Braunschweig. Der Schweizer Schriftsteller will in der Buchhandlung Graff aus seinem Roman „Das kleine Haus am Sonnenhang“ lesen. Aber daraus wird nichts.

Eine Autoren-Lesung, die keine Lesung war, und trotzdem nur lächelnde, beschwingte Gesichter: Dieses Kunststück gelang Alex Capus am Mittwochabend in der Braunschweiger Buchhandlung Graff. Rund 170 Interessierte hatten sich dort zur Vorstellung von „Das kleine Haus am Sonnenhang“, so der Titel des neuen Buchs des Schweizer Schriftstellers, versammelt.

Dieser Titel klingt schon wie ein Wohlfühlprogramm – und diese Erwartung erfüllt Alex Capus (gesprochen „Kapüs, mit Betonung auf dem ü). Lässig, mit Cargo-Hose, T-Shirt und orangefarbenen Sportschuhen gekleidet, fängt er an zu erzählen – und hört einfach nicht mehr auf. Aber erzählen kann er wirklich gut. Dunkle, volle Stimme, leichter Schweizer Akzent, mit den Pausen an den richtigen Stellen und locker eingestreuten Pointen.

„Das kleine Haus am Sonnenhang“: Sehr italienisch, sehr gelassen

„Das kleine Haus am Sonnenhang“ ist ein autobiografisches Buch. Der 62-jährige Schriftsteller erzählt darin von einem Haus in den norditalienischen Bergen, das er nach seiner Studentenzeit gekauft hatte und in dem er mit vielen Freunden und auch allein jahrelang Sommer und Herbst verbrachte. Es passiert eigentlich nicht viel: Man trifft sich, Feste werden gefeiert, man liebt und streitet sich, einige Bewohner des benachbarten Städtchens werden vorgestellt, dazu kommen ein paar Geschichten, die in der Bar spielen, die er regelmäßig besucht. Das Besondere ist die sehr italienische, sehr gelassene Atmosphäre in diesem begrenzten Lebensraum.

Das Leben verläuft überschaubar zwischen Tankstelle, Bar und Eisenwarenhandlung, die handelnden Personen sind italienisch elegant oder liebenswerte Kauze, und Capus selbst kümmert sich um die Instandhaltung des Hauses und die Fertigstellung seines ersten Romans. Ein bisschen Bullerbü für Erwachsene.

Wie Alex Capus sich einen Namen machte

Das alles trägt er freihändig vor, ergänzt durch ein paar Abschweifungen zu seinem Leben im Schweizerischen Olten und zu einigen seiner früheren Romane. Das kommt so entspannt und selbstverständlich daher, dass niemand das klassische Vorlesen vermisst. Wozu auch? Capus’ freies, scheinbar improvisiertes Erzählen ist viel wirkungsvoller, als es jedes Vorlesen sein könnte.

1994 kam sein erstes Buch heraus, „Die verfluchte Schwerkraft“. Seitdem veröffentlicht er regelmäßig und entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten Schweizer Autoren. Bekannt wurde er mit seinen historischen Romanen – der bisher meistverkaufte ist „Eine Frage der Zeit“, in dem die abenteuerliche Geschichte dreier Werftarbeiter erzählt wird, die 1913 beauftragt werden, ein Dampfschiff in seine Einzelteile zu zerlegen und am Tanganjika-See in Afrika wieder zusammenzusetzen.

Warum Alex Capus jeden Montagabend in der Bar „Galicia“ steht

Zu seinem Schreibstil sagt Capus: „Ich bin kein Historiker, ich schreibe Romane. Deswegen habe ich gewisse Freiheiten.“ Und zu seiner äußerst produktiven Arbeitsweise: „Ich habe keine feste Schreibroutine – wenn ich eine Idee habe oder weiß, wie eine Geschichte weitergeht, setze ich mich hin und schreibe es auf.“ Zur Not auch in seiner eigenen Bar „Galicia“, die er vor über zehn Jahren in Olten übernommen hat, und in der er an jedem Montag selbst hinter dem Tresen steht. Dieser Termin ist Pflicht; darauf werden auch Lesereisen und Buchvorstellungstermine abgestimmt.

Am Ende bildet sich eine lange Schlange vor dem Signiertisch. Alex Capus nimmt sich Zeit, hört zu, fragt nach – man spürt den erfahrenen Menschen-Versteher. Und natürlich erhalten alle ganz entspannt ihre gewünschte Widmung.

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