Bad Sachsa. Premiere: Grenzlandmuseum Bad Sachsa zeigt zum Tag der deutschen Einheit einen Film. Das berichten Zeitzeugen der Grenzsicherung aus Ost und West.

„Es ist ein Dilemma, das wir künftig häufiger erleben werden – das Zeitfenster ist klein und wird kleiner“, sagt Uwe Oberdiek und meint den persönlichen Austausch mit Zeitzeugen bedeutender Geschichte. An diesem Tag der deutschen Einheit sollten eigentlich Rainer Strube und Karl-Heinz Schneider ins Grenzlandmuseum Bad Sachsa kommen, um von ihren Erfahrungen an der innerdeutschen Grenze zu sprechen. Dort standen sich die beiden 46 Jahre früher als Grenzsoldat im Osten und Zollbeamter im Westen gegenüber, ohne voneinander zu wissen. Aus gesundheitlichen Gründen mussten beide absagen. Je älter Zeitzeugen werden, desto unwahrscheinlicher jede Reise.

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Der Museumsleiter und Vorsitzende von dessen Förderverein, Uwe Oberdiek, hatte Strube und Schneider schon zwischen 2012 und 2015 bei Recherchen in Internetforen kennengelernt. Irgendwann entstand die Idee, die Geschichte der beiden Grenzbeamten filmisch zu dokumentieren – Premiere wurde nun am 3. Oktober gefeiert. „Das Zusammenkommen von Menschen verschiedener Kulturen ist heute weitgehend selbstverständlich. Das war vor gar nicht langer Zeit noch anders“, begrüßte Oberdiek die Gäste im blauen Salon. Alle 40 Sitzplätze waren besetzt.

Prägsam ein Leben lang

Nach einer kurzen historischen Einführung in die Zeit macht der Dokumentationsfilm bald die Frage auf, deren Antwort er sucht: Was brachte Menschen eigentlich gleicher Nationalität dazu, die sie trennende Grenze zu bewachen? Immerhin, so lernt das Publikum, waren zeitweise etwa 75.000 Menschen direkt oder indirekt mit der innerdeutschen Grenzsicherung beschäftigt.

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Es ist wohl nur ein Grund unter vielen, für den das Französische den schönen Begriff der „déformation professionelle“ kennt, auf deutsch ungleich klangarm mit „beruflich bedingter Missbildung“ übersetzt. Doch was der BRD-Zollbeamte Karl-Heinz Schneider und der DDR-Grenzsoldat Rainer Strube erzählen, zeigt, wie ihre damalige Aufgabe bis heute ihre Leben prägt: Auch 46 Jahre später kennen sie noch die Bezeichnung jeder Waffe, den Modellnamen jedes Fahr- oder Flugzeugs, so dass Laien nur Bahnhof verstehen.

Bildergalerie- Ausstellung 60 Jahre Mauerbau

Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
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Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Bau der Mauer in Berlin hat das Grenzlandmuseum Bad Sachsa eine neue Sonderausstellung eröffnet. © HK | Thorsten Berthold
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Es sind aber auch dramatische Ereignisse, die beide schildern, die sich für immer eingebrannt haben. Karl-Heinz Schneider berichtet im Film von einem abgestürzten Hubschrauber im Osten, direkt vor seinen Augen. Rainer Strube erzählt von einem Fahnenflüchtigen, der kurz vor Weihnachten 1975 zwei Kameraden erschoss.

Strenger Tagesablauf

Sie schildern aber auch eindrücklich ihre jeweiligen Tagesabläufe, die aus heutiger Sicht beide militärisch straff durchorganisiert klingen, im Osten aber noch entfremdeter: Bis auf die letzte Minute sei sein Dienst geregelt gewesen, beschreibt DDR-Grenzsoldat Rainer Strube seine damalige Arbeit; in der Frühschicht aufstehen um 1.30 Uhr, „um Morgentoilette und Frühstück durchzuführen“, sagt er im Film. Frühstück „durchführen“ – da bekommt man eine Idee vom Geschmack. „Die Offiziere haben ja besseres Essen bekommen“, flüstert eine Frau im Publikum.

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Später im Film treffen Rainer Strube und Karl-Heinz Schneider auch noch aufeinander, begehen gemeinsam Orte, an denen sie – jeder auf seiner Seite – patrouilliert hatten. „Als sich am 9. November 1989 die Nachrichten häuften, die Grenze sei offen, konnte ich das zuerst gar nicht glauben“, erinnert sich Schneider. „Ich habe mich dann sehr gefreut.“ Und Rainer Strube: „Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass dieser Moment passieren könnte.“ Auch die Natur habe sich stark verändert, fällt Strube auf.

Eigene Erfahrungen im Gepäck

Nach der Premiere nimmt sich Uwe Oberdiek noch Zeit, um ein paar Fragen zu beantworten, ein bisschen auch stellvertretend für die beiden Zeitzeugen, mit denen er selbst, die aber auch untereinander inzwischen gut befreundet sind. Am Ende ist es aber weniger Oberdiek, der erzählt, sondern die vielen Gäste, die ihre eigenen Erfahrungen mitgebracht haben und teilen möchten. Sie sind sogar aus Braunschweig gekommen und aus Dresden. „Das freut mich besonders“, sagt Oberdiek. Er sehnt sich aber nach mehr jugendlicher Unterstützung bei solchen Projekten. „Junge Menschen könnten so einen Film viel schneller und besser zusammenschneiden als ich“, sagt er. Auch Museen haben Probleme mit Nachwuchs im Ehrenamt.

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Das Schlusswort gehört aber dem früheren DDR-Grenzsoldat Strube, der zum Ende des Films in die Kamera blickt und sagt: „Dass ich mal mit einem ehemaligen Zöllner an der ehemaligen innerdeutschen Grenze stehen würde – die hätten mich alle für verrückt erklärt.“