“Selbst ein nur 2,2 Millionen Einwohner zählendes Land kann einer Volkspartei neue Hoffnung aufs Kanzleramt bringen.“

Die Landtagswahl von Sachsen-Anhalt hat für viele Überraschungsmomente gesorgt. Und während sich einige im politischen Berlin noch ungläubig die Augen reiben, zeigen detaillierte Analysen, dass sich Lehren aus dieser Abstimmung ziehen lassen.

Etwa die, dass Ehrlichkeit und Authentizität manchmal wichtiger sind als Charisma. In der Riege der Länderchefs fällt Reiner Haseloff selten auf. Er hat nichts von einem scharfsinnigen Lautsprecher wie Markus Söder. Aber auch die Rolle des älteren Staatsmanns liegt ihm nicht. Haseloff steht für eine fast altmodisch anmutende Bodenständigkeit. Er wirkt wie der Nachbar, mit dem man auch mal über „die da oben“ meckern kann, der aber immer sein Wort hält. Das war den Wählern wichtiger als fulminante Auftritte.

Wieder einmal gezeigt hat sich, dass Demoskopen keine Propheten sind. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und AfD hatten zahlreiche Forschungsinstitute prognostiziert. Am Ende lagen die Christdemokraten fast 17 Punkte vor der AfD. Umfragen können lediglich den Moment beschreiben, aber keine Wahlergebnisse vorhersagen. Die Fehlertoleranz liegt bei drei Prozentpunkten. Das sollte auch in der Berichterstattung stärker berücksichtigt werden.

Feststellen lässt sich auch, dass die AfD nicht so schnell wieder aus dem politischen System verschwinden wird. In Sachsen-Anhalt hat sie Stimmen eingebüßt, aber jeden fünften Wähler für sich gewonnen. Und das, obwohl der Landesverband selbst für AfD-Verhältnisse rechts ist. Die Kernwähler der AfD stört das nicht.

Die wichtigste Lektion ist aber vielleicht diese: Selbst ein nur 2,2 Millionen Einwohner zählendes Land kann einer Volkspartei neue Hoffnung aufs Kanzleramt bringen. In Berlin sollte man sich den arroganten Blick auf die Provinz künftig besser verkneifen.