Schanghai. Die Bundesregierung hofft, dass China seinen Einfluss nutzt, um die Weltlage zu stabilisieren. Doch Peking verfolgt eigene Interessen.

Die Weltgemeinschaft blickt mit Sorge auf die Eskalation der Spannungen zwischen dem Iran und Israel. International wird versucht, auf die beiden Konfliktparteien Einfluss zu nehmen, um einen Krieg zu verhindern. Die Blicke richten sich dabei etwa auf Chinas Staatschef Xi Jinping – der auch im Bemühen um einen Frieden in der Ukraine eine bedeutende Rolle spielen könnte.

Er habe „viele Fragen“ mit Xi zu besprechen, sagte Kanzler Olaf Scholz vor Studenten in Schanghai. Dazu zähle auch, „wie wir es schaffen, Frieden und Sicherheit zu gewährleisten“. Scholz ist auf China-Reise und am Dienstag bei Xi in Peking. Der Herrscher der asiatischen Großmacht empfängt nur selten westliche Politiker. Und das Gespräch mit ihm bietet Scholz die Chance, dem selbstbewussten Staatschef ins Gewissen zu reden.

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Eine Botschaft, die Scholz dann setzen dürfte: Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Der Kanzler ist der Ansicht, dass China angesichts seines großen und noch wachsenden politischen und wirtschaftlichen Einflusses einen Beitrag zur Stabilität der Welt leisten muss. Das gilt aus Sicht der Bundesregierung für den asiatischen Raum ebenso wie für den Nahen Osten und den Krieg in der Ukraine.

Für Scholz hat China eine herausgehobene Verantwortung

Im Kanzleramt wird beobachtet, dass die Führung in Peking mit dem wirtschaftlichen Aufstieg auch Ambitionen als geopolitischer Akteur entwickelt. Das wird in Berlin begrüßt, schließlich habe China als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates „eine herausgehobene Verantwortung für Frieden und Stabilität“ in der Welt. „Aber sie zu haben, ist etwas anderes, als sie auszuüben“, heißt es aus dem Beraterkreis des Kanzlers. In der Ukraine lässt China Russland gewähren, obwohl Peking durchaus Druck auf Staatschef Wladimir Putin ausüben könnte.

Kanzler Scholz kritisiert Iran: «Unvertretbarer Angriff auf Israel»

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    Bei den schiitischen Herrschern im Iran findet die Führung in Peking offenbar weniger Gehör, als gemeinhin angenommen. Der Einfluss Chinas ist in den vergangenen Jahren eigentlich gewachsen. Für das vom Westen geächtete und mit zahlreichen Sanktionen belegte Land ist China ein interessanter Partner, der keine Fragen stellt und zum Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen bereit ist. China kann durch Beziehungen zum Iran einen Gegenpol zu den USA setzen, die in der Region lange dominant waren.

    Aufhorchen ließ die vor gut einem Jahr von Peking vermittelte Aussöhnung zwischen den beiden Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien. Es war das erste Mal, dass im Nahen Osten ein bedeutendes Abkommen ohne Beteiligung des Westens zustande kam. China hinterlegte damit seine Visitenkarte als Akteur mit Ambitionen in der Region. Dahinter erkannte die Konrad-Adenauer-Stiftung (Kas) das strategische Kalkül Pekings, mäßigend auf das Mullah-Regime in Teheran einzuwirken.

    Angriffe der Huthi-Milizen im Roten Meer stören auch Peking

    „China will definitiv keinen atomwaffenfähigen Iran, der möglicherweise einen israelischen Militärschlag provozieren und die für China wichtigen stabilen Verhältnisse am Golf gefährden könnte“, heißt es in einer Kas-Analyse aus dem Juli des vergangenen Jahres. Auch die USA und die Bundesregierung hofften vor wenigen Tagen noch, dass Peking der Führung in Teheran Einhalt gebieten kann. Kurz vor dem iranischen Angriff auf Israel wandten sich die Regierungen in Washington und Berlin mit der Bitte an Peking, die Machthaber im Iran von der Attacke abzuhalten.

    Xi Jinping und Wladimir Putin sehen sich als Freunde. China unterstützt Russland indirekt im Krieg gegen die Ukraine.
    Xi Jinping und Wladimir Putin sehen sich als Freunde. China unterstützt Russland indirekt im Krieg gegen die Ukraine. © AFP | Pavel Byrkin

    Dass die Mullahs Israel dennoch attackierten, ist ein Indiz dafür, dass der Einfluss Pekings auf den Iran kleiner ist als gedacht. Anzeichen dafür hatte es schon vorher gegeben: Der Exportnation China ist es ein Dorn im Auge, dass die vom Iran gelenkten Huthi-Milizen im Jemen Handelsschiffe im Roten Meer terrorisieren und damit die Lieferung chinesischer Güter in den Rest der Welt stören. Das ließ China den Iran zu Jahresbeginn deutlich wissen. Ohne erkennbare Folgen.

    Als größer wird in der Bundesregierung der Einfluss eingeschätzt, den China auf Putin ausüben kann – wenn es denn wollte. Xi ist Putins wichtigster Verbündeter. China nimmt Russland nicht nur Güter ab, die früher nach Europa gingen, und ist so Nutznießer des Krieges. Die Regierung in Peking steht auch in der Kritik, weil sie Putin weiterhin mit Produkten versorgt, die Russland zur Waffenproduktion einsetzen kann. Nach US-Informationen lieferte China 2023 etwa 90 Prozent der russischen Mikroelektronik-Einfuhren, die zur Herstellung von Raketen, Panzern und Flugzeugen verwendet werden.

    Putin in den Rücken fallen? Darauf setzt Scholz bei Xi Jinping

    Die westlichen Sanktionen laufen so ins Leere. Putin kann seinen Krieg unvermindert fortsetzen. Scholz will das bei seinem Gespräch mit Xi kritisieren. Niemand dürfe mithelfen, dass Russlands Eroberungskrieg Erfolg habe. Das gelte auch für die Lieferung von Produkten, die für zivile Zwecke eingesetzt werden können, „aber in Wahrheit für militärische genutzt werden“, so Scholz.

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    Sein zweites Anliegen: China soll die diplomatischen Bemühungen um einen Frieden in der Ukraine aktiv unterstützen. Je mehr Russland verbundene Länder wie China, Südafrika oder Indien auf Putin einwirken und eine für den Sommer in der Schweiz geplante Friedenskonferenz unterstützen, desto größer ist die Aussicht auf Fortschritte, so die Hoffnung des Kanzlers.

    Doch wieso sollte Xi jetzt einen Kurswechsel vornehmen, wenn er Putin bislang nicht in den Rücken gefallen ist? Das Kanzleramt setzt darauf, dass China einen Ansehensverlust in Europa wegen seiner Treue zu Putin vermeiden will. Zudem sei es im Interesse Pekings, globale Folgen des Krieges in Europa zu verhindern, um seinen wirtschaftlichen Aufschwung nicht zu gefährden. Bisher macht Xi jedoch nicht den Eindruck, dass er diese Konsequenzen fürchtet.