Washington. Ein neues Enthüllungsbuch bringt den US-Präsidenten aus der Fassung. Er betrachtet sich als „sehr gefestigtes Genie“.

In seinem neuen Skandalbuch über Donald Trump stellt der Autor Michael Wolff fest, dass der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika in der Regel Ursache nicht von Wirkung zu unterscheiden vermag und im Amt orientierungslos wie ein Papierschiffchen auf dem tosenden Meer der Weltpolitik treibt.

48 Stunden nach Erscheinen von „Fire and Fury“ sehen Beobachter in Washington den Vorhalt des Journalisten, der sich über Monate scheinbar wie eine Biene auf Pollen- und Nektarsammlung ungehindert im Weißen Haus bewegen konnte, im Kern bestätigt. Mit seiner Brachial-Kritik an Wolff („totaler Versager“, „reine Fiktion“) und dessen Kronzeugen Steven Bannon (einst Trumps-Chefstratege, jetzt nur noch „Schmuddel-Steve“) habe der Präsident den Verkaufserfolg des Buches gesichert, das Trumps Premierenjahr als Endlosschleife hasserfüllter Intrigen verfeindeter, inkompetenter Lager beschreibt. Und er habe auch eine seit Amtsantritt schwelende Frage wieder auf die Tagesordnung gerückt, die an den Grundfesten seiner Präsidentschaft rüttelt: Ist Donald Trump psychisch mit dem höchsten Amt im Staate so überfordert, dass man ihn nach Artikel 25 der Verfassung aus dem Verkehr ziehen kann?

Wer die vielen Schlüsselloch-Anekdoten Wolffs über den unberechenbaren und extrem narzisstisch veranlagten Geschäftsmann hinter sich gebracht hat, deren Quellen mitunter diffus bleiben und laut Trumps Redenschreiber Stephen Miller „totaler Müll“ sind, sieht dem kommenden Freitag mit noch mehr Neugier entgegen. Dann muss sich der 71-jährige Trump im Militär-Krankenhaus Walter Reed nahe der Hauptstadt turnusmäßig einem umfangreichen Gesundheitscheck unterziehen. Die Ergebnisse sind veröffentlichungspflichtig. Nach einem selbst für Trumps Standards bemerkenswerten Twitter-Gewitter halten Kritiker es für dringend geboten, dass auch der geistig-seelische Zustand des 45. Commanders-in-Chief durchleuchtet wird.

Als Replik auf den roten Faden des Wolff-Buches, in dem Trump kurz gesagt als ungezogenes, launisches Kind gezeichnet wird, von dem eine große Gefahr für die ganze Welt ausgehe, entgegnete der Milliardär via Twitter, dass es sich bei ihm um nicht weniger als um ein „sehr gefestigtes Genie“ handele. „Meine beiden größten Qualitäten sind psychische Stabilität und wirklich schlau zu sein“, sagte Trump wörtlich. Anders sei sein Werdegang vom „sehr erfolgreichen Geschäftsmann“ und „Top-Fernsehstar“ zum Präsidenten „im ersten Anlauf“ nicht erklärbar. Trumps Selbstbezichtigung löste vereinzelt Schockstarre aus. Einer der ersten, der sich wieder fing, war der Krimi-König und Trump-Gegner Stephen King: „Wer sich selbst als Genie bezeichnet, ist keins.“

Das sieht Bandy Lee ähnlich. „Wir glauben, dass Trumps Twitterausbrüche Anzeichen eines Zusammenbrechens unter Stress sind“, erklärte die renommierte Psychiatrie-Professorin der Universität Yale und fügte hinzu: „Trump wird mit dem wachsenden Druck der Präsidentschaft immer unkontrollierbarer.“

Im Kapitol von Washington haben rund 60 meist demokratische Parlamentarier eine Gesetzesinitiative unterzeichnet, die Trumps Entfernung aus dem Amt fordert. Und zwar dann, wenn nach Artikel 25 der US-Verfassung Vizepräsident Mike Pence sowie die Mehrheit im Kabinett und im Kongress die Amtsunfähigkeit des New Yorkers feststellen sollte. Pence würde dann ins erste Glied rücken.

Dass es dazu kurzfristig kommen könnte, erscheint unwahrscheinlich. Auf dem Präsidentensitz Camp David legte Trump im Beisein seiner Top-Minister und der republikanischen Spitze lose die thematische Fahrroute für 2018 fest. Nach der auf dem Papier verabschiedeten Steuerreform soll ein großes Infrastruktur-Programm kommen. Preisschild? Unbekannt. Um sein Top-Versprechen – die Mauer zu Mexiko – einlösen zu können, hat Trump die Republikaner um einen 18 Milliarden-Dollar-Vorschuss gebeten. „Und das alles soll mit der Brechstange geschehen, obwohl wir hoffnungslos überschuldet sind“, schütteln für fiskalische Vernunft eintretende Republikaner hinter vorgehaltener Hand den Kopf.

Der Hintergrund ist mehr als eine Petitesse. Bis zum 20. Januar muss der Kongress neues Geld für den laufenden Betrieb freigeben. Andernfalls droht den USA wieder einmal der Stillstand.