Braunschweig. Das junge Tanzstück „Rabbit Hole“ geht ein ernstes Thema mit hinreißender Leichtigkeit an. Warum der Abend im Staatstheater charmiert.
Hach, was für ein schöner, leichter, magischer Tanzabend. Einer, bei dem man wirklich traurig ist, dass nach knapp 60 Minuten das Saallicht wieder angeht und den Zauber ausknipst.
Dabei wird „The Rabbit Hole“ (der Kaninchenbau) im Programmheft des Staatstheaters als dunkles Problemstück für junges Publikum angekündigt. Eine Protagonistin gründelt in den unheimlichen Tiefen ihres Seelenlebens und begegnet „angsteinflößenden gegensätzlichen Emotionen“. Den inneren Monstern gewissermaßen. „Wir steigen hinab, immer tiefer.“
Nao Tokuhashi, ein hinreißender Kobold
Tatsächlich steigt Tänzerin Miriam Kaya ganz im Dunkeln auf einer langen Leiter hinab zum Bühnenboden des Kleinen Hauses, mit Schutzhelm und einer Taschenlampe bewaffnet. Der Raum erhellt sich schließlich, an den Rändern stehen Wäschekörbe unterschiedlicher Form und Größe, überall verstreut liegen Laken und Tücher. Während Miriam beginnt aufzuräumen, huschen Schatten synchron über die weitgespannte Stoffwand im Hintergrund.
Plötzlich kreist eine blaue Hand über dem Rand eines Korbes. Nao Tokuhashi springt heraus, in einem blau durchwirkten Body und geriert sich als wahrer Zappelphilipp. Sie hüpft, schlackert mit halb selbständigen Gliedmaßen, im Wortsinn überdreht. Das überträgt sich auf Miriam, die ebenfalls hibbelt, nervös lacht. Doch so will sie eigentlich nicht mehr sein – und stopft Nao in den Wäschekorb zurück.
Michael D‘Ambrosio, die getanzte Depression
Kommt Michael D‘Ambrosio ganz in Rot aus einem anderen Korb gerutscht. Amorph, luschig, schlapp. Aalt sich traurig über den Boden. Die personifizierte Weltuntergangsselbstzweifelei. Miriam müht sich, sie zu schultern und zurück zu den Laken zu befördern. Zack, schon geht Kasperkind Nao wieder steil aus ihrem Korb und zappelt zu jacques-offenbachscher Kribbelmusik über die Bühne. Hat Miriam sie wieder unter Kontrolle, tröpfelt Depri-Michael drüben aufs Neue los. Da bewegt sich Sara Angius‘ Choreografie amüsant am Rand der Klamotte. Doch das TänzerInnen-Trio agiert so unprätentiös koboldhaft und anmutig zugleich, dass es im Zusammenklang mit den delikaten Klassikhäppchen vom Band eine Augenweide ist.
Weil es auf Dauer aussichtslos ist, ihre dann doch schräg liebenswerten Dämonen zu bekämpfen, verschmilzt Miriam mit ihnen. Wenn auch zunächst eher ungewollt, beim gemeinsamen Sturz in einen Wäschekorb. Zunächst von Laken bedeckt, später auch ohne, morphen sie sich zu einem ineinander verschränkten Wesen, das sich putzig bis beeindruckend über die Bühne hin berappelt und entwickelt.
Bis Miriam sich mit ihren inneren Ungeistern irgendwie einig ist und sie von sich aus verschwinden. Ruhig steigt sie die Leiter aus dem Unbewussten wieder empor. Aus der Zauber. Schade. Starker Applaus, auch vom Kursus Darstellendes Spiel 9./10. Jahrgangsstufe der IGS Franzsches Feld, die die Entstehung des Stücks begleitet hat.
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