Wolfsburg. Laut Interims-Intendant Rainer Steinkamp sind vor allem Unterhaltungsstücke gefragt. Was für die nächste Spielzeit geplant ist.

Der Corona-Blues verklingt so langsam aber sicher: Die Besucherzahlen im Wolfsburger Scharoun-Theater haben sich in der zweiten postpandemischen Spielzeit deutlich verbessert. Fast 60.000 Tickets sind für die 105 Vorstellungen bis zum Jahresende verkauft worden, das sind im Schnitt 568 Besucher pro Abend. 800 Plätze hat das Theater auf dem Klieversberg.

Intendant Rainer Steinkamp gibt sich deshalb recht entspannt, was die Auslastung seines Hauses betrifft. „Wir dürften bis zum Ende dieser Spielzeit bei 80.000 Besuchern landen“, sagt er. Die Spielzeit 2018/2019 – die letzte, die von der Pandemie unberührt blieb – konnte mehr als 98.000 Besucher anlocken. Was das Verhältnis von verkauften Tickets zu Veranstaltungen betrifft, liegt das Theater aktuell ein gutes Stück über dem Schnitt von vor Corona.

Wolfsburger Intendant: Anspruchsvolle Stoffe werden weniger nachgefragt

Wie beobachtet der Interims-Intendant, der nach dem überraschenden Weggang von Dirk Lattemann im vergangenen Jahr aus dem Ruhestand zurückkehrte, das Zuschauerverhalten? „Wir spüren den Wunsch, unterhalten zu werden, in einer Zeit, in der die Nachrichten eher besorgniserregend sind“, sagt Steinkamp. Seine Theorie: Wer sich mit den Folgen des Klimawandels, dem Ukraine-Krieg, dem Nahost-Konflikt, den sich verändernden politischen Verhältnissen und einem insgesamt nach der Pandemie ins Wanken gekommenen Sicherheitsgefühl auseinander setzen muss, will am Abend im Theater nicht auch noch Probleme vor die Nase gesetzt bekommen.

Steinkamp macht das an mehreren Beobachtungen fest. Da wäre zum Beispiel das Berliner Ensemble, das erst kürzlich mit Schauspielgröße Matthias Brandt eine Adaption von Max Frischs „Mein Name sei Gantenbein“ auf die Wolfsburger Bühne brachte. „Ich hätte mir gewünscht, und erwartet, dass beide Vorstellungen schnell ausverkauft werden würden“, sagt der Intendant. Am Ende blieben an beiden Abenden Plätze leer.

Dafür war der Heinz-Erhardt-Abend, an dem ebenfalls bekannte Namen wie Dietmar Bär oder Annette Frier auf der Bühne standen, schon zu Beginn der Spielzeit ausverkauft. Als weitere Beispiele nennt er den eher mau verkauften Shakespeare-Abend mit Christian Friedel, oder Philipp Hochmairs Solo in Kafkas „Amerika“. Steinkamp: „Die, die da waren, waren begeistert. Aber ich hätte mir mehr gewünscht.“

Festakt zum Jubiläum des Scharoun-Theaters wurde

Schwach nachgefragt war auch der Festakt zum 50-jährigen Bestehen des Theaters im Oktober des vergangenen Jahres. Knapp ein Drittel der Plätze blieb an diesem Abend leer, schrieb unser Kritiker damals; trotz „hochkarätiger Musik und Bühnenkunst“. Und: „Die junge Generation ist nur spärlichst vertreten.“ Einige andere Veranstaltungen habe er wegen geringer Nachfrage vom Großen Haus auf die Hinterbühne verlegen müssen, sagt Steinkamp.

Vor allem die Konzerte waren schlechter besucht als vor der Pandemie. „Früher hatten wir 400 bis 450 Besucher an so einem Abend“, sagt der Intendant, „die letzten Konzerte, für die wir große Staatsorchester eingeladen hatten, landeten bei um die 320 Besuchern.“ Ein bitteres Ergebnis für eine Stadt, in der einst die Berliner Philharmonikern mit Herbert von Karajan zu Gast waren.

Diese Gedanken macht sich Wolfsburgs Intendant über die neue Theaterspielzeit

Rainer Steinkamp sagt, dass er sich durchaus Gedanken mache, wie man die Konzertsparte attraktiver gestalten könnte. Zum Beispiel mit thematischen Schwerpunkten und einem gestrafften Programm. „Warum nicht zu einem Vortrag von Smetanas ,Die Moldau‘ den Nabu einladen, und gemeinsame Sache machen?“, stellt er in den Raum. Puristen dürfte das weniger gefallen. Irgendwas aber müsse man machen, findet der Intendant.

Aber was bedeutet das: Führt die gesteigerte Lust auf Unterhaltung und die gesunkene Bereitschaft, sich mit schwierigen Themen auseinander zu setzen, zu einem neuen Spielplan voller Friede, Freude, Eierkuchen? „Die Pandemie und die Kriege haben etwas bei den Menschen verändert. Aber das ist auch eine Chance fürs Theater, die ernsten Themen anzusprechen. Vergessen wir nicht den sozialen Austausch und die Diskussion über einen Theaterabend: Das sind Qualitäten, die das Theater am Leben erhalten werden.“

Neues Theaterjahr soll in Wolfsburg viele Adaptionen beliebter Stoffe bringen

Also: Auch in der nächsten Spielzeit soll es inhaltlich Gehaltvolles zum Knabbern geben. Zu viel will der Intendant noch nicht verraten. Geplant sei ein Stück, das das Thema Krieg reflektiert, ein anderes greife einen Steuerskandal auf. Gleich mehrere Vorstellungen sollen Adaptionen von Romanstoffen sein. „Das Angebot an solchen Inszenierungen hat schon zugenommen“, gibt Steinkamp auf Nachfrage zu, ob solche Theaterstücke nicht ein Mitreiten auf der Popularitätswelle beliebter Filme oder Bücher darstellen.

Insgesamt versuche er, die Sparten des Theaters im Spielplan abzubilden, sagt Steinkamp über die neue Spielzeit, die er ein wenig wider Erwarten gestalten musste. Als er im vergangenen Jahr aus dem Ruhestand zurückkehrte, sollte kurzfristig eine neue Intendanz gefunden werden. Nun soll es im Laufe der ersten Jahreshälfte soweit sein. Zu spät für die Spielzeitplanung.

Die Operette kehrt auf den Wolfsburger Spielplan zurück

Die neue Spielzeit trägt nun also wieder die Handschrift von Rainer Steinkamp: Und mit ihm kehren auch die Operetten zurück. „Es gab den Wunsch, sie wieder zu bringen, und den werden wir erfüllen“, sagt der Intendant. Im klassischen Bereich will er neue, „niederschwelligere“ Formate ausprobieren, um neue Gruppen zu erreichen, wie Familien. Schließlich sei einer der großen Renner im Theater jedes Jahr das Weihnachtsmärchen.

Eins werde er den Eltern aber nicht bieten können, sagt Steinkamp. „Es gab den Wunsch nach einem Babysitterdienst“, erzählt der Intendant. So nach dem Motto: Kind im Theater abgeben, Stück angucken, Kind wieder abholen. „Aber das geht leider nicht, weil es so viele Vorschriften und Versicherungsfragen gibt.“

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