterfragen.

Falsche Polizeibeamte

Auch das unerschütterliche Vertrauen in die Instanz der Polizei wird durch falsche Anrufe ausgenutzt. Ein angeblicher Polizist schildert einen Vorfall von einer Einbrecher-Bande. Die Kontaktdaten der Angerufenen wurden gefunden, und da einige Täter entkommen konnten, wird die Sorge um eventuelle Wertgegenstände vorgeheuchelt.

Es wird daraufhin die amtliche Verwahrung angeboten, bis die vermeintlichen Täter festgenommen wurden. Häufig wird dabei angeboten, die Wertsachen durch einen (falschen) Polizeibeamten abholen zu lassen oder sie einfach in einer Tüte vor der Tür zu deponieren.

Meist wird bei einer anderen Tatbegehungsform, dem Schockanruf, laut der Ermittler eine gesundheitliche Notsituation vorgetäuscht.

Der Schockanruf

Gerade zur aktuellen pandemischen Lage kamen Fälle vor, in denen zum Beispiel für die Behandlung eines Verwandten teure Medikamente benötigt wurden. Anrufe erfolgten durch angebliche Mediziner oder die falschen Verwandten selbst. „Seit etwa einem Jahr finden vermehrt Kombinationen aus Betrugsvarianten statt“, so Wiesbaum. Es meldet sich zum Beispiel ein angeblicher Angehöriger: „Hilf mir, ich habe jemanden totgefahren und bin hier bei der Polizei.“ Dann meldet sich sofort ein angeblicher Polizeibeamter der behauptet, der Angehörige müsste jetzt in Haft . Dann wird um eine Kaution gebeten, um die Haft zu vermeiden.

„Zunächst sei deutlich angemerkt: Es gibt in der deutschen Strafprozessordnung keine Kaution“, stellt der Beamte fest. Um mehr Glaubhaftigkeit zu erzeugen, wird häufig angeboten, die 110 anzurufen und sich die Richtigkeit bestätigen zu lassen. Aber dabei werde nicht aufgelegt, sondern dies nur vorgegaukelt und ein anderer Täter meldet sich, bestätigt die Geschichte und verbindet wieder mit dem angeblichen Kollegen.

Grundsatz: „Nicht am Telefon!“

„Einfach zu merken ist der Grundsatz: Nicht am Telefon! Dies soll heißen, dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht persönliche Datenfragen und finanzielle Dinge niemals telefonisch regeln. Hierzu wird der persönliche Kontakt hergestellt. Die echten Staatsdiener können sich ausweisen und über die echte 110 legitimieren lassen. Stellen Sie die Verbindung zur 110 selbst her und hinterfragen Sie ihre Handlungen“, rät Wiesbaum.

Auch für 2022 sind weitere Präventionsmaßnahmen geplant. „Wir werden nicht müde, gegen diese Täter vorzugehen“, so die PI dazu abschließend.