Berlin. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist tot. Nachfolger Papst Franziskus fehlt die Kraft für eine Wende in der Kirche – oder der Wille?

Als Benedikt XVI. vor knapp zehn Jahren spektakulär sein Amt als Papst niederlegte und sich ins Kloster hinter den Mauern des Vatikans zurückzog, hofften viele Katholiken, gerade auch in Deutschland, auf die Chance für einen Neuanfang in der Amtskirche. Benedikt galt als Bewahrer, der in seinen acht Jahren als Pontifex der Kirche kaum neue Impulse verliehen hatte. Heute, da Benedikts Nachfolger Franziskus seit knapp einem Jahrzehnt als Papst amtiert, muss man bilanzieren: Aus dem erhofften „Neustart“ ist nichts geworden, stattdessen steckt die katholische Kirche tiefer in der Krise denn je. Von Franziskus als Hoffnungsträger ist nicht viel geblieben.

So volksnah und bescheiden Franziskus angetreten war, so unbeweglich und abweisend zeigte er sich gegenüber fast allen Vorschlägen für Reformen. Die Möglichkeit der Ehe für Priester, eine stärkere Rolle von Frauen in der Kirche, die Abkehr von der verknöcherten Sexualmoral – in all diesen Punkten, die viele Katholiken bewegen, gibt es auch unter dem Papst Franziskus keine oder kaum Bewegung im Vatikan.

Benedikt XVI.: Im Dienste Gottes – sein Leben in Bildern

Ein Klassenfoto der dritten Klasse der Volksschule von Aschau am Inn, in der auch der heutige Papst Benedikt XVI. unterrichtet wurde (Foto aus dem Jahr 1935). Der damals achtjährige Joseph Ratzinger steht oben in der Mitte des Bildes.
Ein Klassenfoto der dritten Klasse der Volksschule von Aschau am Inn, in der auch der heutige Papst Benedikt XVI. unterrichtet wurde (Foto aus dem Jahr 1935). Der damals achtjährige Joseph Ratzinger steht oben in der Mitte des Bildes. © picture-alliance/dpa
Kardinal Michael Faulhaber (oben) legt am 29.06.1951 Joseph Ratzinger im Freisinger Mariendom die Hände auf. Der spätere Papst Benedikt XVI. wurde an jenem Tag gemeinsam mit seinem älteren Bruder Georg zum Priester geweiht.
Kardinal Michael Faulhaber (oben) legt am 29.06.1951 Joseph Ratzinger im Freisinger Mariendom die Hände auf. Der spätere Papst Benedikt XVI. wurde an jenem Tag gemeinsam mit seinem älteren Bruder Georg zum Priester geweiht. © picture alliance/dpa
Der damalige Priester Joseph Ratzinger hält 1952 eine Bergmesse in Ruhpolding.
Der damalige Priester Joseph Ratzinger hält 1952 eine Bergmesse in Ruhpolding. © Privat/dpa
Die Karriere des jungen Theologen Ratzinger beginnt auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) als Berater von Kardinal Joseph Frings. Von 1966-77 war Joseph Ratzinger Theologie-Professor in Tübingen.
Die Karriere des jungen Theologen Ratzinger beginnt auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) als Berater von Kardinal Joseph Frings. Von 1966-77 war Joseph Ratzinger Theologie-Professor in Tübingen. © picture alliance / dpa
Joseph Ratzinger, neuer Erzbischof von München und Freising, trägt während der Fronleichnamsprozession am 09.06.1977 in der Münchner Innenstadt die Monstranz.
Joseph Ratzinger, neuer Erzbischof von München und Freising, trägt während der Fronleichnamsprozession am 09.06.1977 in der Münchner Innenstadt die Monstranz. © Hartmut Reeh/dpa/picture alliance
In seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising trägt Ratzinger in einem Missbrauchsfall der Kirche eine folgenschwere Entscheidung mit. Ein vorbelasteter katholischer Priester wurde 1980 nach Bayern versetzt und wieder in eine Gemeinde geschickt. Dort verging er sich erneut an Jugendlichen, 1986 wurde er verurteilt. Ratzinger hat dem Umzug des Mannes von Essen nach München zugestimmt, jedoch nicht dem Einsatz in einer Gemeinde.
In seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising trägt Ratzinger in einem Missbrauchsfall der Kirche eine folgenschwere Entscheidung mit. Ein vorbelasteter katholischer Priester wurde 1980 nach Bayern versetzt und wieder in eine Gemeinde geschickt. Dort verging er sich erneut an Jugendlichen, 1986 wurde er verurteilt. Ratzinger hat dem Umzug des Mannes von Essen nach München zugestimmt, jedoch nicht dem Einsatz in einer Gemeinde. © AP Photo/Dieter Endlicher
Der frisch eingeweihte Papst Johannes Paul II. legt seinem Kardinal Joseph Ratzinger am 22. Oktober 1978 die Hand auf. Die Kardinäle schwörten dem neuen Kirchenoberhaupt an diesem Tag ihren Gehorsam.
Der frisch eingeweihte Papst Johannes Paul II. legt seinem Kardinal Joseph Ratzinger am 22. Oktober 1978 die Hand auf. Die Kardinäle schwörten dem neuen Kirchenoberhaupt an diesem Tag ihren Gehorsam. © picture alliance / AP
Kardinal Joseph Ratzinger in seiner Unterkunft im Vatikan, im November 1985. Unter Papst Johannes Paul II. steigt er in Rom in höchste kirchliche Ämter auf.
Kardinal Joseph Ratzinger in seiner Unterkunft im Vatikan, im November 1985. Unter Papst Johannes Paul II. steigt er in Rom in höchste kirchliche Ämter auf. © Gianni GIANSANTI/Gamma-Rapho via Getty Images
Papst Johannes Paul II. unterzeichnet neues Kirchenrecht im Vatikan, am 25. Januar 1985. Es wird verfügen, dass Abtreibungen  sofort mit Exkommunikation bestraft wird. Neben ihm stehen Kardinal Ratzinger und sein Kollege, der venezolanische Erzbischof Jose Castillo Lara.
Papst Johannes Paul II. unterzeichnet neues Kirchenrecht im Vatikan, am 25. Januar 1985. Es wird verfügen, dass Abtreibungen sofort mit Exkommunikation bestraft wird. Neben ihm stehen Kardinal Ratzinger und sein Kollege, der venezolanische Erzbischof Jose Castillo Lara. © Bettmann/Getty Images
Der Kardinal in seinem Arbeitzimmer: Der Theologe Ratzinger hat unzählige Bücher über den Glauben verfasst, seine Werke gehören zur Standardliteratur in Priesterseminaren.
Der Kardinal in seinem Arbeitzimmer: Der Theologe Ratzinger hat unzählige Bücher über den Glauben verfasst, seine Werke gehören zur Standardliteratur in Priesterseminaren. © Gianni GIANSANTI/Gamma-Rapho via Getty Images
Es ist der Höhepunkt seines Lebens: Am 19. April 2005 wird aus dem Kardinal Joseph Ratzinger der neue Papst Benedikt XVI.
Es ist der Höhepunkt seines Lebens: Am 19. April 2005 wird aus dem Kardinal Joseph Ratzinger der neue Papst Benedikt XVI. © Eric VANDEVILLE/Gamma-Rapho via Getty Images
Acht Jahre lang steht er an der Spitze der römisch-katholischen Kirche. Ein Menschenfischer war er nie, eher ein Professor-Papst, der ein enormes theologisches Schriftwerk hinterlässt. Das Bild zeigt ihn im Juli 2007, dem Jahr seines 90. Geburtstags.
Acht Jahre lang steht er an der Spitze der römisch-katholischen Kirche. Ein Menschenfischer war er nie, eher ein Professor-Papst, der ein enormes theologisches Schriftwerk hinterlässt. Das Bild zeigt ihn im Juli 2007, dem Jahr seines 90. Geburtstags. © picture alliance / Stefano Spaziani
Mit nur einem Satz reformierte Benedikt XVI. das Papstum. Er erklärt am 11. Februar 2013
Mit nur einem Satz reformierte Benedikt XVI. das Papstum. Er erklärt am 11. Februar 2013 "mit voller Freiheit auf das Amt des Bischofs von Rom, Nachfolger Petri zu verzichten" und geht damit als der erste Papst, der von seinem Amt zurücktritt, in die Geschichte ein. © picture alliance / ROPI
Sein Nachfolger wurde der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, der den Namen Franziskus annahm. Seit Jahrhunderten ist das Kirchenoberhaupt damit erstmals wieder Mensch von außerhalb Europas.
Sein Nachfolger wurde der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, der den Namen Franziskus annahm. Seit Jahrhunderten ist das Kirchenoberhaupt damit erstmals wieder Mensch von außerhalb Europas. © Vatican Media/dpa
Mehrere Jahre lebte der emeritierte Papst noch im Vatikan, größtenteils zurückgezogen. Am 31. Dezember 2022 starb  Benedikt XVI. im Alter von 95 Jahren.
Mehrere Jahre lebte der emeritierte Papst noch im Vatikan, größtenteils zurückgezogen. Am 31. Dezember 2022 starb Benedikt XVI. im Alter von 95 Jahren. © Sven Hoppe/dpa | Sven Hoppe/dpa
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Papst Benedikt XVI. löste große Euphorie in Deutschland aus

Den deutschen Bischöfen, die mit ihrem Synodalen Weg eine neue Richtung einschlagen wollen, beschied Franziskus knapp, Deutschland brauche „keine weitere evangelische Kirche“. Man solle sich doch lieber um das Befinden der Gläubigen kümmern, als kirchenpolitische Diskussionen zu führen. Eine Brüskierung für die Bischofskonferenz.


Walter Bau über den Tod von Papst Benedikt und die Entwicklung der Kirche.
Walter Bau über den Tod von Papst Benedikt und die Entwicklung der Kirche. © Krauthoefer | Krauthoefer

Die Folgen der reformkritischen Haltung im Vatikan sind offensichtlich. Immer mehr Gläubige wenden sich enttäuscht und frustriert von der Kirche ab; eine Entwicklung, die übrigens die evangelische Kirche in gleichem Maße verzeichnet. Die Zahl der Menschen, die bei der Kirche Halt, Trost und vor allem Orientierung finden, sinkt rapide. Glaube und Religion werden mehr und mehr aus dem Alltag der Gesellschaft verdrängt. In der deutschen Bevölkerung sind Katholiken und Protestanten inzwischen in der Minderheit.

Die Euphorie hierzulande war groß, als Josef Ratzinger 2005 als erster Deutscher nach einem halben Jahrtausend ins Papstamt gewählt wurde. Es formierte sich die „Generation Benedikt“. Als der Papst wenige Monate nach seinem Amtsantritt zum Weltjugendtag nach Köln anreiste, schallten ihm die begeisterten „Be-ne-det-to“-Sprechchöre Tausender Jugendlicher entgegen. Doch dieser Schwung war schnell dahin.

Heute deutet nichts darauf hin, dass Benedikt-Nachfolger Franziskus noch einmal die Kraft für einen Kurswechsel aufbringt – sofern er einen solchen überhaupt will. Der Pontifex ist inzwischen 86 Jahre alt. Öffentliche Auftritte, wie zuletzt bei der Christmette an Heiligabend im Petersdom, absolviert er wegen eines hartnäckigen Knieleidens meist im Rollstuhl. Insgesamt wirkt er immer öfter müde und angeschlagen. Wie schon bei Johannes Paul II. und auch bei Benedikt XVI. stellt sich inzwischen die Frage, wie sehr der Papst noch Chef ist im Vatikan ist.

Scholz würdigt Benedikt XVI. als prägende Figur

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    Inzwischen scheint es sogar nicht mehr ausgeschlossen, dass Franziskus nach dem Vorbild Benedikts zurücktritt. Für den Fall, das Papst-Amt nicht mehr ausüben zu können, habe er bereits eine Verzichtserklärung unterzeichnet, sagte Franziskus kürzlich in einem Interview. Und angesprochen auf einen möglichen Rücktritt erklärte er: „Die Tür steht offen. Das ist eine ganz normale Option.“ Für viele reformorientierte Katholiken bleibt da nur die vage Aussicht auf einen neuen Hoffnungsträger im Vatikan.

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