Braunschweig. . Die Talsperren im Harz gleichen Extreme von Dürre und Hochwasser aus. Wassersparen ist nicht immer sinnvoll.

Man sollte über Meerwasser-Entsalzungsanlagen nachdenken, um hier ein Backupsystem für die Bevölkerung zu haben.

Das meint unser Leser „Meik ZimmerMann“ auf unseren Facebook-Seiten.

Zum Thema recherchierte
Johannes Kaufmann

Israel ist ein Wüstenstaat. Es regnet nur im Winter, die natürlichen Wasserressourcen sind begrenzt. Und dennoch, trotz steigender Bevölkerung, fließt rund um die Uhr Trinkwasser, wenn man den Hahn aufdreht. Grund dafür sind nicht nur ein sparsamer Umgang mit der wertvollen Ressource und die höchste Wasser-Recyclingquote der Welt, sondern auch, dass das Land Trinkwasser aus dem Mittelmeer gewinnt.

587 Millionen Kubikmeter fördern die fünf großen Entsalzungsanlagen des Landes pro Jahr. Das entspricht einem Viertel des Gesamtverbrauchs und mehr als der Hälfte des Trinkwassers. Es ist die technische Antwort auf eine natürliche Notsituation. Denn nach fünf Jahren Dürre wird das Wasser in Israel nun erneut knapp.

Stellt der Klimawandel auch Deutschland und unsere Region vor solche Herausforderungen? Wäre es sinnvoll, Wasser aus Ost- und Nordsee zu entsalzen und in Dürrezeiten in unsere Region zu pumpen?

Nein, lautet die Antwort von Marie Klein, Sprecherin der Harzwasserwerke, auf die Frage unseres Lesers. Denn zusätzlich zum enormen Aufwand der Entsalzung und Aufarbeitung, ein sehr energie-intensives und teures Verfahren, müsste das Wasser gegen die Steigung von der Küste hoch ins Land gepumpt werden. „Unsere Talsperren hingegen funktionieren genau umgekehrt. Sie sammeln wenig belastetes Wasser, das kaum aufbereitet werden und nicht nur zum Transport nicht gepumpt werden muss, sondern sogar noch zur Energiegewinnung genutzt werden kann.“ Laut dem Wasserversorger BS-Energy stammen 98 Prozent des Braunschweiger Trinkwasser aus dem Harz.

Klein sieht die Talsperren auch als Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels. „Sie erfüllen mehrere Funktionen, nicht nur für die Trinkwasserversorgung, sondern auch als Hochwasserschutz. Die Stauseen halten die Flüsse stabil und verwandeln Hochwasser in Trinkwasser.“

Diese Funktion dürfe künftig sogar noch wichtiger werden, denn die Klimamodelle sehen keine geringere Niederschlagsmenge voraus, sondern eine andere Verteilung – mehr Dürreperioden, extremere Niederschläge. Die Talsperren könnten diese Ausschläge ausgleichen.

Auch Professor Günter Meon, Leiter der Abteilung Hydrologie, Wasserwirtschaft und Gewässerschutz am Leichtweiß-Institut für Wasserbau der TU Braunschweig, sieht die Region für die Zukunft gewappnet. Sein Institut hat die Entwicklung des Wassersystems von Innerste, Grane und Oker simuliert und dabei Klimawandel-Prognosen einbezogen. „Bei etwa gleichbleibenden Bedürfnissen kann der Bedarf auch auf lange Sicht gut erfüllt werden“, so sein Fazit.

Knapp könne es allerdings werden, wenn der Bedarf stark steige – etwa durch stärkere Nachfrage aus der Industrie oder einen massiven Ausbau von Bewässerungsflächen in der Landwirtschaft. „Dadurch könnte irgendwann die Grenze des Nordharz-Speichersystems erreicht werden. Allerdings nicht beim Trinkwasser, denn das hat immer Priorität“, so der Hydrologe. Wie die Wassersituation im Harz sich insgesamt entwickeln wird und wie sich dies auf Hochwasserschutz, Trinkwasserversorgung, Energiegewinnung und Niedrigwasser in den Flüssen auswirken könnte, will Meons Institut künftig intensiv erforschen.

Auch wenn Dürreperioden länger werden könnten, echte Wasserknappheit droht Deutschland, anders als Israel, nicht. „Deutschland hat kein Wasserproblem, zumindest nicht bei der Menge“, sagt Professor Meon. Schwierigkeiten gebe es lediglich an einigen Orten im Versorgungssystem oder bei der Qualität.

Allein an Grundwasser, aus dem knapp 75 Prozent des Trinkwassers gewonnen werden, stehen in Deutschland laut dem „Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft“ (2015) jährlich rund 188 Milliarden Kubikmeter zur Verfügung. Davon werden knapp 155 Milliarden Kubikmeter gar nicht genutzt. Das entspricht einer Nutzungsreserve von 82,4 Prozent der Gesamtmenge.

Befeuert von Aufrufen zum Sparen – von Hightech-Duschköpfen, die nach Öko-Designrichtlinie der EU möglichst wenig Wasser mit möglichst viel Luft anreichern, bis zur längst obligatorischen Stopptaste bei Toilettenspülungen – sinkt der Pro-Kopf-Gebrauch seit Jahren trotzdem immer weiter. 2010 lag er in Deutschland mit 121 Litern deutlich unter dem EU-Durchschnitt. In England waren es 158 Liter, in Frankreich 164, in Österreich 140. Seit 1990 ist die Wasserabgabe der öffentlichen Wasserversorgung laut dem erwähnten „Branchenbild“ um 26 Prozent gesunken – von 5,99 Milliarden auf 4,43 Milliarden Kubikmeter.

Übertriebenes Wassersparen kann sogar selbst zum Problem werden. „Inzwischen führt die stark rückläufige Entwicklung des Pro-Kopf-Gebrauchs und der Wasserabgabe an die Industrie in Deutschland zu einer Unternutzung von Anlagen“, heißt es im „Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft“. Dadurch verringert sich die Fließgeschwindigkeit in den mittlerweile überdimensionierten Rohren und Kanälen. „Als Folge müssen die betroffenen Leitungen intensiv gespült werden, um beispielsweise Ablagerungen und Korrosion sowie hygienische Probleme aufgrund längerer Aufenthaltszeiten und geringerer Fließgeschwindigkeiten zu vermeiden.“

In manchen Ecken des sommerlichen Berlins macht sich dieses Problem in mit der Nase deutlich wahrnehmbarer Weise bemerkbar. „Berlin spart Wasser – und stinkt“, kommentierte vor einigen Jahren der „Tagesspiegel“.

Auch in Braunschweig müssen Abwasserkanäle hin und wieder durchgespült werden, bestätigt Romana Ringel, Pressesprecherin bei BS-Energy. Allerdings führt sie dies nicht auf Sparsamkeit, sondern auf die Trockenheit im Sommer zurück. Ob sich solche Maßnahmen auf die Abwassergebühren auswirkten, könne sie nicht einschätzen.