Salzgitter. Schon wieder eine Resolution gegen Schacht Konrad? Ja, erneut sollen möglichst viele Kommunen Salzgitter helfen. Das hat beim letzten Mal viel bewirkt

Vor sieben Jahren half eine Resolution immens. 29 Kommunen aus der Region Braunschweig-Wolfsburg beteiligten sich. Die Oberbürgermeister, Landräte und Bürgermeister sowieso, aber auch die Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte. Sie zeigten sich solidarisch mit der Stadt Salzgitter, in der ab 2027 der erste Atommüll im alten Eisenerzbergwerk Schacht Konrad eingelagert werden soll.

Das machte Eindruck. Ihr Appell hallte bis nach Berlin, die Kommunen zählen mehr als eine Million Einwohner. Auch aufgrund der Resolution nahm das Bundesumweltministerium Abschied vom Plan, Schacht Konrad zu erweitern. Aus den genehmigten 303.000 Kubikmetern schwach- und mittelradioaktivem Atommüll sollten zwischendurch auf einmal 600.000 Kubikmeter werden.

Salzgitters OB Frank Klingebiel (5. von links) versammelte am Montag 17 Bürgermeister und Landräte um sich – unter anderem Christiana Steinbrügge aus Wolfenbüttel (Mitte) und Tobias Heilmann aus Gifhorn (3. von rechts). Weitere sollen folgen.
Salzgitters OB Frank Klingebiel (5. von links) versammelte am Montag 17 Bürgermeister und Landräte um sich – unter anderem Christiana Steinbrügge aus Wolfenbüttel (Mitte) und Tobias Heilmann aus Gifhorn (3. von rechts). Weitere sollen folgen. © Bernward Comes

Nun also wieder ein Appell, wieder eine Resolution. Der genaue Wortlaut steht noch nicht fest, auch sämtliche Unterstützer noch nicht. Am Montag kamen schon mal Vertreter aus 17 Kommunen in die Kulturscheune nach Salzgitter. Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) lud sie ein. Klingebiel hofft darauf, dass es noch viel mehr werden. 50 Kommunen schrieb die Stadt an. Corona sorgt langsam wieder für mehr Probleme, die Flüchtlinge aus der Ukraine müssen untergebracht werden, die Ferienzeit beginnt. Doch die 17 machten schon mal den Anfang.

Lemkes Ignoranz?

Gifhorns Landrat Tobias Heilmann (SPD) sagte: „Wir haben das 2015 bereits unterstützt. Wir sind eine Region und halten zusammen. Wir stehen Salzgitter zur Seite.“

Auch Wolfenbüttels Landrätin Christiana Steinbrügge (SPD) war vor Ort. Das kam nicht überraschend, schließlich muss sich ihr Landkreis mit dem Atommülllager Asse herumschlagen. Steinbrügge sagte: „Die Themen Asse und Schacht Konrad sind verwandt. Da ist es uns ein besonders großes Anliegen, den Antrag gegen die Genehmigung von Schacht Konrad zu unterstützen. Das Asse-Zwischenlager spielt bei uns eine große Rolle. Wie in Salzgitter würden wir uns auch ein echtes Standortauswahl-Verfahren wünschen.“

Wie bei Schacht Konrad verbindet die Asse-Gegner ein weiteres Thema: Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will sich den Argumenten der Gegner nicht stellen. Briefe, verbunden mit dem Wunsch nach einem Besuch schickt sie eine Absage hinterher – oder antwortet nicht. Dirk Neumann (parteilos), Bürgermeister der Samtgemeinde Elm-Asse, berichtete, dass Lemke seit vier Monaten Einladungen vorliegen. „Das wird nicht beachtet. Das macht mich wahnsinnig.“ Neumann sprach von einer „Ignoranz“, die das Ministerium und die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) an den Tag legen würden.

Bürgermeister: „Wir sind alle betroffen“

Auch die Konrad-Gegner erneuerten ihre Kritik an der Ministerin. Ursula Schönberger von der AG Schacht Konrad war früher für die Grünen im Bundestag aktiv – wie Lemke. „Ihre Vorgänger kamen zumindest in unsere Region und haben mit uns diskutiert“, sagte Schönberger. „Damals im Bundestag habe ich mit Steffi Lemke noch Anträge eingebracht, um Schacht Konrad zu stoppen. Mich würde mal interessieren, was bei ihr für den Sinneswandel gesorgt hat.“ Gleich zweimal habe man Lemke angeschrieben – ergebnislos. „Das ist eine Gesprächsverweigerung – ausgerechnet von einer Grünen“, so Schönberger.

Cremlingens Bürgermeister Detlef Kaatz sagte mit Blick auf Schacht Konrad: „Wir sind alle betroffen.“ Das gelte es in der Resolution zu dokumentieren. Angesichts des Zuspruchs sagte Salzgitters OB Klingebiel: „Das tut gut.“ Konrad sei nicht nur ein Thema der Stadt Salzgitter. „Wir senden wieder ein deutliches Zeichen Richtung Berlin und Hannover. Hier versteht eine ganze Region nicht, dass hier etwas durchgedrückt wird, was vor 20 Jahren fehlerhafterweise genehmigt wurde. Die Genehmigung von 2002 ist total veraltet, entspricht nicht mehr den Kenntnissen von Wissenschaft und Technik.“

Große Hoffnung auf Antrag

Klingebiel wies darauf hin, dass es zwar Klagen gegen Schacht Konrad gegeben habe, die das Prozedere formal infrage stellen, aber nicht inhaltlich. Vor gut einem Jahr stellten daher die Umweltverbände BUND und Nabu einen Antrag auf Widerruf der Genehmigung von 2002. De facto würde das bei einem Erfolg den Baustopp bedeuten – zumindest erst einmal. Im Kern soll die Resolution diesen Antrag flankieren. Die Konrad-Gegner setzen große Hoffnungen in ihn.

Die Juristin Dr. Michéle John war am Montag auch in Salzgitter. Sie vertritt den BUND und den Nabu und erläuterte, worauf es beim Antrag ankommt. „Wir sehen die Möglichkeit, das ganze Verfahren noch einmal neu aufzurollen“, sagte sie. Eine Behörde wie das Landesumweltministerium könne sich korrigieren. Das Ministerium ist die Genehmigungsbehörde. Die BGE habe bereits eine Stellungnahme abgegeben. Dass man es auch beim Landesumweltministerium ernst meine, erkenne man schon daran, dass extra zwei neue Mitarbeiter eingestellt worden seien, nur um den Antrag zu prüfen: ein Jurist und ein Ingenieur – neben den ohnehin schon mit dem Thema befassten Mitarbeitern im Ministerium.

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Salzgitters OB Klingebiel erklärte noch einmal, dass er sich unbedingt ein offenes Standortauswahlverfahren wünsche – wie beim noch zu findenden Endlager für hoch radioaktiven Atommüll auch. Dort betont die BGE immer wieder das Prinzip der „weißen Landkarte“ – es soll der bestmögliche Standort gefunden werden. Schacht Konrad hingegen war eine politische Entscheidung. Schacht Konrad soll nach der Einlagerung des Atommülls fest verschlossen werden – das Endlager für hoch radioaktiven Atommüll nicht. Konrad ist ein altes Bergwerk mit all seinen Unwägbarkeiten. Beim anderen Endlager schließt die BGE ein altes Bergwerk kategorisch aus. All das betonten die Konrad-Gegner in Salzgitter auch wieder. Die Argumente liegen seit Jahren auf dem Tisch – Bund und Land aber halten an Schacht Konrad fest, bezeichnen das Endlager als sicher, wollen das Verfahren nicht noch einmal aufdröseln.

Matthias Wilhelm, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Salzgitter-Peine, sagte deshalb mit Blick auf die Resolution und die noch zu erwartenden weiteren Unterstützer schon mal im Vorgriff: „Eine ganze Region erhebt sich hier. Hier werden 1,2 Millionen Menschen an die Seite gedrückt, Milliarden werden unnötig verschlungen.“ Zwischen 1977 und 2007 fielen 930 Millionen Euro an Planungskosten an. Bis 2027 kostet das Endlager insgesamt 5,1 Milliarden Euro – mindestens. Dann beginnt die Einlagerung des Atommülls erst.