Berlin. Das geplante Klimageld der Ampel lässt auf sich warten. Verbände kritisieren das und haben nun selbst die Initiative ergriffen.

Wie bei vielen Studierenden ist auch bei Jonas Schneider* das Geld dauerhaft knapp. Der 35-Jährige aus Hamburg arbeitet neben seinem Studium als Werkstudent – doch das, was er dabei verdient, reicht kaum aus. Deswegen bekommt Schneider Wohngeld. „In meinem Budget gibt es nicht viel Spielraum. Jede Preiserhöhung ist problematisch“, sagt der Student. Erst kürzlich wurden seine Nebenkosten erhöht, er sei glücklicherweise noch glimpflich davongekommen, erzählt er. Doch weitere Steigerungen bei Strom und Heizen sind absehbar – spätestens ab dem kommenden Jahr, wenn der C02-Preis weiter ansteigt.

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Um das abzufedern, sollte es eigentlich das Klimageld geben. Doch das von der Bundesregierung abgekündigte Projekt lässt weiter auf sich warten. Deswegen hat nun eine Gruppe von insgesamt 15 Verbänden selbst die Initiative ergriffen. Das Bündnis hat je 139 Euro an insgesamt 1000 Menschen verlost, die ein geringes Einkommen haben oder auf Sozialleistungen angewiesen sind. Schneider ist einer von ihnen. „Ich habe mich sehr gefreut, als ich ausgelost wurde“, erzählt er. Das Geld habe ihn in diesem Monat sehr geholfen. Auch wenn es nur eine Einmal-Zahlung war, sagt er: „139 Euro machen für ich schon einen Unterschied.“

Klimageld: Unklar, wann und ob es tatsächlich kommt

Die Idee hinter dem Klimageld ist einfach: Der Staat erhebt einen CO2-Preis auf klimarelevante Emissionen, also etwa auf Erdgas oder Benzin. Dieses Geld wird dann in Form des Klimageldes als Pro-Kopf-Zahlung an die Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt, um die durch den CO2-Preis steigenden Verbraucherkosten abzufedern. Wer klimafreundlicher lebt, profitiert am Ende auch stärker. Die Verbraucherzentralen hatten Ende vergangenen Jahres berechnet, dass das Klimageld auf Basis des aktuellen CO2-Preises bei 139 Euro pro Kopf liegen müsste. Tendenz steigend.

Eigentlich hatte sich die Ampel schon im Koalitionsvertrag vorgenommen, einen Ausgleich für die durch den CO₂-Preis angestiegenen Kosten zu schaffen. Man werde einen Kompensationsmechanismus entwickeln, der über die EEG-Umlage hinausgehe, steht darin. Doch umgesetzt wurde das bisher nicht. Aus dem Bundesfinanzministerium heißt es, man arbeite mit Hochdruck an einem Auszahlungsmechanismus, der Anfang 2025 zur Verfügung stehen soll.

Ob das Vorhaben bis dahin allerdings tatsächlich in die Realität umgesetzt wird, ist unklar. Mittlerweile ist nicht einmal mehr klar, ob es das Klimageld überhaupt noch in dieser Legislaturperiode geben wird. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat das Anfang des Jahres in einem Interview als „unwahrscheinlich“ bezeichnet.

Verbände-Bündnis will Zeichen an Bundesregierung senden

Auch Manuel Hermann Spiegl hat durch die Initiative der Verbände ein Klimageld bekommen. Der 43-Jährige ist alleinerziehender Vater von fünf Kindern. Trotz Vollzeitstelle sei das Geld immer knapp, erzählt Spiegl. Deswegen beziehe die Familie Wohngeld und Kinderzuschlag. „Die Bundesregierung tut definitiv viel zu wenig für Familien“, sagt er. Gerade deswegen wäre das Klimageld so wichtig. Die steigenden Kosten spüre er jeden Tag. Mittlerweile müsse er auch jedes Jahr Heizkosten nachzahlen – anders als früher, als er noch etwas zurückbekam. Das Klimageld der Verbände habe ihm hingegen sehr geholfen. „Von den 139 Euro konnte ich einen kompletten Wocheneinkauf finanzieren und gleichzeitig ist sogar noch etwas übriggeblieben, um den Kindern eine Kleinigkeit extra zu kaufen“, sagt Spiegl.

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Mit ihrer Klimageld-Aktion will das Verbände-Bündnis vor allem auch ein Zeichen an die Bundesregierung senden. „Das vereinbarte Klimageld muss jetzt vor allem an diejenigen ausgezahlt werden, die es wirklich brauchen, und darf nicht weiter in die Zukunft verschoben werden“, fordert die Gründerin und Geschäftsführerin von „Sanktionsfrei“, Helena Steinhaus. Der Verein, der Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger unterstützt, hatte den Startschuss für die Initiative gegeben. Neben „Sanktionsfrei“ haben sich unter anderem auch Fridays for Future, der Paritätische Gesamtverband und die Hilfsorganisation Oxfam an der Aktion beteiligt.

Experte: CO2-Preis belastet Menschen mit geringem Einkommen stärker

Gerade für Menschen aus einkommensschwachen Haushalten werde der fehlende Ausgleich zunehmend zur Belastung, kritisieren die Sozialverbände. „Das Problem ist, dass diejenigen, die am wenigsten haben, am stärksten unter den höheren Preisen leiden“, sagt Steinhaus. Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen seien, würden den größten Teil ihres zur Verfügung stehenden Geldes für ihre Lebenshaltungskosten ausgeben. „Das bedeutet, dass Preissteigerungen existenzbedrohend sind, da sie eh schon zu wenig haben“, so Steinhaus.

Diesen Aspekt betont auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Die Kosten von Klima- und Umweltschutz seien sehr ungleich verteilt, sagt der Ökonom: „Ein notwendiger Preis für klimaschädliche Emissionen (CO₂-Preis) belastet Menschen mit geringen Einkommen finanziell sehr viel stärker.“ Das Klimageld hingegen könne gerade diese Gruppen besonders entlasten.

Klimageld wichtiges Instrument für Akzeptanz von Klimaschutz-Maßnahmen

Hinzu kommt: Der CO₂-Preis, der aktuell bei 45 Euro pro Tonne liegt, soll in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Nach den aktuellen Plänen soll er sich bis 2026 in einem Korridor zwischen 55 und 65 Euro pro Tonne einpendeln. Anschließend soll er sich am freien Markt orientieren. „Wenn die Preise weiter in die Höhe steigen, ist das für viele Menschen kaum noch zu stemmen, solange es keinen Ausgleich gibt“, sagt Steinhaus.

Gleichzeitig würden teure Klimaschutzmaßnahmen ohne Ausgleich an Rückhalt in der Gesellschaft verlieren, warnen Experten. „Die geringe soziale Akzeptanz für Maßnahmen zum Schutz von Klima und Umwelt sind heute die größte Hürde für eine erfolgreiche ökologische Transformation der Wirtschaft“, sagt Ökonom Fratzscher. Das Klimageld sei daher ein wichtiges Instrument – vor allem auch deshalb, weil es Menschen direkt finanziell kompensiere und ihnen die freie Wahl lasse, wie sie das Geld verwenden.

Verbände fordern soziale Staffelung des Klimagelds

„Die Menschen, die unter den Preissteigerungen besonders leiden, fühlen sich im Stich gelassen. Sie bekommen das Gefühl vermittelt, dass Klimaschutz für sie gleich noch mehr Armut bedeutet“, sagt auch Steinhaus. Zumal Menschen mit einem geringen Einkommen meistens auch weniger CO₂-Emissionen hätten. Die Sozialverbände sprechen sich daher für eine soziale Staffelung des Klimageldes aus. Einen solchen Ansatz hält auch DIW-Präsident Fratzscher für sinnvoll. Er plädiert dafür, das Klimageld zielgenau und „auf die spezifischen Belastungen von verletzlichen Gruppen“ auszurichten.

Manuel-Hermann Spiegl sagt, er halte Klimaschutz grundsätzlich für sehr wichtig. „Ich bin mir aber sicher, dass die Bereitschaft zum Klimaschutz sinkt, wenn alles teurer wird“, erzählt er. Wenn es hingegen einen Ausgleich gebe, sei er gerne bereit, Mehrkosten zu tragen. „Würden die Pläne zum Klimageld tatsächlich mal umgesetzt, würde uns das auf jeden Fall sehr helfen“, sagt er. „Damit könnte man dann zum Beispiel Anschaffungen machen, die man sich sonst nicht leisten kann oder auf die man lange sparen müsste.“

Auch Student Schneider fühlt sich beim Klimageld im Stich gelassen. „Ich finde das enttäuschend, dass die Regierung das Klimageld erst angekündigt hat und dann aber nicht einführt“, sagt er. „Am Ende leiden darunter vor allem die Menschen, die sowieso schon weniger haben.“

*Name von der Redaktion geändert