Warum werden die verantwortlichen Veterinäre nicht zur Verantwortung gezogen?

Dies fragt unser Leser Georg König aus Braunschweig.

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers.

Hannover. Ministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) sprach Klartext. „Ich bin entsetzt, und es macht mich wütend“, erklärte Niedersachsens Landwirtschaftsministerin. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen erreichten die Öffentlichkeit Bilder von misshandelten Rindern und offenkundigen Verstößen gegen das Tierschutzrecht, so die Ministerin. Der durch Videoaufnahmen von Tierschützern bloßgestellte Schlachthof in Oldenburg reagierte selbstkritisch. „Wir zweifeln weder die Authentizität der Bilder an noch möchten wir die Vorfälle kleinreden“, hieß es in einer Erklärung. Ob gequälte Puten oder wie in diesem Fall wohl misshandelte Rinder: Immer wieder bringen verdeckte Aufnahmen von Aktivisten Politik und Behörden im Agrarland Niedersachsen in Erklärungsnöte. Im Oldenburger Fall hatte das Deutsche Tierschutzbüro die Vorgänge enthüllt. Rinder sollen in dem Schlachthof durch Elektroschocks und Ausbluten ohne ausreichende Betäubung malträtiert worden sein. „Die Aufnahmen zeigen auch, dass anwesende Veterinäre nicht einschreiten, wenn Tiere misshandelt werden“, heißt es in einer Erklärung des Tierschutzbüros.

Der zweite Fall: Ein Schlachthof in Bad Iburg ist kürzlich nach Bildern von offenbar misshandelten Tieren geschlossen worden. Nach erster Einschätzung der Behörden hatten amtliche Kontrolleure offenbar gezielt weggesehen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen zwei Tierärzte, die im Auftrag des Landkreises kontrollierten. Das heißt, bezogen auf die Frage unseres Lesers: Ermittelt wird schon. Was letztlich dabei herauskommt, ist eine andere Frage. Im Oldenburger Fall hat auch das Landwirtschaftsministerium Strafanzeige gestellt. Amtstierärzte ständen häufig im Konflikt zwischen dem Tierschutz und den zu wahrenden Grundrechten der Tierhalter, sagte die Vizepräsidentin des Bundesverbandes der beamteten Tierärzte, Christine Bothmann, am Mittwoch im Agrarausschuss des niedersächsischen Landtags.

„Ein Schlachthof ist oft ziemlich groß“, schilderte der zuständige Abteilungsleiter im Agrarministerium des Landes, Michael Kühne, am Mittwoch in der Landespressekonferenz Grenzen der Kontrolle. Anders als vorgesehen sind unangekündigte Kontrollen offenbar die Ausnahme. Wenn Kontrolleure nicht mehr in Sicht seien, werde schon mal eine „andere Gangart“ eingelegt, meinte Kühne – nach einem entwarnenden „Pfiff durch die Schlachthalle“. Um Seilschaften zwischen Schlachtbetrieben und Kontrolleuren zu verhindern, hat Ministerin Otte-Kinast ein „Rotationssystem“ bei Kontrolleuren ins Spiel gebracht. Kühne betonte allerdings, dass es bei den Veterinärbehörden viel Engagement für den Tierschutz gebe. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Dana Guth forderte mehr Personal für Veterinärämter.

Vor allem aber setzt man beim Land offenbar auf mehr Kameraüberwachung in den Schlachtbetrieben, laut Ministerium sind davon knapp 70 größere. Viele Schlachthöfe, so Kühne, setzten in Absprache mit den Betriebsräten bereits Kameras ein. Otte-Kinast will dies auf Bundesebene gesetzlich absichern lassen, von Anlieferung bis Schlachtung.

Ein Erlass für unangemeldete Kontrollen werde erarbeitet, hieß es weiter. „Die Videoüberwachung darf nicht von den Schlachtbetrieben selbst organisiert werden. Mit diesem Vorstoß versucht Agrarministerin Otte-Kinast den Bock zum Gärtner zu machen“, erklärte dagegen die Grünen-Landtagsabgeordnete Miriam Staudte. Ein Sprecher der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) verwies auf den „enormen Leistungsdruck“ und den problematischen Einsatz von Werkvertragsarbeitern. „Es gibt kaum Verantwortliche in den Schlachthöfen, die ein Interesse an Qualität und Kontrolle haben, und viele Veterinäre schauen weg“, sagte NGG-Mann Thomas Bernhard. Das betreffe vor allem kleinere und mittelgroße Schlachthöfe.