Braunschweig. Sie hat zwei Weltkriege erlebt und kam 1946 nach Braunschweig: Anneliese Stennert ist Samstag 108 Jahre alt geworden. Sie liebt Lesen und Kultur.

Als sie geboren wurde, tobte der Erste Weltkrieg. Als in Deutschland der allererste Muttertag begangen wurde, am 13. Mai 1923, feierte sie ihren achten Geburtstag. Anneliese Stennert ist Braunschweigs älteste Bürgerin: Am Samstag ist sie 108 Jahre alt geworden.

Das ist wahrlich etwas ganz besonderes. Da kommt auch die Bezirksbürgermeisterin Carolin Borggrefe vorbei und gratuliert. Erika Spindler-Helal vom „ProSenis“-Pflegeheim Haus Eichenpark, in dem Anneliese Stennert seit sieben Jahren wohnt, sagt: „Ich arbeite seit 40 Jahren hier und die älteste Bewohnerin, die ich vor Anneliese Stennert kennengelernt habe, ist 106 Jahre alt geworden.“ Dabei sei Anneliese Stennert noch alleine in ihrem Rollstuhl unterwegs, sie nehme am Gedächtnistraining teil, sei sehr interessiert und habe immer ein leichtes Lächeln auf den Lippen, so Spindler-Helal.

Ihr Traum war, als Bibliothekarin zu arbeiten

Interessiert war Anneliese Stennert schon immer. Lesen war ihre Leidenschaft. Und was am liebsten? „Alles“, sagt Stennert. „Hauptsache lesen.“ Auch in englischer Sprache. Am liebsten wäre sie Bibliothekarin geworden. Das war ihr Traum. Doch einer, der sich damals nicht realisieren ließ. Lehrerin wurde sie stattdessen. Die Ausbildung dazu machte die geborene Schwerinerin in Rostock.

Anneliese Stennert als Kind – mit einem Buch.
Anneliese Stennert als Kind – mit einem Buch. © Katharina Lohse

Bei einem Seminar lernte sie ihren Mann Heinz Stennert kennen. Auch er war Lehrer. 1938 heirateten sie. Im gleichen Jahr kam ihr erstes Kind zur Welt. 1940 und 1945 folgten zwei weitere. Die ersten Ehejahre waren geprägt vom Krieg. Ihr Mann wurde 1939 eingezogen, geriet später in britische Gefangenschaft, wurde 1946 in Braunschweig entlassen. Und so kam auch sie in die Löwenstadt. 1938 und 1939 hatte sie in Waren an der Müritz gewohnt, ihr Mann war dort Lehrer. Bis 1945 lebte sie bei ihren Schwiegereltern in Küstrin, eine Stadt die 1945 fast komplett zerstört wurde. Sie zog dann nach Eberswalde, wo sie bis 1946 ein Jahr lang unterrichtete.

Ihre Kinder studierten alle, wie sie selbst

In Braunschweig widmete sie sich ihrer Familie, ihr Mann arbeitete als Lehrer. Ihre Kinder studierten alle, eine, um in der Volksschule unterrichten zu können, eine studierte Physik und der Jüngste Geodäsie. Als ihr Mann 1996 starb, zog Anneliese Stennert zu ihrer Tochter nach Wolfenbüttel, wo sie bis zum Tod ihrer Tochter 2014 lebte. Dann zog sie ins Betreute Wohnen in Wolfenbüttel. Nach einem Sturz zog sie ins Pflegeheim in Braunschweig. Mit 100 Jahren.

Wie hat sie das bloß gemacht, all die Jahre angesammelt? Nun, gegen jeden Rat der Ernährungslehre habe sie verstoßen, sagt ihre Schwiegertochter Angela Stennert und lacht. Weißbrot mit Honig habe sie gerne gegessen, und Tee mit Honig getrunken. Auch ein Gläschen Wein am Tag habe eine Zeit lang dazu gehört. „Sie hat immer gesagt, dass sie als junge Frau kranker war als im Alter.“ Und in der Tat, einen Beckenanbruch vor eineinhalb Jahren beispielsweise steckte sie gut weg. Die Ärzte wollten nicht operieren, der Bruch heilte von allein und Stennert ist weiter selbstständig in ihrem Rollstuhl ohne Fußstützen unterwegs – und das relativ schnell, wie Spindler-Helal bemerkt. Sie steht auch alleine auf und manchmal geht sie abends auch ohne Hilfe allein ins Bett, berichtet eine Pflegerin.

Theater, Sinfoniekonzerte und Reisen nach Italien

Ihre Familie war ihr stets wichtig. Als ihre Tochter sich zum Abitur Ende der 1950er-Jahre einen Steiff-Teddybären für 36 Deutsche Mark kaufte, ein kleines Vermögen, sei der Vater stocksauer gewesen, berichtet Anneliese Stennerts Sohn Wolfgang. Sie selbst hingegen gab Geld dazu. Sie liebte Teddybären und hat auch heute noch drei von ihnen in ihrem Zimmer.

Sie ging gerne ins Theater und in Sinfoniekonzerte. Und sie reiste gern. „Ja, sehr gerne“, sagt sie. „Wenn ich mir das leisten konnte.“ Mit ihrem Mann ging es nach Budapest und Prag, nach Florenz und Rom. Am Samstag stieß sie mit einem Glas Sekt auf ihren Geburtstag an. „Alles Gute ihnen“, wünscht sie zum Abschied. Ein wacher Blick, ein Lächeln im Gesicht.

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