Rotterdam. Niederlande: Die Juristin Inez Weski soll mit einem gefürchteten Drogenboss gemeinsame Sache gemacht haben. Nun wurde sie verhaftet.

Wenn in einer Talkshow in den Niederlanden eine Rechtsexpertin gefragt ist, dann sitzt da meistens Inez Weski. Die 68-Jährige ist ebenso klug wie sendungsbewusst. Sie gilt als Mahnerin, die sich auch in Bestsellern wie „Die Jagd nach dem Recht“ (2014) dem Schutz des Rechtsstaates verschrieben hat. 2011 zeichnete die politische Jugendorganisation JOVD sie für ihren „unermüdlichen Kampf gegen den Verfall der Rechtsstaatlichkeit“ aus.

Ausgerechnet Weski führt den Rechtsstaat nun in eine neue Krise: Am Wochenende wurde die Juristin in Rotterdam verhaftet. Der Vorwurf: Weski soll mit der Mafia gemeinsame Sache gemacht und den Austausch brisanter Informationen ermöglicht haben. Ermittler hätten entsprechende Nachrichten bei Sky ECC entschlüsselt, dem beschlagnahmten Messenger-Dienst, dem die Kriminellen vertrauten. Weski bestreitet die Anschuldigung.

Anwältin Weski vertritt die kriminellen Schwergewichte

Ihr Haus und Büro wurden durchsucht, ihre Gerichtstermine für diese Woche abgesagt. Maximal 14 Tage kann Weski inhaftiert bleiben. Die Beliebtheit der Anwältin, die sich mit ihren dramatisch geschminkten Augen auch optisch zur Marke machte, steht im Gegensatz zu ihren Mandanten. Lesen Sie auch: Prinzessin Amalia im Visier der Mafia

Denn Weski ist keine Menschenrechtlerin oder Anwältin der Unterdrückten. Ihre Mandanten sind Männer, die niemand als Nachbar möchte: der Waffenhändler und Rembrandt-Dieb Guus Kouwenhoven, der in den 1990er-Jahren das Regime in Liberia für seine Kriegsverbrechen ausrüstete. Der frühere Präsidenten der ehemaligen Kolonie Suriname, Desi Bouterse, der in Drogengeschäfte verwickelt war.

Inez Weski: Ihr Mandant ist eine „Tötungsmaschine“

Aktuell vertritt sie den Staatsfeind Nummer eins, Ridouan Taghi, in dem wohl spektakulärsten Mordprozess der niederländischen Nachkriegsgeschichte, dem sogenannten Marengo-Prozess. Der Boss der Mocro-Bande habe seine kriminelle Vereinigung „wie eine gut geölte Tötungsmaschine“ geführt, so die Anklage.

Er soll an sechs Morden beteiligt gewesen sein, viele mehr in Auftrag gegeben haben. Als ihn jemand auf einem Kryptohandy fragt, wie es ihm nach einem Mord gehe, antwortet er: „Hab meine Nikes an und bin auf der Jagd. Hahaha bin schon betrunken Bruder und brauche Blut Blut nichts anderes.“ Im Dezember 2019 wurde der gebürtige Marokkaner, Codename „Todesengel“, in einer Villa in Dubai festgenommen.

Weski übernahm die Verteidigung, wollte hinwerfen, weil sie glaubte, ihr Mandant würde keinen fairen Prozess bekommen, machte dann doch weiter. Der bekannte Kriminalreporter Peter R. de Vries berichtete. Im Juli 2021 wurde er in Amsterdam auf der Straße niedergeschossen und tödlich verletzt – offenbar von Auftragskillern. Kaum jemand hat Zweifel, dass es Taghi gelingt, aus dem Hochsicherheitstrakt des bestbewachten Gefängnisses des Landes in Vught seine düsteren Geschäfte weiterzuführen. Viele fühlen sich von ihm bedroht und eingeschüchtert.

Mandant bedrohte angeblich auch Kronprinzessin

Offenbar auch die niederländische Kronprinzessin Amalia. Sie wollte im vergangenen Herbst in Amsterdam ein Studium beginnen, hatte sich in eine Wohngemeinschaft eingemietet. Doch nach massiven Bedrohungen orderten ihre Eltern, König Willem-Alexander und Königin Máxima, sie in den Palast nach Den Haag zurück. Von einer geplanten Entführung oder einem Racheakt gegen die Prinzessin als Symbolfigur des Landes war die Rede. Bis heute lebt die 19-Jährige wie im goldenen Käfig.

Seltener Ausflug unter strenger Bewachung: Prinzessin Amalia (19, rechts) mit ihrer Schwester Prinzessin Ariane (16). (Photo by Patrick van Katwijk/Getty Images)
Seltener Ausflug unter strenger Bewachung: Prinzessin Amalia (19, rechts) mit ihrer Schwester Prinzessin Ariane (16). (Photo by Patrick van Katwijk/Getty Images) © Getty Images | Patrick van Katwijk

Ermittler hatten Berichten zufolge Briefe des Gangsterbosses abgefangen, die Anlass zur Sorge gegeben hatten. Anwältin Weski sagte jedoch, dass ihr keine derartige Korrespondenz bekannt sei und dass diese ja kontrolliert würde. Taghi wolle Amalia nichts antun, versicherte sie: „Der Klient hat ausdrücklich erklärt, dass er niemals ein Kind gefährden würde.“

Setzte Drogenboss Taghi seine Mandantin unter Druck?

Nun wird Weski verdächtigt, Botschaften von und für ihren Mandanten übermittelt zu haben. Gerichtsreporter John van den Heuvel sagte in niederländischen Medien, die Staatsanwaltschaft nehme nicht leichtfertig eine Juristin fest: „Ich denke, sie haben ihre Hausaufgaben gemacht.“

Entschlüsselten Nachrichten könne man entnehmen, dass Taghi und Weski eine Beziehung hätten, die über ein Anwalt-Mandant-Verhältnis hinausgehe. Er hält es für möglich, dass Weski unter Druck gesetzt wurde: „Menschen wie Taghi sind es gewohnt, dass alle vor ihnen zittern. Es braucht eine starke Persönlichkeit, die Kontrolle zu behalten.“ Genauso hatte Weski sich jedoch oft bezeichnet: als „Kontrollfreak“.