Herzberg. Ein Jahr im Amt ist Herzbergs Bürgermeister Christopher Wagner. Wie er die ersten 12 Monate erlebt hat und was er noch vorhat, erzählt er im Gespräch.

„Es ist erschreckend wie schnell ein Jahr vorbei ist“, sagt Christopher Wagner mit einem Lächeln. Seit November vergangenen Jahres, nach einer Stichwahl gegen den parteilosen Kandidaten Sascha Schwerin, ist er der Bürgermeister der Stadt Herzberg. Im Gespräch lässt er die vergangenen zwölf Monate Revue passieren – richtet den Blick aber auch klar nach vorne.

„In einem Jahr in der Verwaltung kann man nicht ganz so viel bewegen“, sagt er. Immerhin treffe man keine alleinige Entscheidung, jeder Vorschlag wandert durch die verschiedenen Ausschüsse ehe es zu einem Beschluss kommen kann – und doch hat sich in dieser Zeit so einiges in Herzberg getan. Das liegt vielleicht auch nicht zuletzt daran, dass Christopher Wagner durchaus mit der Arbeit an der Spitze einer Gemeinde vertraut ist: Als Alleinigen Vertreter in Walkenried übernahm er für rund drei Jahre die Aufgaben des dortigen Bürgermeisters. „Natürlich tickt jede Verwaltung anders und diese hier ist etwas größer.“ Immerhin ist Wagner nun für fünf Ortschaften und rund drei Mal so viele Einwohner, mehr Schulen, Schwimmbäder, Feuerwehren und Kindergärten verantwortlich. Eine große Unterstützung ist für ihn dabei die Verwaltung: „Alle arbeiten gut und selbstständig. Mit den drei Fachbereichsleitern ist es eine Arbeit als Team mit tollem Austausch.“ Viel Bekanntes, aber eben doch in neuer Form, fasst er zusammen.

Gremium in neuer Form

Von neuer Form kann man aber auch im Gremium der Stadt sprechen: „Von 30 Stadtratsmitgliedern sind 20 neu. Das ist eigentlich schon fast zu viel“, sagt Wagner und lacht. Eine ganz tolle Entwicklung sind für ihn dabei die vielen jungen Leute. „Wir haben in diesem Rat gute und engagierte Menschen durch alle Parteien hinweg.“ In vielen Stellen müsse sich das neue Gremium noch finden. Doch auch hier hat sich in dem ersten Jahr einiges getan: „Wir kommen im Rat langsam vom Kleinteiligen weg und können gemeinsam unseren Blick für die kommenden Jahre öffnen.“

Eine Besonderheit, die der Herzberger sehr schnell zu seinem Amtseintritt festgestellt hat, ist das große Engagement der Herzbergerinnen und Herzberg. „Hier gibt es über 150 Vereine, Verbände und Parteien.“ Ein breit aufgestelltes Engagement in Herzberg, das so einen Ort nach seiner Sicht auch ausmacht – gerade als Träger der Kultur im Ort, wie das Schützenfest Herzberg. Vom Juesseehilfeverein, der sich fast täglich rund um den Juessee engagiert und der Esperantogesellschaft, die im Kleinen dafür sorgt, dass Menschen aus der ganzen Welt nach Herzberg kommen bis zum MTV Herzberg, der die Menschen durch den Sport zusammenbringt. „Und auch die Veranstaltung der Harzer Sonnenzwerge auf dem Marktplatz ist ein gutes Beispiel dafür. Unsere Vereine sind das Fundament von dem, was hier kulturell in unserem Ort passiert. Ebenso erfreulich ist, dass unsere lokalen Firmen als Sponsoren gut mitmachen.“

Eine erste große Prüfung in diesem Jahr war für Christopher Wagner und sein Gremium hingegen der Haushaltsplan für das Jahr 2022, wie er erzählt. „Wir hatten in den vergangenen Jahren gute Abschlüsse, für die Stadt ist es also tatsächlich das erste Mal, dass ein Haushalt abgelehnt wird.“ Unweigerlich schlug sich das auch auf die Finanzen der Stadt nieder: „Der Handlungsspielraum war beschränkt, ohne Genehmigung darf man nur gesetzlich Verpflichtetes oder Verkehrssicherungsmaßnahmen durchführen“, betont der Herzberger. Von Vorteil war es, dass die Stadt von übertragenen Mitteln aus dem letzten Haushalt profitieren konnte. So konnte in diesem Jahr noch an der ein oder anderen Stelle angepackt werden. „Andere Sachen mussten liegen bleiben. Wir rechnen aber damit, dass wir noch eine Haushaltsgenehmigung bekommen und die aufgeschobenen Dinge auf 2023 übertragen können.“

Ortsdurchfahrt und Innenstadt

Eine wahre Herkulesaufgabe stand Christopher Wagner in diesem Jahr mit dem Beginn der Sanierungsarbeit der Ortsdurchfahrt Herzberg bevor. „Als ich das erste Mal die Pläne sah dachte ich mir, das geht so nicht“. Aber die Straße musste gemacht werden – und mit der Unterstützung seiner Verwaltung habe man sich in den Prozess begeben. Kurz vor dem Abschluss des ersten Bauabschnittes zieht Wagner eine optimistische Bilanz: „Allen Kritikern zum Trotz läuft es im Moment gut, wir haben wenig Probleme mit Rückstaus. Der Verkehr ist größtenteils dort wo er laufen sollte.“ Spannend werde es, wenn die Baustelle in die Stadt selbst vorrückt. „Eine solche Baustelle ist ein lebender Prozess. Es gibt keine richtige Lösung von Beginn an – und manchmal muss man nachadjustieren.“ Der Bürgermeister ist aber optimistisch, dass das Vorhaben im Zeitplan realisiert werden kann.

Ein weiteres großes Projekt, das die Verwaltung seit Beginn des Jahres beschäftigt und sich nun der Realisierung nähert, ist die Belebung des Stadtzentrums mit dem Förderprogramm „Perspektive Innenstadt“. Fünf Projekte sollen in diesem Rahmen umgesetzt werden. „Wir haben viele positive Impulse aus der Innenstadt: Der Deutsche Kaiser, der nächstes Jahr hoffentlich eröffnet, gegenüber liegt bereits das neu eröffnete Restaurant Dynastie.“ Daran möchte Wagner mit den festgelegten Maßnahmen anknüpfen.

In seinem ersten Amtsjahr musste sich der Herzberger Bürgermeister neben den großen Projekten wie der Ortsdurchfahrtssanierung und dem Haushalt für das Jahr 2022 aber auch als Krisenmanager beweisen. Eine Aufgabe, mit der er gut vertraut ist – immerhin ist er im Landkreis Northeim für den Katastrophenschutz zuständig. Pläne bei einer Zuspitzung der Energiekrise macht sich der Bürgermeister so auch unlängst, so unter anderem in Form von der Schaffung von Wärmeräumen, wenn Bürger ihre Wohnungen nicht mehr heizen könnten. „Mir wurde immer gesagt ‚Keine Sorge, es wird genug Gas da sein‘. Ja, glaube ich auch, aber die Frage ist, ob man dieses dann auch bezahlen kann.“

Besondere Projekte konnten im ersten Jahr gestartet werden

Auch vorbereiten möchte er sich auf einen möglichen Blackout. „Wir beschäftigen uns derzeit unter anderem damit, wie wir beispielsweise unsere Einsatzkräfte im Falle eines Blackouts – und ohne Zapfsäulen – einsatzbereit halten können.“ Er ist überzeugt: „Wir werden eine Antwort darauf finden und beschäftigen uns damit.“ In der Zwischenzeit war die Stadt aber auch nicht inaktiv. „ Ich bin ein Freund davon, Dinge anzupacken, die wir hier verändern können. Zwar können wir das Bundesgesetz nicht ändern, aber wir machen, was uns möglich ist.“ So wirft die Stadt derzeit einen Blick auf die Sirenen, die Notstromversorgung und das Thema Heizen. Durchaus eine Herausforderung für Wagner und die Verwaltung, da es sich um neue Themen handelt, aber der Herzberger sieht auch hier die Verwaltung gut aufgestellt.

Auch einige für ihn besondere Projekte konnten im ersten Amtsjahr des Bürgermeisters angestoßen werden: Da ist zum einen die Förderung für das Waldschwimmbad Scharzfeld in Höhe von 2,3 Millionen Euro. Ein „riesengroßes Geschenk“, wie Wagner es nennt. Denn nicht zuletzt auch durch das Engagement der Stadt, sondern auch der Bundespolitiker. „Die Mittel dafür hätten wir im Haushalt aus eigener Kasse nicht zur Verfügung gehabt.“ Man stehe zwar noch ganz am Anfang der Maßnahme, doch die Freude über die Rettung des Bades ist groß.

Ebenso konnten erste konkrete Schritte in Richtung Radweg Sieber gemacht werden. Durch die vielen unterschiedlichen Zuständigkeiten kein leichtes Unterfangen, gibt Wagner zu. „Aber wir haben jetzt einen abgestimmten Plan, wie wir das Projekt umsetzen.“ Im nächsten Jahr sollen nun – nach der erfolgreichen Beschlussfindung – die Vorbereitungen beginnen. Was den Bürgermeister dabei besonders freut: „Damit sind war an einem Punkt, an dem wir die vergangenen 20 Jahre nicht waren.“

Eines dieser Projekte, das ganz im Zeichen der erneuerbaren Energien steht, wird im kommenden Jahr umgesetzt: „An der Mahnteschule werden wir 2023 eine Photovoltaikanlage mit 26 Kilowatt setzen können.“ Es soll dabei nur der Anfang sein für das Areal. Einen Blick geworfen habe man auch schon auf die Turnhalle, die rund drei Mal so viel Platz hat. „Wir haben schon einige kleinere Anlagen wie in Pöhlde und Scharzfeld, aber die Anlage auf der Schule wird die erste große sein und mehr als den Stromverbrauch der Schule decken.“

Das vierte für Wagner besondere Projekt: „Endlich wieder Bauplätze in Herzberg.“ Mit diesen möchte er – genau wie mit den 25 Plätzen in Scharzfeld – ebenfalls 2023 weiterkommen. „Es gibt Projekte wie diese, da kann ich auch nach einem Jahr schon sagen, dass sich etwas getan hat und man eine Entwicklung sieht. Das sind auch einige interne Verwaltungsprojekte, die das betrifft.“

Für die Zukunft aufstellen

Doch auch wie in seinem ersten Jahr bleibt die Aussicht auf die Finanzen in den kommenden Jahren für Christopher Wagner gemischt: „Es wird schwierig, auch bedingt durch die Preissteigerungen.“ Denn genau wie Privathaushalte sind auch Gemeinden davon betroffen. „Ich kann mich privat entscheiden, ob ich kalt dusche oder die Heizung auslasse, aber wir können unsere Kindergärten und Schulen nicht kalt lassen.“ Auch werde sich die Preisentwicklung in den kommenden Jahren auf Bürger auswirken, wie man es jetzt schon beim Abwasser sehen könne. „Wir sehen uns das im Rat alles an, da wir trotz der Einsparungen und finanziellen Lage den guten Standard in vielen Bereichen wie Kinderbetreuung aufrecht erhalten und nicht einschränken möchten.“

Für Wagner ist es daher wichtig, wie in diesem Jahr auch 2023 zu prüfen, wo die Stadt sparen kann. „Wir müssen uns für die Zukunft aufstellen, anders wird es nicht gehen – da geht es aber allen so“, betont der Bürgermeister. Einen Vorteil sieht er hier, dass es keine von der Stadt bereits begonnenen Bauprojekte gibt. „Einige sind zwar fertig geplant, aber noch nicht begonnen. Diese können wir problemfrei verschieben. Wir müssen Dinge moderat verändern, sofern es geht, aber auch auf das Geld achten.“ Energieeinsparung war für die Stadt zwar vorher schon ein wichtiges Thema, jetzt aber umso mehr. Weitergehen soll das mit der schrittweisen Umstellung auf LED. „Außerdem haben wir in der Mahnteturnhalle Lüfter, die den ganzen Tag laufen müssen, jedoch veraltet sind und Strom fressen. Hier wollen wir prüfen, was möglich ist, um einzusparen.“ Insgesamt hat die Stadt finanziell noch etwas Luft, aber die Tendenz zum Defizit für die kommenden Jahre sei da.

Stadt in einigen Bereichen wie Kinderbetreuung gut aufgestellt

In einigen Bereichen sieht Christopher Wagner die Stadt gut aufgestellt: „Kinderbetreuung ist extrem wichtig, schließlich ist sie auch ein Qualitätsmerkmal der Stadt.“ Umso erfreulicher für den Bürgermeister: Die Betreuung von der Krippe bis zum Abitur und alle weiterführenden Schulen hat Herzberg zu bieten. Auch die Feuerwehr ist ein großes Thema für Herzberg. „Wir haben hier viele Aktive und versuchen, diese so gut wie möglich auszustatten. Im vergangenen Jahr besorgten wir beispielsweise die neue Drehleiter für 860.000 Euro.“

Einen weiteren Punkt, in dem der Bürgermeister seine Stadt gut aufgestellt sieht, ist das Thema Gebäude: „Wir investieren kontinuierlich in den Gebäudebestand, genauso auch mit Blick auf Energiesparen und erneuerbare Energien. In unseren zu verwaltenden Gebäuden beschäftigen wir uns damit, wie man diese energieeffizienter gestalten kann.“

Über die Frage, ob er den Amtsantritt in seinem ersten Jahr je bereut hat, kann Christopher Wagner nur lächeln. „Nein, ich habe durch meine Vorgeschichte gewusst worauf ich mich einlasse und es macht mir Spaß.“ Natürlich sei es jetzt so, dass man mehr erkannt wird – teilweise zum Leidwesen seiner Familie, wie er lachend erzählt. „Für mich gehört das als Bürgermeister aber dazu, in den Orten präsent zu sein, auch wenn das Brötchen holen dann einmal etwas länger dauert.“ Er sagt klar: „Ich gehe jeden Tag gerne in mein Büro. Das Amt ist etwas besonderes: Mit Leuten zusammenarbeiten und eine Perspektive zu erarbeiten, neue Impulse zu bekommen und das Engagement zurückzuspielen. Ich hoffe das bleibt auch noch lange so.“