Braunschweig. Arbeitsrechtsexperte Horst Call von der Ostfalia-Hochschule spielt mögliche Szenarien für Reiserückkehrer in der Corona-Krise durch.

Wie sieht es bei Reiserückkehrern aus einem Risikogebiet im Ausland, die einen obligatorischen Corona-Test machen und sich dann in Quarantäne begeben müssen, mit der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber aus?“ Das möchte unsere Leserin Elisabeth Wolf aus Braunschweig wissen.

Es sind Herbstferien in Niedersachsen. Für viele bedeutet das auch Urlaubs- und Reisezeit. Jedoch ist die Urlaubsfreude in diesem Jahr durch die Corona-Pandemie, den stark gestiegenen Infektionszahlen und Reisewarnungen erheblich geschmälert. Nicht notwendige Reisen sollen vermieden werden. Aber was ist zum Beispiel bei einer Rückkehr aus einem als Risikogebiet eingestuften Urlaubsland und der Quarantäne aus arbeitsrechtlicher Sicht zu beachten? Diese und weitere Fragen haben wir mit Horst Call von der „Brunswick European Law School“ an der Ostfalia in Wolfenbüttel an einigen Szenarien durchgespielt. Der Jurist ist an der Hochschule Professor für Arbeitsrecht und privates Wirtschaftsrecht.

Horst Call ist an der „Brunswick European Law School“ der Ostfalia in Wolfenbüttel Professor für Arbeitsrecht und privates Wirtschaftsrecht.
Horst Call ist an der „Brunswick European Law School“ der Ostfalia in Wolfenbüttel Professor für Arbeitsrecht und privates Wirtschaftsrecht. © Ostfalia Hochschule | Horst Call

Professor Call, nehmen wir an, ich möchte in den Urlaub fahren. Muss ich aus arbeitsrechtlicher Sicht etwas bei der Auswahl meines Urlaubsziels beachten?

Call Ein Arbeitnehmer kann grundsätzlich frei seinen Urlaubsort bestimmen. Reist er allerdings in ein Urlaubsgebiet im Ausland, das vom Robert Koch-Institut (RKI) als Risikogebiet eingestuft wurde, muss er sich entsprechend der aktuell geltenden Corona-Regelungen des Landes Niedersachsen vom 7. Oktober 2020 nach seiner Rückkehr für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben. Einzige Ausnahme: Der Reisende kann einen medizinischen Nachweis vorlegen, aus dem hervorgeht, dass er nicht mit dem Coronavirus infiziert ist. Dieser Nachweis darf bei Einreise allerdings nicht älter als 48 Stunden sein.

Im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis stellt sich im Falle der Quarantäne die Frage, ob der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung trotzdem noch erbringen kann. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn im Homeoffice gearbeitet werden kann. Der Arbeitnehmer hat allerdings keinen Anspruch auf Arbeit im Homeoffice. Ist dies nicht über eine Vereinbarung wie den Arbeitsvertrag geregelt, ist das Einverständnis des Arbeitgebers erforderlich.

Kann der Arbeitnehmer aufgrund der Quarantäne seine Arbeit nicht leisten, verliert er seinen Vergütungsanspruch. Hat der Arbeitnehmer noch eine entsprechende Anzahl an Urlaubstagen, könnte er den Lohnverlust verhindern, indem er Urlaub nimmt. Da der Arbeitnehmer durch seine Reise in ein Risikogebiet und die damit verbundene Quarantäne den Arbeitsausfall selbst verschuldet hat, gibt es keinen Entgeltfortzahlungsanspruch nach Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Auch eine Verdienstausfallentschädigung nach Paragraf 56 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfte nicht in Betracht kommen. Denn diese Vorschrift sieht vor, dass keine Entschädigung erhält, wer die Quarantäne durch die Einhaltung einer öffentlich empfohlenen Maßnahme hätte vermeiden können. Dem Arbeitnehmer wäre es durch die Befolgung der Reisewarnung und den Verzicht auf die Reise möglich gewesen, die Quarantäne zu vermeiden.

Ich habe Urlaub in einem Nicht-Risikogebiet im Ausland gemacht und bin dort an Corona erkrankt. Habe ich Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall?

Im Falle einer Corona-Erkrankung wird sich der Arbeitnehmer in Quarantäne begeben müssen. Es ist unter Juristen umstritten, ob in diesem Falle die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach Paragraf 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes gilt oder ob hier der Verdienstausfallentschädigungsanspruch nach Paragraf 56 des IfSG vorgeht. Der Grund: Die Krankheit ist nicht die einzige Ursache für die Arbeitsverhinderung sondern auch die Quarantäne.
Unabhängig davon, welcher Ansicht man folgt, besteht für den Arbeitnehmer ein Anspruch in Höhe des normalerweise zu erzielenden Verdienstes für die Dauer von bis zu sechs Wochen. Die entsprechende Zahlung ist in jedem Fall vom Arbeitgeber zu leisten.
Folgt man der Ansicht, die einen Vorrang des Anspruchs nach dem IfSG annimmt, sind dem Arbeitgeber die gezahlten Beträge auf Antrag von der zuständigen Behörde zu erstatten. Gibt man der anderen Auffassung den Vorzug, sind die Entgeltfortzahlungskosten vom Arbeitgeber zu tragen.

Ich habe Urlaub in einem Risikogebiet im Ausland gemacht, bin nach meiner Rückkehr auf Corona getestet worden und muss erstmal in Quarantäne. Muss ich deshalb Urlaub nehmen?

War das Urlaubsland bereits bei Antritt der Reise als Risikogebiet eingestuft, so gilt das zu Frage 1 Ausgeführte. Andernfalls hätte der Arbeitnehmer mit der Reise nicht schuldhaft gehandelt, so dass Ansprüche auf Entgeltfortzahlung nach Paragraf 616 des BGB oder auf Verdienstausfallentschädigung nach Paragraf 56 des IfSG in Betracht kommen würden. Im Hinblick auf Paragraf 616 ist zu beachten, dass der Arbeitsausfall in der Regel fünf bis zehn Tage nicht überschreiten darf. Dauert dieser länger, entfällt der Anspruch insgesamt. Die Regelung könnte zum Beispiel dann angewendet werden, wenn die ersten fünf bis zehn Tage in der Quarantäne nicht gearbeitet werden kann und anschließend im Homeoffice gearbeitet wird.

Ich habe Urlaub in einem Risikogebiet gemacht. Kann mich mein Chef dafür abmahnen oder sogar kündigen?

Nein. Eine Abmahnung oder Kündigung hat der Arbeitnehmer nicht zu befürchten. Er muss aber mit dem Verlust seiner Vergütung für die Dauer der Quarantäne rechnen, wenn er zum Urlaub in ein Land gereist ist, das bei Reiseantritt als Risikogebiet eingestuft war, er seine Arbeit aufgrund der Quarantäne nicht – auch nicht im Homeoffice – erbringen kann und auch das Nehmen von weiteren Urlaubstagen ausscheidet.

Mein Urlaubsgebiet ist erst nach meiner Einreise zu einem Risikogebiet erklärt worden. Was gibt es nun für mich zu beachten?

Bei der Rückkehr aus dem Risikogebiet wird der Arbeitnehmer 14 Tage in Quarantäne gehen müssen, wenn er keinen medizinischen Nachweis vorlegen kann, aus dem hervorgeht, dass er nicht mit dem Coronavirus infiziert ist. Da er die Quarantäne nicht verschuldet hat, kommen Ansprüche auf eine Entgeltfortzahlung nach Paragraf 616 des BGB oder eine Verdienstausfallentschädigung nach Paragraf des IfSG in Betracht.

Ich befinde mich in Quarantäne. Muss ich nun im Homeoffice arbeiten?

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht berechtigt, die Arbeit im Homeoffice einseitig anzuordnen. Hierzu ist eine Vereinbarung, zum Beispiel im Arbeitsvertrag, erforderlich.
Nur wenn eine solche Regelung besteht und diese eine einseitige Anordnung zulässt, kann der Arbeitgeber hiervon Gebrauch machen. Andernfalls muss auch der Arbeitnehmer der Arbeit im Homeoffice zustimmen.

Ich befinde mich in Quarantäne. Mein Arbeitgeber bietet kein Homeoffice an. Habe ich trotzdem einen Anspruch auf Vergütung?

Kann die Arbeit aufgrund der Quarantäne nicht erbracht werden, verliert der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch. Trifft den Arbeitnehmer an der Quarantäne keine Schuld, dürften aber Ansprüche auf Entgeltfortzahlung nach Paragraf 616 des BGB oder Verdienstausfallentschädigung nach Paragraf 56 des IfSG in Betracht kommen.
Der Arbeitgeber ist jedoch nicht dazu verpflichtet, die Arbeit im Homeoffice anzubieten oder zu ermöglichen, wenn es an einer entsprechenden Vereinbarung fehlt.

Ich habe mich nachweislich nicht mit Covid-19 infiziert. Muss ich meinen Chef darüber informieren, dass ich Urlaub in einem Risikogebiet gemacht habe?

Ja, nach überwiegender Ansicht ist der Arbeitnehmer verpflichtet, von sich aus mitzuteilen, wenn er Urlaub in einem Risikogebiet gemacht hat.

Auch in Deutschland werden täglich neue Städte und Gemeinden zu Risikogebieten erklärt. Darf ich überhaupt noch Dienstreisen oder Dienstfahrten antreten?

Ja, es gibt derzeit in Deutschland keine Beschränkungen für Dienstreisen. Auch die Beherbergungsverbote in verschiedenen Bundesländern beziehen sich nur auf touristische Aufenthalte. Gleichwohl sollte in Unternehmen sorgsam geprüft werden, ob Dienstreisen in ein Risikogebiete tatsächlich notwendig sind oder ob diese zum Beispiel auch durch Video- oder Telefonkonferenzen, Austausch per E-Mail oder in Chats ersetzt werden können.

Darf mein Chef eine Dienstreise in ein Risikogebiet anordnen?

Ob der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt ist, Dienstreisen anzuordnen, ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Es kann sich auch aus der Art der dort vereinbarten Tätigkeit ergeben, etwa weil diese typischerweise mit Reisetätigkeit verbunden ist.
Ist der Arbeitgeber laut Arbeitsvertrag befugt, Dienstreisen anzuordnen, so muss er diese Anordnung nach Paragraf 106 der Gewerbeordnung nach „billigem Ermessen“ treffen. Das heißt, der Arbeitgeber muss auch die Interessen des Arbeitnehmers – insbesondere auch sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Artikel 2 des Grundgesetzes – berücksichtigen. Ist das Ziel einer Dienstreise als Risikogebiet eingestuft, dürfte in der Regel dem Recht auf körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers Vorrang vor den Interessen des Arbeitgebers einzuräumen sein.

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