„Diese Forderungen sind derart überzogen und weltfremd, dass die gute Absicht, die dahintersteckt, völlig entwertet wird.“

In Deutschland machen sich 90 Prozent der Menschen Sorgen um den sozialen Zusammenhalt. Diese Zahl präsentierte jetzt der Paritätische Gesamtverband, der die Interessen von sozial engagierten Vereinen vertritt. Die Frage ist, was diese Zahl bedeutet und wie groß die Gefahr wirklich ist. Kümmert sich die Politik zu wenig um soziale Probleme?

Auch der Paritätische Verband muss zugeben, was ­offensichtlich ist: Deutschland erlebt gerade den längsten Wirtschaftsboom seit Jahrzehnten. Es sind so viele Menschen in Arbeit wie lange nicht. Trotzdem sieht der Verband „erheblichen Handlungsbedarf“ für die Sozialpolitik. Der Mindestlohn solle von derzeit knapp neun Euro auf mindestens zwölf Euro pro Stunde steigen.

Nötig sei gar ein „soziales Investitionsprogramm“ von mindestens 50 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Forderungen sind derart überzogen und weltfremd, dass die gute Absicht, die dahintersteckt, völlig entwertet wird.

Man kann der schwarz-roten Koalition nicht vorwerfen, dass sie die sozialen Schwachstellen in Deutschland nicht erkannt hat. Gerade in der Sozialpolitik gibt sie Geld mit vollen Händen aus. Allein vier Milliarden Euro soll das neue Programm kosten, das etwa 200 000 Langzeitarbeitslosen neuen Halt im Leben geben und eventuell einen neuen Job verschaffen soll.

Es soll mehr und besser bezahlte Pfleger in Altenheimen und Krankenhäusern geben. Bezahlen werden dies die 44 Millionen Beschäftigten mit Beiträgen und Steuern. Sie noch mehr zahlen zu lassen, würde den sozialen Zusammenhalt in Deutschland von anderer Seite in Gefahr bringen.

Hoffnung machen Debatten wie die aktuelle um den sozialen Dienst. Die Tatsache, dass sich schon jetzt mehr junge Leute dafür interessieren als es Plätze gibt, ist ein gutes Zeichen. So schlecht kann es um den sozialen Zusammenhalt im Land nicht bestellt sein.