Braunschweig. Am 25. Mai 2003 gewann Mainz 4:1 bei der Eintracht, stieg aber doch nicht in die Bundesliga auf. Braunschweigs damaliger Coach Reinders erinnert sich.

Früher als Profi, sagt Uwe Reinders, sei er die 100 Meter in 11,5 Sekunden gesprintet. „Aber heute brauche ich 11,5 Sekunden für drei Meter“, lacht er. Der ehemalige Spieler, Spielertrainer und Trainer Eintracht Braunschweigs hatte sich vor wenigen Monaten einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen und ist nun mithilfe eines Rollators unterwegs. Seinen Humor hat der 68-Jährige nicht verloren. Und auch nicht seine emotionale Verbindung zur Eintracht. „Bei all meinen ehemaligen Vereinen schaue ich noch ganz genau hin“, sagt er.

In der Löwenstadt jährt sich am 25. Mai ein besonderes Spiel zum 20. Mal. Am 25. Mai 2003 kämpfte Mainz 05 im Zweitliga-Fernduell mit Eintracht Frankfurt um den Aufstieg ins Oberhaus. Da die Frankfurter in der Nachspielzeit der Nachspielzeit mit 6:3 gegen Reutlingen gewann, buchten sie auf den allerletzten Drücker noch Platz 3, der damals zum direkten Aufstieg genügte.

Mainz siegte mit 4:1 in Braunschweig und feierte nach Abpfiff beim bereits abgestiegenen Klub, da sich das Ergebnis aus Frankfurt noch nicht herumgesprochen hatte. Langsam erst sickerten die Nachricht und die bittere Erkenntnis durch: Nur ein einziges Tor mehr hätten sie für den Aufstieg erzielen müssen. Das klappte aber nicht.

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So fielen nach den 90 Minuten zahlreiche weinende Mainzer auf den Rasen des Eintracht-Stadions. Unter ihnen war einer, der später eine Weltkarriere hinlegte: Jürgen Klopp. „Uns fehlte ein Tor zum Aufstieg, in der Leichtathletik fehlt manchmal eine Hundertstelsekunde zum Sieg. Knappe Entscheidungen machen Sport interessant“, sagte Klopp damals dem Tagesspiegel.

Reinders’ erste Erinnerung an den heutigen Liverpool-Trainer geht noch an dessen Spielerkarriere zurück. „Klopp hat getreten wie ein Stier.“ Von 1990 bis 2001 spielte der baumlange Verteidiger 340 Mal Mainz, im Februar 2001 wurde er dann Trainer – im Alter von gerade einmal 34 Jahren. Knapp zwei Jahre später folgte das historische 4:1 in Braunschweig. „Klopp war damals noch nicht so populär wie heute“, sagt Reinders.

Andrej Voronin tröstet Sandro Schwarz.
Andrej Voronin tröstet Sandro Schwarz. © imago | imago

Auch die Verbindung zwischen den Trainerkollegen sei in den Jahren anders gewesen als heute, da sich die Kontrahenten „vor dem Spiel um den Hals fallen und küssen“. Klopp und Reinders hätten sich damals „die Hand gegeben und gegrüßt“. Nicht mehr und nicht weniger. War damals einfach so.

Was damals auch Reinders schon positiv aufgefallen war, sind Klopps Emotionalität und Authentizität. „Er war und ist immer noch glaubwürdig seinen Spielern gegenüber“, sagt der 68-Jährige. Einer von vielen Erfolgsfaktoren des Liverpool-Trainers, der später einmal ausschloss, als Trainer zur Eintracht zu kommen. „Absolut unsportliche Schadenfreude“ habe er damals vor 20 Jahren von den Rängen empfangen, als es knapp nicht zum Aufstieg langte. „Sollte ich nicht gerade am Hungertuch nagen, werde ich diesen Verein niemals trainieren“, sagte Klopp der „Bild am Sonntag“.

Uwe Reinders. 
Uwe Reinders.  © imago images/Rust | via www.imago-images.de

Mit Prognosen im Fußball muss man ja generell vorsichtig sein, aber das mit dem Hungertuch dürfte bei Klopp nicht mehr eintreten – und damit auch kein Eintracht-Engagement mehr.

Seine drei Stationen in Mainz, Dortmund und nun in Liverpool beschreibt auch Reinders als „absolute Erfolge“. In einer Zeit, in der Trainerkarrieren oft eine kürzere Halbwertzeit haben als das Schreiben des Wortes Halbwertzeit dauert, sticht Klopp mit Kontinuität hervor. „Er kann erfolgreiche Mannschaften bei Laune halten, ist ein Kumpeltyp“, sagt Reinders. „Was er da in Liverpool leistet, ist absolut super.“

Mit Mainz schaffte Klopp ein Jahr später den Aufstieg in die Bundesliga, er wurde zum Gesicht des Klubs, ging nach sieben Jahren als Trainer zu Borussia Dortmund, wo er ebenfalls sieben Jahre blieb. Beim FC Liverpool ist der heute 55-Jährigen bereits mehr als sieben Jahre angestellt. Sein Vertrag wurde kürzlich bis 2026 verlängert. Erfüllt er ihn, wird er elf Jahre in der Arbeiterstadt gewesen sein. Das war vor 20 Jahren noch nicht abzusehen, als Klopp in Braunschweig trauerte.