„So wie auf dem Wochenmarkt die Kartoffeln schwerer duften, so wirkt auch im Theater der Zauber des Livehaftigen.“

Der Anfang ist gemacht. Seit gestern sind die Sänger, Tänzer, Schauspieler und Musiker des Staatstheaters wieder live zu erleben. Zunächst nur im zwanzigminütigen Kleinformat, umsonst und draußen . Aber die allgemeine Corona-Entwicklung würde längst wieder mehr ermöglichen, denn die bereits geltenden Abstandsregeln für Gottesdienste ließen sich auf Konzert- und Theatersäle übertragen. Die Besucher sind in der Regel diszipliniert, da bekäme man es wohl auch hin, dass sie der Sitznummernfolge nach in die Reihe gehen oder bei freier Platzwahl nicht in wilde Drängelei verfallen.

Bislang aber sind auch organisierte Theaterfreunde merkwürdig leise, wenn es darum geht, der Kultur im Gemenge der Gaststätten, Baumärkte und Schwimmbäder Gehör zu verschaffen. Aber es haben sich auch schon Opernfans aus unserer Region bis nach Hessen geflüchtet, weil das dortige Kulturministerium Lieder- und Arienabende am Klavier oder Monologstücke erlaubt und damit den Wiedereinstieg in die Live-Kultur unterstützt hat. Dazu passt, dass man dort gerade die Sanierung seiner Staatstheater anschiebt und so Kultur und Konjunktur antreibt. „Jetzt gerade!“ wäre auch angesichts der maroden Werkstattgebäude im Braunschweiger Theaterpark die vielleicht überraschende, aber eben überraschend positive, vorwärtsweisende Maßnahme.

Mögen manche Festivals ihre aus Not geborenen Digitalausgaben immer noch fälschlich als innovativ bezeichnen, so sind wahre Theaterfreunde und -macher das Gestreame längst leid. So wie auf dem Wochenmarkt die Kartoffeln schwerer duften, so wirkt auch im Theater der Zauber des Livehaftigen: Der Klang einer Menschenstimme oder Geige, Schweiß und Tränen eines Tänzers oder Spielers erzeugen jene körperliche Anteilnahme, die wir in der Corona-Abstinenz schätzen gelernt haben. Sie wirken auch auf Distanz, aber nur live: also Türen auf, Vorhang hoch!