Braunschweig. Wegen der Viruspandemie sind auch Ostern die Gotteshäuser zu. Die Landeskirche und einzelne Gemeinden empfehlen für die Karwoche häusliche Andachten.

Dieses Ostern ist eine Ausnahme, die Kirchen in Deutschland hoffen das zumindest. Das Coronavirus hat all das, was der höchste christliche Feiertag des Jahres ausmacht, hinweggefegt. All das Vertraute ist weg. Das ist im Alltag der Menschen, aber auch in den Kirchengemeinden selbst zu spüren. Da die Gotteshäuser für gemeinsame Versammlungen in Deutschland geschlossen sind und auf absehbare Zeit auch bleiben, müssen neue Formate gefunden werden, um die christlichen Botschaften der Karwoche und des Osterfestes zu transportieren. „Wir befinden uns, wie so viele andere Institutionen, in einer einmaligen und herausfordernden Experimentierphase“, sagt der Sprecher der Braunschweigischen Landeskirche, Michael Strauß.

Die evangelische Landeskirche bittet ihre Mitglieder daher in der Karwoche, die mit dem Palmsonntag heute beginnt, mit Andachten zu Hause die heilige Woche zu begehen. So sollen liturgische Texte und Lieder gesprochen, gebetet und gesungen werden. Sie empfiehlt ein festes Ritual an jedem Tag der Woche, bis einschließlich 11. April. „Es wird empfohlen, eine Kerze anzuzünden und sie ins Fenster zu stellen. Am Karfreitag sollte die Andacht zur Sterbestunde Jesu um 15 Uhr gefeiert werden. Dazu werden die Kirchenglocken im ganzen Land läuten. Am Ostersonntag wird als Termin der Andacht 10 Uhr vorgeschlagen. Für 10:15 Uhr rufen die Handreichungen dazu auf, das Lied „Christ ist erstanden“ zu singen. Die Andacht für Gründonnerstag enthält auch eine Möglichkeit, im Familienkreis das Abendmahl zu feiern“, heißt in einer Pressemitteilung im Namen von Landesbischof Christoph Meyns.

Grundlage für die häuslichen Andachten sind die ausgearbeiteten Handreichungen des Theologischen Zentrums Braunschweig. Diese sind, wie weitere digitale Angebote aus den Gemeinden, auf der kircheneigenen Internetseite einsehbar (www.landeskirche-braunschweig.de).

Was plant der Dom?

Dompredigerin Cornelia Götz und Henning Böger, Pastor der Braunschweiger Magnikirche, hatten zuvor ebenfalls dazu aufgerufen, die Karwoche und die Osterfeierlichkeiten „räumlich getrennt und doch geistlich verbunden“ zu begehen. In einem „Osterbrief“ informierten sie ihre Kirchenmitglieder über die Aktion, die unter dem Motto „Gemeinsam am Fenster – in schwieriger Zeit“ steht. Man brauche dafür denkbar wenig. „Nur ein Fenster, eine Kerze, ihre Stimme! Damit gehen wir gemeinsam auf den Weg“, heißt es in dem Brief, der als Handlungsanleitung dienen soll. Böger erklärt weiter: Die Tage der Karwoche liefen auf den Höhepunkt des Ostermorgens am Sonntag hinaus. Dann, so Böger, wolle man von den Fenstern, den Balkonen und Terrassen aus, den Choral von der Auferstehung Jesu („Christ ist erstanden“) hinausschmettern, allen Schwierigkeiten der Zeit zum Trotz.

Landeskirchensprecher Strauß kündigte gegenüber unserer Zeitung zwei Ansprachen anlässlich des Karfreitags und des Ostersonntags von Landesbischof Meyns an. Diese würden vorproduziert und seien dann über YouTube zu verfolgen. Organisiert werde das aktuell von dem hauseigenen Magazin der Landeskirche „Evangelische Perspektiven“. Über dieses Stichwort könnte man dann auch die Ansprachen finden und mittels des Streaming-Verfahrens verfolgen. „Es werden kürzere Formate zwischen 15 und 20 Minuten sein, aber sie sind keine üblichen Gottesdienste, sondern in einer eher dialogischen Form. Natürlich werden sie, dem Anlass entsprechend, die Karfreitagsliturgie vom Tod und Leiden Jesu und Ostersonntag die Botschaft des erwachenden Lichts und der Auferstehung vermitteln.“

Kirchensprecher Strauß: Eine Situation, die ungemein schmerzt

Auch auf die traditionelle Osterbotschaft des Landesbischofs müssten die Gläubigen nicht verzichten. Man sei als Landeskirche gewillt, die Krise auch als Chance zu sehen, die eigene mediale Kommunikationsfähigkeit weiter zu verbessern. Unzählige Rückmeldungen aus Aktionen in den Gemeinen auf dem Gebiet der Landeskirche zeigten, wie engagiert viele Mitglieder seien, die Herausforderungen durch Corona anzunehmen. „Da ist nicht nur die Aktivität in Braunschweig zu nennen, sondern beispielsweise auch die der Propstei in Goslar.“ So gehe es nicht nur um die Vermittlung von Kirchenliturgie, sondern auch um seelsorgerische Arbeit.

Strauß betonte aber auch die „Denkwürdigkeit“ der Situation. „Dass wir in den Kirchen zu Ostern nicht leibhaftig zusammenkommen können, schmerzt ungemein“, sagte er. Auch wenn es aktuell ein Akt der Nächstenliebe sei, keinen Gottesdienst abzuhalten, werde das Recht auf Religionsfreiheit eingeschränkt. Man verstehe das und folge dem Staat in dieser Frage, weil es jetzt darum gehe, Infektionsketten zu vermeiden. „Nur die Frage der Verhältnismäßigkeit, wenn Baumärkte die Abstands- und Hygienerichtlinien offenbar gewährleisten können und deshalb wieder öffnen dürfen, Kirchen aber weiter geschlossen bleiben, die müsse erlaubt sein. Das ist aber meine ganz persönliche Meinung“, so Strauß.

Was passiert im Bistum Hildesheim?

Auch für das Bistum Hildesheim, das auf fast zwei Drittel der Fläche Niedersachsens Pfarrämter und diakonische Einrichtung betreibt, ist diese Zeit – im schlechtesten Sinn – unvergleichbar. „In der Woche vor und an Ostern ist es natürlich besonders bitter, das wir unseren Mitgliedern keine Möglichkeit bieten können, gemeinsam unseren Glauben zu begehen. Aber auch im Alltag, bei der sonntäglichen Eucharistie, dem Abendmahl, sind die Einschränkungen massiv, so notwendig sie auch sind“, erklärt Bistumssprecher Volker Bauerfeld.

Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer habe sich bereits in mehreren Videobotschaften zu Corona und dessen Auswirkungen geäußert. Gottesdienste würden in der Karwoche als Audio-Livestream vom Bistum Hildesheim (www.bistum-hildesheim.de) angeboten. „Am Ostersonntag um 10 Uhr überträgt NDR Info im Radio einen Gottesdienst mit Bischof Wilmer“, so Sprecher Bauerfeld. Dieser habe die seelsorgerischen Einrichtungen des Bistums schon vor Tagen gebeten, eine gute Erreichbarkeit zu gewährleisten, „wenn die Türen schon nicht offen stehen“, erklärt Bauerfeld. Mit viel Engagement werde dem auch nachgegangen. In der Regel wüssten die Pfarrgemeinden vor Ort am besten, wer die Gottesdienste besuche und wer vermutlich jetzt dringend Zuspruch brauche, weil er oder sie sich allein fühlten. „Das sind viele ältere Menschen, die auch eher analog als digital unterwegs sind. Es geht darum, auf anderen Wegen als den persönlichen, Kontakt aufzunehmen und so Solidarität und Nächstenliebe zu demonstrieren.“ Um die Bedeutung der Situation deutlich zu machen, sagt Sprecher Bauerfeld noch: „Meines Wissens nach sind selbst in Kriegszeiten Kirchen als Zufluchtsort geöffnet gewesen.“

Welche Tipps hat der EKD-Chef für die Osterzeit?

Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, weist gegenüber unserer Zeitung auf die Besonderheit der Situation hin. Er fordert die Menschen auf, sich nicht entmutigen zu lassen. Die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland müsse neue Wege beschreiten, ihre Mitglieder über Ostern zu begleiten. Über die Internetseite „kirchevonzuhause.de“ gebe es viele Möglichkeiten, sich zu informieren. „Das reicht vom gestreamten Gottesdienst über Radio-und Fernsehgottesdienstformate bis hin zu Formaten für Gottesdienste am Küchentisch.“

Bedford-Strohm gibt unseren Lesern daher noch Tipps mit auf den Weg, was aus seiner Sicht in der nun beginnenden Karwoche angesichts extrem bedrückender Zeiten zu beherzigen sei. „Erstens: Tanken Sie Zuversicht aus den über Jahrtausende aufbewahrten Worten der Bibel, insbesondere an Gründonnerstag und Karfreitag. Zweitens: Zeigen Sie Nächstenliebe im Alltag und zeigen Sie anderen Menschen: Ich bin für Dich da. Und drittens: Bleiben Sie miteinander in Kontakt: Ich vermisse es, Menschen zu umarmen oder gesellige Zeit miteinander zu verbringen. Nun gilt es, Nähe zueinander auf anderen Wegen zu suchen. Greifen Sie zum Telefonhörer, schreiben Sie einen Brief, nutzen Sie die digitalen Medien oder machen Sie mit beim abendlichen Balkonsingen.“

Das ist die Karwoche:

Die Karwoche ist die Woche vor Ostern, Sie ist die Kernzeit der österlichen Fasten- und Passionszeit und für Christen die wichtigste Woche des Kirchenjahres. Im englischsprachigen Raum wird sie auch als „holy week“ bezeichnet, die heilige Woche.

Kar stammt vom althochdeutschem Wort „chara“ oder „kara“ und bedeutet Kummer, klagen oder trauern.

Am Palmsonntag wird an den Einzug Jesu in Jerusalem erinnert. Die Woche umfasst zudem die stillen Tage Montag bis Mittwoch. Es folgen am Gründonnerstag das Gedächtnis der Einsetzung der Eucharistie beim letzten Abendmahl sowie am Karfreitag die Feier vom Leiden und Sterben Jesu. Der Karsamstag gilt als Tag der Grabesruhe Jesu Christi. Die Karwoche mündet in die Feier der Osternacht.

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