Braunschweig. Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertreter signalisieren Gesprächsbereitschaft. Die Anwälte bleiben trotzdem aktiv.

Unser Leser Lars Markwardt schreibt auf unserer Facebook-Seite zum Streit bei der Brauerei Wolters:

Auf Kosten von Mitarbeitern sollte es nicht gehen. Hoffen wir das Beste für die Zukunft des Hauses Wolters.

Dazu recherchierte Andreas Schweiger

Der Streit zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung der Braunschweiger Brauerei Wolters beschäftigt viele unserer Leser. Das zeigen die Beiträge auf der Facebook-Seite unserer Zeitung. Die Meinungen sind gespalten: Ein Teil unserer Leser stützt die Position der Arbeitnehmervertreter, der andere Teil wünscht sich, dass der Konflikt intern ausgetragen würde, und stärkt die Position der Geschäftsführung.

Für den Streit in der Brauerei sorgte eine Betriebsversammlung am 8. Dezember. Auf der Veranstaltung trug der Betriebsrat Kritik und Sorgen vor, die Mitarbeiter zuvor anonym formuliert und in den Kummerkasten der Arbeitnehmervertretung geworfen hatten. Die Kritik richtet sich gegen andere Mitarbeiter und Führungskräfte. Die Geschäftsführung der Brauerei wertet diese Beiträge als Beleidigung. Das Unternehmen lobt daher eine Belohnung von 2000 Euro für denjenigen aus, der die Namen der anonymen Kritiker nennt. Allerdings soll die Belohnung nur dann gezahlt werden, wenn sich der Hinweisgeber selbst zu erkennen gibt. Die Geschäftsführung will zudem arbeitsrechtlich gegen die Kritiker vorgehen – nach Angaben von Geschäftsführer Peter Lehna reicht die Spannbreite der Sanktionen von einer Abmahnung bis hin zur Kündigung.

Professor Horst Call, Experte für Arbeitsrecht an der Ostfalia-Hochschule in Wolfenbüttel, sagte unserer Zeitung, dass Kritik der Arbeitnehmer am Arbeitgeber von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Call: „Der Arbeitgeber hat die Meinungsfreiheit zu akzeptieren. Dabei darf die Kritik scharf sein, und die Kompetenz von Vorgesetzten darf angezweifelt werden.“ Allerdings gelte auch in diesem Fall, dass der Ton die Musik macht. Soll heißen: Beleidigungen darf die Kritik nicht enthalten. Als Beispiel nannte Call die Bezeichnung „Sklaventreiber“. „Wenn eine Kritik beleidigend ist, kann das strafrechtliche Bedeutung haben.“

Nach Calls Einschätzung wäre es besser gewesen, wenn die Arbeitnehmervertreter die anonyme Kritik nicht auf der Betriebsversammlung vorgelesen hätten. „Der Betriebsrat hätte die Kritikpunkte direkt mit dem Arbeitgeber besprechen sollen“, sagte Call. Denn es sei nicht klar, ob den anonymen Verfassern bewusst gewesen ist, dass ihre Zettel aus dem Kummerkasten betriebsöffentlich vorgelesen werden. Zudem entspreche der öffentliche Vortrag der Kritik nicht dem Betriebsverfassungsgesetz, das eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in einem Unternehmen vorsehe.

Aber auch die vom Unternehmen ausgelobte Belohnung für denjenigen, der die Namen der anonymen Kritiker nennt, sei nicht angebracht, sagte der Arbeitsrechtler. Erstens erhöhe die vom Betriebsrat als „Kopfgeld“ bezeichnete Belohnung die Bedeutung des Streits für die Öffentlichkeit, was dem Ruf des Unternehmens schaden könne. Zweitens wirke sich die Belohnung nachteilig auf das Betriebsklima aus. Call: „Die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt. Aus Kritik dürfen aber keine Nachteile folgen.“ Das Beschränken der Meinungsfreiheit sei daher auch aus juristischer Sicht bedenklich.

Manfred Tessmann, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Braunschweig, sagte gestern unserer Zeitung: „Der Betriebsrat wird vorerst nicht aktiv, weil es sich mit seinen Rechtsbeiständen berät und abstimmt. Maulkorb und Kopfgeld akzeptieren wir nicht, sie vergiften das Klima.“ Er sandte aber auch Signale der Annäherung. So seien Betriebsrat und Gewerkschaft bereit für „sachliche und konstruktive Gespräche“. Zudem erwäge der Betriebsrat, den Kummerkasten künftig früher vor den Betriebsversammlungen zu leeren, um die genannten Kritikpunkte zusammenfassen und den Ton glätten zu können.

Wolters-Geschäftsführer Lehna sagte, dass sich das Unternehmen wegen der Beleidigungen von einem Anwalt beraten lasse. „Das sind wir der Belegschaft schuldig. Alle Beteiligten müssen wissen, dass dieses Verhalten nicht geduldet wird.“ Die Geschäftsleitung erwarte, dass sich der Betriebsrat persönlich bei den Mitarbeitern entschuldige, die von den Beleidigungen betroffen seien.

Lehna sandte aber ebenfalls Signale der Annäherung: „Die Geschäftsleitung ist nicht daran interessiert, den Konflikt zu verschärfen. Das schadet allen Beteiligten. Die Geschäftsleitung hat den Dialog mit dem Betriebsrat auch nie abgebrochen.“

Einen Kommentar zum Thema lesen Sie hier: Streitet – aber konstruktiv

Weiteres zum Hintergrund des Streits finden Sie hier: Dicke Luft bei Wolters: Kopfgeld für anonymen Kritiker ausglobt