Braunschweig. In Niedersachsen wurden 491 Verdachtsfälle gemeldet. Ob die Impfung in allen Fällen die Ursache der Beschwerden ist, ist allerdings unklar.

Rötungen, Schwellungen oder Schmerzen an der Einstichstelle, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Mattigkeit, Unwohlsein, Übelkeit, Unruhe, geschwollene Lymphknoten: Solche Reaktionen des Körpers können zeigen, dass sich das Immunsystems mit einem Impfstoff auseinandersetzt. Viele konnten nach ihrer Corona-Impfung ein Lied davon singen – egal ob es sich um die Grundimmunisierung oder eine Auffrischungsspritze handelte.

Was aber, wenn diese normalen Impfreaktionen nicht innerhalb weniger Tage abklingen, oder wenn sogar zusätzliche Beschwerden auftreten? Dann könnte es sich um einen Impfschaden handeln. Das Niedersächsische Gesundheitsministerium hat nun Zahlen dazu veröffentlicht, in wie vielen Fällen Ärzte eine entsprechende Verdachtsdiagnose gestellt und gemeldet haben. Auch wenn das Ministerium sich auf Anfrage nicht dazu äußern möchte, ob die Zahlen den Erwartungen entsprechen, scheinen diese doch zu zeigen: Impfschadensfälle nach Corona-Impfungen kommen vor, sie sind jedoch extrem selten.

Auf 100.000 Impfungen kommen 4,5 Verdachtsfälle

Bis zum 3. November gab es dem Ministerium zufolge in Niedersachsen insgesamt 491 Impfschadensverdachtsmeldungen. Zu diesem Zeitpunkt (Stand Ende Oktober) waren in Niedersachsen rund 5 Millionen Menschen vollständig geimpft. Auf 100.000 verabreichte Impfdosen kamen laut Ministerium 4,5 Meldungen von möglichen Impfschäden. Diese Verdachtsmeldungen bedeuten aber noch nicht, dass ein tatsächlicher Impfschaden vorliegt – oder anders gesagt, dass die Beschwerden tatsächlich auf die Impfung zurückgehen. „Es muss beachtet werden, dass es sich lediglich um Verdachtsfälle handelt, sie stehen zwar in einem zeitlichen Zusammenhang, eine Kausalität ist aber (noch) nicht nachgewiesen“, erklärt Ministeriumssprecher Manfred Böhling gegenüber unserer Zeitung. In einer Antwort des Landesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage des fraktionslosen Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) schreibt das Ministerium präzisierend: „Insbesondere muss auch bei den Sterbefällen berücksichtigt werden, dass mit steigender Durchimpfung der Bevölkerung auch Personen versterben, die zuvor in einem kürzeren oder längeren Zeitintervall eine Impfung erhalten haben, ohne dass die Impfung tatsächlich zur Todesursache beigetragen haben muss.“

Zahl dauerhafter Schäden ist offen

Die gemeldeten Verdachtsfälle schlüsselt das Ministerium weiter auf. Dabei wurden alle in Deutschland zugelassenen Impfstoffe und alle Impfdosen, also auch Auffrischungs- oder Boosterimpfungen, berücksichtigt. 180 von den 491 Patienten waren demnach bereits „wiederhergestellt“. Das heißt, dass sich ihre gesundheitliche Beeinträchtigung zum Meldezeitpunkt schon wieder zurückgebildet hatte. In 157 Verdachtsfällen waren die Patienten „noch nicht wiederhergestellt“ – die Beeinträchtigung war bei der Meldung also noch akut. Allerdings weist das Ministerium darauf hin, dass die Meldungen nur den Ist-Zustand zum Meldezeitpunkt widerspiegeln und die Meldungen in der Regel nicht aktualisiert würden. In insgesamt 12 Fällen stellt die Aufstellung einen „bleibenden Schaden“ fest, in 67 Fällen den Tod als mögliche Impffolge. In 75 Fällen lagen dem Ministerium keine Erkenntnisse über den Ausgang der Impfreaktion vor. Um eine Einschätzung gebeten, äußert sich Böhling zurückhaltend: „Wie viele letztlich dauerhafte, tatsächlich auf die Impfung zurückzuführende Gesundheitsstörungen bei Impfungen mit Vektor- und mRNA-Impfstoffen verbleiben werden, wird sich erst noch zeigen.“

Paul-Ehrlich Institut sammelt und bewertet Verdachtsfälle

Wenn ein Verdacht besteht, dass nach einer Impfung ein Schaden aufgetreten ist, der über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgeht, muss der Arzt diesen Verdacht laut Infektionsschutzgesetz melden. Erfasst und bewertet werden die Meldungen dann vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI), dem Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel.

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Ob eine Impfung tatsächlich Ursache eines Schadens ist, diese Frage versucht das PEI anhand der Verdachtsmeldungen zu klären. Eine entsprechende Auswertung, die auch auf die Art der potenziellen Impfschäden eingeht, ist für Niedersachsen zwar nicht verfügbar. Allerdings stellt das PEI eine Übersicht über unerwünschte Reaktionen in einem regelmäßig erscheinenden Sicherheitsbericht für das gesamte Bundesgebiet dar (siehe unten).

Insgesamt zieht die Bundesbehörde eine positive Sicherheitsbilanz der Corona-Impfungen. „Die weltweiten Daten zeigen, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der Nebenwirkungen der in Deutschland verfügbaren Impfstoffe vorübergehende lokale und systemische Reaktionen betreffen, wie sie auch schon in den klinischen Prüfungen vor der Zulassung beobachtet wurden“, heißt es im aktuellen Bericht. Auch die Verträglichkeit der mRNA-Impfstoffe bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren entspreche „weitgehend“ den Erfahrungen, die man bei jungen Erwachsenen gemacht habe.

Was die Auffrischungsimpfungen Impfstoffe mit den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna angeht, deuten erste Ergebnisse des PEI offenbar darauf hin, dass im Vergleich zu den vorausgegangenen Impfungen weniger Verdachtsfälle gemeldet werden. Zusammenfassend schreibt das PEI: „Nach derzeitigem Kenntnisstand sind schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten und ändern nicht das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffe.“

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Sehr seltene COVID-19-Impfstoff-Nebenwirkungen – ein Überblick

Der aktuelle Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 23. Dezember gibt einen Überblick über die Impfschadensverdachtsmeldungen für die Zeit vom Beginn der Corona-Impfungen bis zum 30. November 2021:

Myokarditis und Perikarditis: Zu den bekannten, sehr seltenen Nebenwirkungen der mRNA-Impfstoffe zählen Myokarditis (Entzündung des Herzmuskels) und Perikarditis (Entzündung des Herzbeutels). Im genannten Zeitraum gingen bundesweit 1554 Verdachtsmeldungen ein. Für BioNTech/Pfizer wurden pro 100.000 Impfdosen 0,79 Fälle bei Frauen und 1,50 Fälle bei Männern gemeldet. Für Moderna liegen die Raten bei 1,28 (Frauen) und 4,60 (Männer). Laut dem Landesgesundheitsministerium zeigen Studienergebnisse jedoch, dass eine SARS-CoV-2-Infektion ein erheblich höheres Myokarditis-Risiko bedeutet als die Impfung mit den mRNA-Impfstoffen.

Anaphylaxie: Anaphylaktische Reaktionen sind schwere allergische Reaktion. Sie werden als Komplikationen aller vier zugelassenen COVID-19-Impfstoffe sehr selten beobachtet. Laut PEI beträgt die Melderate einer Anaphylaxie in Deutschland weniger als 1 Fall pro 100.000 Impfungen. Sie ist bei Frauen etwas höher als bei Männern und auch bei der ersten Impfdosis höher als bei den Folgeimpfungen.

Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS): Beim Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) kommt es zur Bildung eines Blutgerinnsels in Kombination mit einem Mangel an Blutplättchen. Als schwere, in einigen wenigen Fällen auch tödliche Nebenwirkung der Vektorimpfstoffe von Astrazeneca und von Johnson&Johnson trat dieses Syndrom sehr selten auf. Pro 100.000 Impfungen wurden im Schnitt 1,5 TTS-Fälle berichtet. Die Thrombosen treten an ungewöhnlichen Stellen auf, etwa im Gehirn, in Milz-, Leber- oder Darmvenen. Die frühzeitige Diagnose und Behandlung ist hier besonders wichtig.

Guillain-Barré-Syndrom: Hierbei handelt es sich um eine akute Entzündung des peripheren Nervensystems und der Nervenwurzeln. Sehr selten können Personen, die mit den Vektorimpfstoffen von Astrazeneca und Johnson&Johnson geimpft wurden, dieses Syndrom entwickeln. Die Melderate ist aber sehr niedrig –mit einer Meldung pro ca. 0,88 (Astrazeneca) bzw. 1,39 (Johnson&Johnson) auf 100.000 Dosen. In den meisten Fällen bildet sich die Symptomatik zurück.

Thrombose: Zu Thrombosen als Nebenwirkung von Covid-19-Impfstoffen sind die Studienergebnisse uneindeutig. Das PEI weist allerdings darauf hin, dass das Thromboserisiko durch Covid-19 höher ist als nach einer Impfung. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA kommt zwar zu dem Schluss, dass in seltenen Fällen venöse Thromboembolien als Nebenwirkung des Johnson&Johnson-Impfstoffs auftreten können. Die Verdachtsmeldungen aus Deutschland lassen allerdings keinen solch eindeutigen Schluss zu und decken sich nicht mit der Einschätzung der EMA. Einer Vermutung des Landesgesundheitsministeriums zufolge könnte auch die verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema die Meldebereitschaft für diese Nebenwirkung überdurchschnittlich erhöht haben.

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