Hannover. Seit Monaten entscheidet die Landesregierung praktisch im Alleingang über die Corona-Regeln für Niedersachsen. FDP und Grüne fühlen sich übergangen.

Der niedersächsische Landtag will künftig mehr Einfluss auf die Corona-Politik der Landesregierung nehmen. Wie das gelingen kann, wollen die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag gemeinsam beraten. Ziel ist es, den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung zu verhelfen.

Bisher erlässt die Landesregierung die Corona-Regeln in Form von Verordnungen. Insbesondere FDP-Fraktionschef Stefan Birkner hatte das mehrfach kritisiert und zuletzt in einem Brief an die anderen Fraktionen für eine stärkere Beteiligung des Parlaments geworben.

Akzeptanz nur mit Mitbestimmung des Parlaments

„Wir sind der Auffassung, dass es längst überfällig ist, dass die wesentlichen Entscheidungen zur Bekämpfung der Pandemie vom niedersächsischen Landtag getroffen werden“, heißt es in dem Schreiben. Nur wenn die Abgeordneten die Maßnahmen diskutieren und legitimieren könnten, könne es gelingen, die Akzeptanz der Bürger für die Corona-Politik auf Dauer aufrechtzuerhalten.

„Als überzeugter Parlamentarier habe ich großes Verständnis dafür, dass man sagt, man muss den Landtag einbeziehen“, sagte CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer zu dem Vorstoß. „Auch die Regierungsfraktionen wünschen sich das.“

Denkbar sei, dass die Fraktionen einzelne Punkte der Corona-Verordnung im Landtag zur Diskussion stellen, etwa mit Entschließungsanträgen. Das sei heute schon möglich, sagte Toepffer. Gleichzeitig müsse die Politik aber weiter in der Lage sein, in der Krise schnell zu handeln. „Die Lage ändert sich tagtäglich. Ein Gesetzgebungsverfahren würde sich zu lange hinziehen.“

Eingriffe in Grundrechte werden auch weiterhin unvermeidbar sein

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Wiard Siebels, betonte, „dass es einen handlungsfähigen Staat braucht, der agil auf Entwicklungen reagieren und situationsbedingt handeln kann“. Eingriffe in die Grundrechte der Menschen seien angesichts der Infektionszahlen auf absehbare Zeit auch weiterhin notwendig. Dabei sehe man aber auch Handlungsbedarf, die Legitimation durch weitere Beteiligungsformen des Parlaments zu erhöhen. „Klar ist: Das Parlament bleibt zentraler Ort für die politischen Entscheidungen des Landes“, sagte Siebels.

Grünen-Fraktionschefin Julia Willie Hamburg setzt darauf, dass SPD und CDU ihren Worten nun auch Taten folgen lassen. Die FDP habe mit ihrem Brief bei den Grünen offene Türen eingerannt. „Der Ball liegt im Feld der Regierung und ihrer Fraktionen“, sagte sie. „Wir sind als Grüne seit Monaten mehr als ungehalten über die Verweigerung der Groko, das Parlament zu beteiligen.“ Gerade in Zeiten der Krise sei eine breite politische Debatte wichtiger denn je.

Föderalismus gilt als sinnvoll – Änderungsbedarf am Infektionsschutzgesetz

Die SPD nimmt allerdings auch den Bund in die Pflicht. „Wir gehen davon aus, dass insbesondere auch der Bundestag in diesem Zusammenhang an der zentralen Ermächtigungsgrundlage, dem Bundesinfektionsschutzgesetz, Veränderungen diskutieren wird“, sagte Siebels. Das wiederum dürfe aber nicht dazu führen, dass dem Land Kompetenzen entzogen werden, warnte Toepffer von der CDU: „Ich habe den Eindruck, dass wir mit dem Föderalismus bisher gut zurechtgekommen sind.“ Auch flexible Lösungen auf Landesebene förderten schließlich die Akzeptanz der Corona-Politik.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte den Fraktionschefs im Bundestag kürzlich geschrieben, das Parlament müsse seine Rolle als Gesetzgeber und öffentliches Forum deutlich machen, „um den Eindruck zu vermeiden, Pandemiebekämpfung sei ausschließlich Sache von Exekutive und Judikative“.

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