Göttingen. Die Gewerkschaft NGG Nahrung-Genuss-Gaststätten fordert bessere Arbeitsbedingungen in Hotels und Gaststätten.

Im Zuge der Corona-Pandemie verzeichnen die Hotels und Gaststätten im Kreis Göttingen laut Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) eine dramatische Abwanderung von Fachkräften. Innerhalb des vergangenen Jahres haben im Landkreis Göttingen rund 1.150 Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte dem Gastgewerbe den Rücken gekehrt – das ist fast jeder sechste Beschäftigte der Branche, wie die Gewerkschaft unter Berufung auf jüngste Zahlen der Arbeitsagentur mitteilt.

Vielen Betrieben fehlt das Personal

Angesichts weiterer Lockdowns bis in den Mai hinein dürfte sich der Personal-Schwund bis heute nochmals zugespitzt haben, befürchtet Katja Derer, Geschäftsführerin der NGG-Region Süd-Ost-Niedersachsen-Harz. „Viele Menschen schätzen es, nach langen Entbehrungen endlich wieder essen zu gehen oder zu reisen. Aber ausgerechnet in der Sommersaison fehlt einem Großteil der Betriebe schlicht das Personal, um die Gäste bewirten zu können“, so Derer. Für die Lage macht die Gewerkschafterin insbesondere die Einkommenseinbußen durch die Kurzarbeit verantwortlich: „Gastro- und Hotel-Beschäftigte arbeiten sowieso meist zu geringen Löhnen. Wenn es dann nur noch das deutlich niedrigere Kurzarbeitergeld gibt, wissen viele nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.“

Wenn die gut ausgebildeten Fachkräfte in Anwalts- oder Arztpraxen die Büroorganisation übernehmen oder in Supermärkten zwei Euro mehr pro Stunde verdienen als in Hotels und Gaststätten, dürfe es niemanden überraschen, dass sich die Menschen neu orientierten. „Schon vor Corona stand das Gastgewerbe nicht gerade für rosige Arbeitsbedingungen. Unbezahlte Überstunden, ein rauer Umgangston und eine hohe Abbruchquote unter Azubis sind nur einige strukturelle Probleme. Die Unternehmen haben es über Jahre versäumt, die Arbeit attraktiver zu machen. Das rächt sich jetzt“, kritisiert Derer.

Chance, die Branche neu aufzustellen

Wirte und Hoteliers hätten nun die Chance, die Branche neu aufzustellen. Zwar seien viele Firmen nach wie vor schwer durch die Pandemie getroffen. Doch wer künftig überhaupt noch Fachleute gewinnen wolle, müsse jetzt umdenken und sich zu armutsfesten Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen bekennen. Dazu seien Tarifverträge unverzichtbar, unterstreicht Derer die Position der Gewerkschaft: „Am Ende geht es um einen Kulturwandel. Auch Servicekräfte haben ein Recht darauf, vor dem Dienst zu wissen, wann Feierabend ist. Sie haben Anspruch auf eine anständige Bezahlung – unabhängig vom Trinkgeld. Und auf eine faire Behandlung durch den Chef.“

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beschäftigte das Hotel- und Gaststättengewerbe im Landkreis Göttingen zum Jahreswechsel 6.171 Menschen. Genau ein Jahr zuvor – vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie – waren es noch 7.316. Damit haben innerhalb von zwölf Monaten 16 Prozent der Beschäftigten die Branche verlassen.