Harz. Nationalpark-Verwaltung erklärt, warum man die Verhaltensregeln beachten sollte – gerade zur Brut- und Setzzeit

Der Frühling ist die Zeit, in der die meisten heimischen Tiere ihren Nachwuchs zur Welt bringen. So beginnt im April für viele Vögel die Brutzeit. Bis in den Sommer sind sie mit dem Brutgeschäft und der Aufzucht ihrer Jungen beschäftigt. Auch viele Säugetiere bekommen im Frühjahr ihre Jungen. Unsere Wälder, Felder und Wiesen sind in dieser Zeit die reinsten Kinderstuben.

Zum Schutz der Wildtiere und besonders ihres Nachwuchses gilt deshalb während der Brut- und Setzzeit eine besondere Aufsichtspflicht über Hunde auf und an allen Grünflächen (wir berichteten): Sie müssen in der freien Landschaft angeleint sein und dürfen nicht unbeaufsichtigt herumlaufen. Warum das im Nationalpark das ganze Jahr über wichtig ist, und welche Regeln Spaziergängerinnen und Spaziergänger noch beachten müssen, erklärt die Nationalparkverwaltung in einer Pressemitteilung.

Mehr Gäste, mehr Verstöße

Die Brut- und Setzzeit dauert in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gesetzlich geregelt vom 1. April bis 15. Juli. Freilaufende Hunde könnten die Wildtiere beunruhigen und damit gefährden, so heißt es vom Nationalpark. Während der Brut- und Aufzuchtzeit des Nachwuchses seien Vögel und andere wildlebende Tierarten besonders störempfindlich. Im Nationalpark Harz gilt zum Schutz der Wildtiere daher das ganze Jahr über eine Leinenpflicht für Hunde.

Das ist aber nicht jedem bewusst: „Der Nationalpark erlebt seit einigen Jahren einen stark steigenden Besucherzustrom, was uns grundsätzlich freut, da dies auch Interesse, Zuspruch und Akzeptanz der Menschen für dieses Großschutzgebiet der höchsten internationalen Kategorie ausdrückt“, sagt Nationalpark-Pressesprecher Martin Baumgartner. „Mit dem hohen Besucheraufkommen gehen leider aber auch eine gestiegene Zahl von Regelverletzungen und Verstößen gegen die Naturschutzgesetze einher, was eine starke Belastung für die Tier- und Pflanzenwelt und die geschützten Lebensräume darstellt.“ Gerade für bodenbrütende Vögel seien freilaufende Hunde problematisch. Im Nationalparkgebiet betrifft das zum Beispiel die Waldschnepfe, Wiesenpieper oder Waldlaubsänger. Die Hunde stellen so neben den natürlichen Fressfeinden eine zusätzliche Gefahr dar. Dadurch verringerten sich die Überlebenschancen der Jungvögel noch stärker. Selbst falls die Hunde Eier oder Jungvögel nicht fressen, so scheuchten sie meist die brütenden Eltern auf, was zu einem Auskühlen der Eier und damit Brutverlust führen könne. Und bei bedrohten Vogelarten könne es auf jedes einzelnen Jungvogel ankommen.

Hunde vielleicht nicht abrufbar

„Hundebesitzer schätzen mitunter das Verhalten ihrer Hunde bei einer plötzlichen Begegnung mit einem Wildtier, etwa einem Reh oder Feldhasen, falsch ein und glauben, er werde gehorchen, wenn sie ihn rufen“, erläutert Baumgartner. „Aber dann kann der Jagdtrieb des Hundes doch stärker sein als sein Gehorsam und er verfolgt das Wildtier ins Unterholz. Um dies von vornherein zu verhindern, müssen Hunde im Nationalpark angeleint sein.“

Die Nationalparkwacht, also die Ranger, würden Besucher darauf ansprechen, wenn sie sie bei Handlungen wie etwa dem Verstoß gegen die Leinenpflicht oder dem Verlassen der ausgewiesenen Wanderwege anträfen, und sie beispielsweise auffordern, Hunde an die Leine zu nehmen. „In den meisten Fällen zeigen die Menschen sich einsichtig. Manche kennen diese Vorschriften nicht oder noch nicht“, sagt Baumgartner. „Einige reagieren aber auch störrisch und uneinsichtig, folgen der Aufforderung nur widerwillig.“

Doch nicht nur freilaufende Hunde stören die Wildtiere in ihrer Ruhe. Dasselbe gelte für Menschen, die die ausgewiesenen Wege verlassen. „Das ist vor allem im Winter und im Frühjahr sehr schädlich für die Tiere, kann sie unnötig schwächen und so letztendlich auch zu ihrem Tod führen“, erklärt Baumgartner. „Gerade in der kalten und nahrungsarmen Jahreszeit reduziert zum Beispiel das Rotwild seinen Stoffwechsel und ist in seinen Lebensräumen – genau wie andere Tierarten – auf Ruhe angewiesen, um seine Kraftreserven zu schonen. Das gleiche gilt im Frühjahr, in der Brut- und Setzzeit, wenn viele Tiere Nachwuchs haben.“

Vorsicht sei vor allem geboten, wenn es um vermeintlich von ihren Eltern verlassene Jungtiere gehe, etwa junge Rehe oder Hirschkälber, die augenscheinlich mutterseelenallein im Gras liegen. Setzzeit ist ein Begriff aus der Jägersprache und bezeichnet den Zeitraum, wenn das Wild seine Jungen bekommt – „setzt“ – und aufzieht. Rehkitze werden zwischen Anfang Mai und Ende Juni geboren und beim Rotwild setzen die Alttiere in der Regel im Juni ein Kalb. Das Hirschkalb werde in den ersten Lebenswochen von den Muttertieren abgelegt, so informiert der Nationalpark. Das heißt, dass das Kalb vom Alttier zurückgelassen und nur zum Säugen vom Alttier wieder aufgesucht werde. Das Ablegen könne über mehrere Stunden erfolgen. Dass abgelegte Kälber noch keinen Fluchtinstinkt zeigten, sondern sich vor drohender Gefahr auf den Boden drückten und auf ihre Tarnung verließen, sei das natürliche Verhalten. Deshalb sei es nicht verwunderlich, wenn man mal ein Hirschkalb oder Rehkitz findet, welches allein ohne Muttertier zu sein scheint.

Angefasst werden dürfe das Jungtier auf keinen Fall, damit keine menschliche Witterung an ihm hinterlassen werde. Es sei auch nicht erforderlich, dem Jungtier zu helfen. Stattdessen sollte zügig das Weite gesucht werden und der Bereich gemieden werden, damit das Alttier das Kalb wieder aufsuchen und mitnehmen kann.

37 besonders gefährdete Arten

Durch das Nationalparkgesetz sei es auch ausdrücklich verboten, „wildlebende Tiere an ihren Nist-, Brut-, Äsungs-, Wohn- oder Zufluchtsstätten durch Aufsuchen, Fotografieren, Filmen oder ähnliche Handlungen zu stören“. Verstöße können als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden.

Im Harzer Großschutzgebiet kommen 37 Tierarten vor, die besonders gefährdet sind. Bei einigen Arten wie Luchs, Wildkatze oder Schwarzstorch trägt der Nationalpark regional, bundesweit oder sogar auf europäischer Ebene besondere Verantwortung für ihren Schutz und Erhalt. „Zum Schutz der Wildtiere appellieren wir an alle Naturliebhaber und Besucher des Nationalparks, sich an diese Verhaltensregeln zu halten“, so der Nationalpark.

Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des Nationalparks Harz unterwww.nationalpark-harz.de/de/natur-erleben/verhalten-im-nationalpark/.

Für Vögel wie den Wiesenpieper sind freilaufende Hunde ein Problem.
Für Vögel wie den Wiesenpieper sind freilaufende Hunde ein Problem. © Nationalpark Harz | Dr. Gunter Karste