Braunschweig. Die Immobilienpreise in Niedersachsen steigen rasant. Sie legen schneller zu als die Einkommen. Eine Blase erwarten Experten aber nicht.

Unser Leser Timo Pfortner bemerkt auf unseren Facebookseiten:

Wer jetzt kauft, wird sein Geld in der nächsten Krise verlieren. Die Preise kochen und bald platzt die Blase.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

Der Traum vom eigenen Häuschen bleibt immer häufiger genau das: ein unerfüllbarer Traum. Die Preise für Wohneigentum steigen in Niedersachsen in rasantem Tempo. Das gilt besonders für die Städte. In unserer Region also für Braunschweig, Wolfsburg und Göttingen. Im Schnitt stiegen die Preise für Eigenheime in den sechs größten Städten in Niedersachsen um 54 Prozent seit 2010. Bei den Eigentumswohnungen waren es sogar 72 Prozent. Diese Zahlen gehen aus dem frischen Landesgrundstücksmarktbericht des Innenministeriums hervor.

Landesgrundstücksmarktbericht 2018

Für rund 107 000 Kaufgeschäfte zahlten die neuen Eigentümer in Niedersachsen im vergangenen Jahr 19,5 Milliarden Euro. Eine stolze Summe. Zum Vergleich: Der komplette Landeshaushalt liegt bei etwa 30 Milliarden Euro.

Bei einer ähnlichen Anzahl an Geschäften zahlten die Käufer 2010 noch 8,4 Milliarden Euro weniger als im vergangenen Jahr. Das schreckte die Käufer aber nicht ab. Die Zahl der Kaufgeschäfte nahm im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr nur leicht um 1400 ab.

Wer in Wolfsburg ein Ein- und Zweifamilienhaus kaufen möchte, muss im Schnitt 340 000 Euro zahlen. In Göttingen sind es mit 435 000 Euro noch einmal deutlich mehr. Unschlagbar jedoch ist in Niedersachsen die Insel Norderney. Wer hier eine Eigentumswohnung kaufen möchte, muss pro Quadratmeter etwa 8000 Euro zahlen. Braunschweig ist vergleichsweise ebenfalls teuer. Wer hier eine neue Eigentumswohnung mit Baujahr ab 2015 kaufen will, zahlt mit 3410 Euro pro Quadratmeter aber deutlich weniger.

Von einer Blase ist Niedersachsen aber weit entfernt, meint Peter-Georg Wagner, Sprecher des Maklerverbands IVD Nord. Er widerspricht somit unserem Leser. „Das mag allenfalls für Hamburg, Berlin oder München gelten. Aber selbst dort greift mir das zu weit.“ In München kostet ein Quadratmeter Eigenheim im Schnitt 8500 Euro. Es ist die teuerste Stadt Deutschlands. Am günstigsten ist das Eigenheim dagegen in Sachsen-Anhalt und in Thüringen. Im Landkreis Mansfeld-Südharz beispielsweise kostet ein Quadratmeter Wohnfläche gerade mal etwa 380 Euro. Für den Preis eines Hauses in München kann man also 22 Häuser im Kreis Mansfeld-Südharz kaufen.

Einkommensschwache werden an die Stadtränder gedrängt

Zum Thema Immobilienblase sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD): „Die Preisentwicklungen in Niedersachsen lassen sich dadurch erklären, dass die verfügbaren Immobilien knapper werden und die Zinsen weiter niedrig sind.“ Eine spekulative Immobilienblase sei derzeit aber nicht erkennbar.

Eine Blase kann entstehen, wenn zu viele Anleger Immobilien als Geldanlage nutzen und die Preise dadurch rasant steigen. Wenn aber nicht genug Menschen in diesen Häusern wohnen wollen oder können, platzt die Blase und der Wert der Immobilien sinkt wieder. Das unternehmensnahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) beobachtet derzeit allerdings, dass inzwischen zwar mehr Investoren bauen, aber die Nachfrage nach Wohnraum etwa wegen der relativ tiefen Zinsen noch höher ist.

Da die Einkommen weniger stark steigen als die Immobilienpreise in den Städten Niedersachsens, schlägt Wagner, der Sprecher des Maklerverbands IVD Nord, vor: „Wer es sich nicht leisten kann, müsste an den Stadtrand ziehen, in ländliche Regionen oder eine kleinere Immobilie kaufen.“ Das dürfte Interessenten nur wenig erfreuen. Wagner beobachtet: „Die Objekte werden von Investoren schon viel kleiner geplant als in den Jahren zuvor.“

sozialer Wochnungsbau immer mehr gefordert

Der Deutsche Mieterbund fordert längst eine soziale Wohnungsbauoffensive. In Deutschland fehlten dem Verein zufolge eine Million Wohnungen. Die Folge seien nicht nur höhere Kaufpreise, sondern auch stark ansteigende Mieten. Vor allem in den Städten führe das zu einer Verdrängung Einkommensschwächerer und Durchschnittsverdiener-Haushalte an die Ränder. Der Mieterbund fordert deshalb, jedes Jahr 80 000 neue Sozialwohnungen zu bauen.

In Großstädten fehlt oft Bauland, klagen hingegen Investoren. Sie wollen nicht viel mehr günstige Wohnungen bauen. Ihre Argumente: Sie müssen zu viele Bauauflagen erfüllen und die Bodenpreise steigen. Damit sich Bauen lohne, fordern sie mehr Unterstützung vom Staat.

In attraktiven Regionen mit Jobs sowie guter Infrastruktur und Verkehrsanbindung müssen Mieter und auch Käufer wohl auch weiterhin mit steigenden Preisen rechnen. Dazu gehört auch unsere Region mit den Städten Braunschweig und Wolfsburg sowie deren Speckgürtelgemeinden.

Außerdem wird es in den nächsten vier Jahren wohl nur noch halb so viele Sozialwohnungen geben wie heute, wie das niedersächsische Bauministerium zuletzt berechnet hatte. Das kann gerade für Mieter mit niedrigem Einkommen zum Problem werden.