Hannover. Niedersachsens Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut gestand am Montag Fehler ein. Laut NDR hat die Behörde einen falschen Mann abgehört.

Ausgerechnet im Kampf gegen Rechtsextremismus, der aktuell größten Herausforderung für die Sicherheitsbehörden in Niedersachsen, ist dem Verfassungsschutz eine schwere Panne unterlaufen. Statt eines Neonazis hat die Behörde eine Weile lang einen unbescholtenen Bürger abgehört. Als Konsequenz soll die Vizepräsidentin des Verfassungsschutzes in Niedersachsen, Martina Schaffer, versetzt werden, berichtete der NDR. Sie hatte den Fehler wochenlang für sich behalten. Zu dem Vorgang äußerte sich der Verfassungsschutz am Montag aus Gründen der Geheimhaltung nicht, berichtete aber, dass nach einer Panne sämtliche Arbeitsabläufe auf den Prüfstand gestellt werden.

„Es hat in der Sachbearbeitung eines Falles Fehler gegeben, die derzeit umfangreich aufgearbeitet werden“, sagte Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut am Montag. „Um weitere Fälle ausschließen zu können, habe ich eine Überprüfung der vorgeschriebenen Arbeitsabläufe, nicht nur im betroffenen Fachbereich, sondern in allen Arbeitsbereichen angeordnet.“ Außerdem habe er eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts durch den zuständigen Fachbereich angeordnet.

Verfassungsschutz hört den Falschen ab: Maßnahme sollte eigentlich einem Neonazi gelten

„Über diesen Sachverhalt bin ich erst Wochen später informiert worden“, räumte Witthaut ein. In solchen Fällen sei es aber vorgeschrieben und auch zwingend erforderlich, dass alle Verantwortlichen sofort informiert würden. Eine Konsequenz aus der Nicht-Weitergabe dieser Informationen sei die inzwischen eingeleitete Versetzung einer Mitarbeiterin aus dienstlichen Gründen. Unmittelbar, nachdem er über die Panne unterrichtet wurde, habe er den Landtagsausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes über den Sachverhalt informiert.

Laut dem NDR-Bericht sollte die „nachrichtendienstliche Maßnahme“ einem Neonazi gelten. Doch weil die Übermittlung der Daten durch ein anderes Amt fehlerhaft war, geriet der Falsche ins Visier. Das fiel offenbar eine Weile lang nicht auf. Aus welchem Bundesland die fehlerhaften Informationen kamen, wurde am Montag zunächst nicht bekannt.

Eigentliches Zielobjekt blieb unbeobachtet

Ärgerlich ist die Panne für den Verfassungsschutz nicht nur, weil ein Unbeteiligter ins Visier von Extremismus-Ermittlungen geriet. Auch blieb währenddessen die Person, die die Ermittler eigentlich und nicht ohne Grund im Fokus hatten, unbeobachtet. Dabei hatte die Behörde kürzlich erst auf die Gefahr auch durch einzelne Rechtsextremisten hingewiesen.

Diese sähen sich über extremistische Internetplattformen in ihrem Denken bestärkt. Sie fühlten sich als Mitglied einer virtuellen Gemeinschaft Gleichgesinnter, die sich zu Gewalttaten anstachelten. So ließ die Bundesanwaltschaft im Februar einen mutmaßlichen Rechtsextremisten in der Lüneburger Heide festnehmen, der zu einer Terrorzelle mit bewaffneten Anschlagsplänen gehören soll.

Nicht die erste Panne beim Verfassungsschutz

Es ist nicht das erste Mal, dass Pannen zu personellen Konsequenzen an der Spitze des Verfassungsschutzes in Niedersachsen führen. Erst vor eineinhalb Jahren war Witthaut an die Spitze der Behörde aufgerückt, nachdem seine Vorgängerin Maren Brandenburger abgetreten war. Zuvor war durch einen Fehler ihrer Behörde ein V-Mann enttarnt worden. Dabei hatte sie die nach dem NSU-Skandal und der unrechtmäßigen Speicherung etlicher Personendaten massiv kritisierte Behörde gerade erst in ruhiges Fahrwasser gebracht.

Anders als bei vorangegangenen Problemen beim Verfassungsschutz blieben politische Reaktionen zunächst praktisch aus. Alleine die AfD-Fraktion forderte, dass Innenminister Boris Pistorius (SPD) als politisch Verantwortlicher für die Behörde zurücktritt. „Angesichts der Fülle von Skandalen ist die Zeit für Bauernopfer nunmehr vorbei“, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer Klaus Wichmann. dpa

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