Wolfsburg. Das Landesarbeitsgericht stellt fest: Die fristlose Kündigung durch VW ist unwirksam. Vielleicht landet der Fall beim Bundesarbeitsgericht.

Die Sicherheitsbehörden haben einen schwerwiegenden Verdacht: Der Wolfsburger Salafist S. B. soll nicht nur in die Rekrutierung von Dschihadisten involviert gewesen sein, sondern wollte selbst in Syrien kämpfen. Sein Arbeitgeber Volkswagen hatte ihm fristlos gekündigt, da man befürchtet, er könnte einen Anschlag im Werk begehen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hannover verwarf gestern diese Kündigung.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte erst im Januar in einem Urteil festgestellt, es besteht der hinreichend schwerwiegende Verdacht, S. B. wollte sich in Syrien einer dschihadistischen Organisation anschließen – und will es weiterhin. Deshalb wurde ihm zurecht von der Stadt Wolfsburg der Reisepass entzogen.

Wolfsburger Salafist klagt gegen VW

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    Das LAG urteilte am Montag allerdings: Der Verdacht, der Kläger sei Dschihadist, weshalb ihm auch der Reisepass präventiv entzogen wurde, reicht als Kündigungsgründe nicht ohne weiteres aus. Dafür müssten vielmehr konkrete Störungen vorliegen oder zumindest ein dringender Verdacht, der Kläger könnte den Frieden oder die Sicherheit im VW-Werk stören.

    S. B. organisierte 2013/2014 in der Wolfsburger Fußgängerzone Islam-Infostände. Daran beteiligt waren zahlreiche Wolfsburger, die sich später in Syrien dem IS angeschlossen haben.

    Wegen mehrerer verdächtiger Reisen in den Nahen Osten wurde gegen ihn selbst ein Gefahrenermittlungsvorgang eingeleitet und er wurde zur Grenzfahndung ausgeschrieben. Bei dem Versuch, Ende 2014 in die Türkei auszureisen, wurde S. B. von der Bundespolizei gestoppt.

    Die Stadt Wolfsburg entzog ihm im Januar 2015 den Reisepass. Das Verwaltungsgericht Braunschweig bestätigte im September 2016 diese Maßnahme. Daraufhin kündigte ihm VW, nicht nur mit Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts. S. B. soll an seinem Arbeitsplatz Kollegen bedroht („Ihr werdet alle sterben“) und den IS verherrlicht haben. Seine Kollegen sollen ihn als „tickende Zeitbombe“ bezeichnet haben. VW befürchtet, S. B. könnte einen Anschlag, etwa auf eine Betriebsversammlung begehen.

    Der Anwalt des Klägers bezeichnete die Vorwürfe gegen seinen Mandanten als „absurde Konstruktion“. Die Kündigung sei erfolgt, da sein Mandant ein Rückenleiden und hohe Fehlzeiten habe. Und habe S. B. loswerden wollen, weil dieser ein strenggläubiger Muslim sei. Diesen Vorwurf stritten die VW-Anwälte energisch ab.

    Das LAG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. VW wartet die Urteilsbegründung ab und will dann entscheiden, ob Rechtsmittel einlegt werden.