Lübeck. Die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz haben die erste Regionalkonferenz absolviert. Nur einer offenbarte dabei spürbare Nervosität.

Die ersten stehen schon zwei Stunden vorher vor dem Eingang der Kulturwerft in Lübeck. Rund 800 CDU-Mitglieder aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg und rund 200 Journalisten sind gekommen, um die erste Regionalkonferenz zu erleben.

Es geht um den Dreikampf in der CDU. Wer wird Angela Merkel als Parteichefin beerben: Annegret Kramp-Karrenbauer (56), Friedrich Merz (63) – oder doch Jens Spahn (38)?

„Endlich dürfen wir mal mitreden“ freut sich ein älterer Herr aus Lübeck. Sein Herz schlage für Friedrich Merz, „ein Mann von Welt, ein Mann der Wirtschaft“. Seine Frau, seit dreißig Jahren in der Partei sieht das ganz anders: „Also, ich finde die Kramp-Karrenbauer toll. Die hat Mumm.“

CDU-Basis freut sich über Aufbruchstimmung

Sie alle wollen die Bewerber für den Posten sehen, der am 7. Dezember von den 1001 Delegierten des Parteitags in Hamburg neu besetzt wird. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther begrüßt die Mitglieder, freut sich über die „Aufbruchstimmung in der Partei“.

Spahn, Kramp-Karrenbauer und Merz auf Bewerbungstour bei der Frauen Union

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    Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer wird mit viel Beifall begrüßt, bei Ex-Unionsfraktionschef Merz gibt es sogar ein paar Jubelschreie, auch Gesundheitsminister Jens Spahn wird freudig empfangen. „Wir brauchen Euch am Ende alle drei in verantwortungsvollen Posten“, gibt Günther den Kandidaten noch mit.

    Lübeck ist die erste von acht Regionalkonferenzen, auf der sich das Trio der Basis präsentiert. Die letzte findet am 30. November in Berlin statt. Geladen sind jeweils nur CDU-Mitglieder.

    Die Regeln sind immer gleich: Zunächst werden die drei den Mitgliedern ihre Konzepte für die Führung der Partei darlegen – dafür haben sie jeweils zehn Minuten Zeit. Danach sind Fragen möglich. Die Reihenfolge wird jeweils ausgelost.

    „AKK“ geht vorsichtig auf Distanz zu Merkel

    Annegret Kramp-Karrenbauer.
    Annegret Kramp-Karrenbauer. © dpa | Carsten Rehder

    In Lübeck beginnt Annegret Kramp-Karrenbauer: „Diese Partei lebt und will zu neuer Stärke kommen“, sagt sie und wird konkret: „Seit 2015 haben viele Menschen Zweifel, ob wir noch die Partei der Sicherheit sind“, betont sie mit Blick auf die Flüchtlingskrise, die die Union noch immer umtreibt. Nach dem Parteitag will sie einen Flüchtlingsgipfel der Partei einberufen, um de Kurs der CDU in der Frage „ein für alle mal zu klären“.

    Auch „AKK“, wie sie in Berlin genannt wird, ging fest davon aus, dass die Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Dezember beim Bundesparteitag noch ein letztes Mal als Parteichefin zur Wahl antreten würde. Kramp-Karrenbauer bereitete sich darauf vor, 2020 um den Parteivorsitz und die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl 20121 zu kämpfen. Doch es kam anders: Merkel verzichtete nach der Landtagswahl in Hessen überraschend auf einen Wiederantritt.

    Kramp-Karrenbauer war im Februar 2018 als Generalsekretärin nach Berlin gekommen, verließ dafür das Saarland, in dem sie ihre Macht als Regierungschefin 2017 erfolgreich verteidigt hatte. Die Partei dankte es ihr. Sie wurde mit 98,87 Prozent der Stimmen zur CDU-Generalsekretärin gewählt, das beste Ergebnis, das es für diesen Posten jemals gegeben hatte. „Ich kann, ich will und ich werde“, sagte sie damals nach der Wahl.

    „Es darf nicht wieder passieren, dass etwas in der Regierung verabschiedet wird und die Partei muss es abnicken“, ruft sie jetzt unter lautem Beifall in die Halle – und distanziert sich damit klar von der Zeit, in der Merkel die Partei vor allem vom Kanzleramt aus führte. Und schließt mit dem Satz, dass sie Wahlkämpfe führen und gewinnen könne, aber „es wird einen Tag eins nach dem Parteitag geben und der politische Gegner sitzt immer in den anderen nie in den eigenen Reihen.“ Sie will einen, der Saal dankt es ihr mit lautem Beifall.

    Friedrich Merz bekommt nicht nur Beifall

    Friedrich Merz.
    Friedrich Merz. © dpa | Carsten Rehder

    Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz kann bei seiner überraschenden Bewerbung nicht auf das Establishment der Partei zurückgreifen. Er arbeitete seit 2005 als Anwalt bei der Düsseldorfer Kanzlei Mayer Brown. Seit Frühjahr 2016 führt er zudem den Aufsichtsrat der Deutschland-Tochter des US-Investmentriesen Blackrock.

    „Es macht richtig Spaß, wieder dabei zu sein“, sagt er, der 2009 aus dem Bundestag ausgeschieden ist. Die Parteimitglieder in Lübeck danken ihm sein Comeback mit langem Beifall. Nur als er sagt, ihm habe in den vergangenen Jahren einiges gefehlt, schlägt ihm ein leises Murren entgegen.

    Dass er das letzte Jahrzehnt in der Wirtschaft verbracht hat und nicht an politischen Entscheidungen beteiligt war, das ist ein Problem auf dem Weg zum CDU-Vorsitz. Dann beschreibt er, wie er die CDU wieder zur Volkspartei führen will, die alle Flügel abdeckt. Viel Beifall bekommt er, als er den Umgang von CSU-Chef Horst Seehofer mit Merkel beim CSU-Parteitag 2015, als er sie auf offener Bühne wegen ihrer Flüchtlingspolitik abkanzelte. Dass ein Kanzler der CDU in München stramm stehen gelassen wird sei nicht akzeptabel, erklärt er unter lautem Applaus.

    „Millionär Merz“ gerät ins Schlingern

    Merz, inzwischen neu auf Twitter unterwegs, betont in einer fast präsidialen Rede, er wolle den durchsetzungsfähigen Rechtsstaat wiederherstellen, die Zustände bei der Bundeswehr verbessern. Seine Wirtschaftskompetenz mit Blick auf den Brexit und das schwächelnden Wirtschaftswachstum spielt er aus, mahnt Reformen an. Und fügt zum Schluss hinzu: „Ich traue mir zu, die AfD wieder zu halbieren. Ich bin fest entschlossen, das zu schaffen.“

    Der Applaus für ihn und seine Rhetorik ist lang und kräftig, sein überraschendes Comeback kommt glänzend an. Der 63-Jährige steht in der Partei sowohl für einen Neuanfang wie auch für die Rückkehr zu einem deutlich konservativeren, wirtschaftsliberalen Profil als zuletzt unter Merkel.

    Ins Schlingern gerät Merz derzeit nur bei der Frage nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen. In einem Interview hatte er auf die Frage, ob er zur reichen Oberschicht hierzulande zähle, geantwortet: „Also, ich würde mich zu der gehobenen Mittelschicht zählen“ - was ihm in den sozialen Medien eine Menge Spott einbrachte, da er nach Informationen des „Spiegel“ zwei Privatflugzeuge besitzt und in seinem Job als Anwalt und in diversen Aufsichtsräten viel Geld verdient hat.

    Jens Spahn wirkt merklich nervös

    Jens Spahn.
    Jens Spahn. © dpa | Carsten Rehder

    Wer gedacht hatte, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn würde im Rennen um die Merkel-Nachfolge vorzeitig aufgeben, der sieht sich mehr als getäuscht. Nach dem ersten Schrecken, dass durch die Merz-Kandidatur ein zweiter Bewerber um die konservative Seele der Partei buhlt, zeigt Spahn sich kampfeslustig und unerschrocken.

    Nach einer Bewerbung mit einem Facebook-Video schreckt er nun auch vor inhaltlichen Angriffen auf die Mitbewerber nicht zurück. „Ich stimme zu, was Friedrich Merz zum Parteitag 2015 gesagt hat“, erklärt Spahn in der Kulturwerft. „Ich wünschte, wir hätten sie damals schon an Bord gehabt“ und legt damit die Finger in die Wunde des zumindest zeitweisen Politik-Abstinenzlers Friedrich Merz,.

    Aufbruch, das ist das Credo des 38-Jährigen, der bei seiner Antrittsrede hörbar nervös ist. Ausgerechnet beim Wort „Konservativismus“ gerät er mächtig ins Stottern.

    Für Spahn steht weniger auf dem Spiel

    Trotzdem: Der Gesundheitsminister hat den Vorteil, dass für ihn weniger auf dem Spiel steht als für die anderen beiden: Er ist jung, sollte es diesmal nicht klappen, dann hat er weiter Jahre in der Politik vor sich. Merz würde nicht noch einmal ein Comeback wagen, „AKK“ will nicht ins Adenauer-Haus zurückkehren, hat ihre politische Karriere somit in die Waagschale geworfen.

    Spahn betont, dass er in den vergangenen Jahren immer wieder den Konflikt mit der Parteiführung gesucht hat, wenn es um seine Positionen gehe. Er sei in ständigem Kontakt mit der Parteibasis, die Wähler wüssten, für was er stehe. Und er macht den Hauptgegner der CDU aus: „Wir haben zugelassen, dass die AfD in 16 Landesparlamenten ist. Aber wir sind auch die, die sie wieder wegbekommen können.“ Die Basis dankt es ihm, das Erstarken der AfD treibt die Mitglieder um.

    Am Ende wird Spahn, der mit einem Mann verheiratet ist, sehr persönlich. Seine Mutter habe ihn am vergangenen Wochenende gefragt, warum er sich das alles antue. Er habe „meiner Mama“ geantwortet, dass die „entspannte Gelassenheit“, die Toleranz in Deutschland unter Druck von rechts und links geraten sei. „Und für die will ich kämpfen.“

    Fazit der Veranstaltung: Merz bedient die Sehnsucht in der Partei, Kram-Karrenbauer versöhnt die Flügel und Spahn sorgt für frischen Wind. Wer sich am 7. Dezember durchsetzt? Offen.