Hannover. Auch Niedersachsen will keine Propaganda-Veranstaltungen türkischer Politiker. Von vornherein Nein zu sagen, damit tut sich das Land aber schwer.

Unsere Leserin Gisela Kamp aus Braunschweig fragt:

Was, bitte schön, ist eigentlich so schwierig daran, ganz einfach festzuschreiben, dass Wahlkampf von nicht EU-Staaten in der EU nicht gestattet ist?

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Eine Kleinigkeit ist das von der Leserin angesprochene Verbot keinesfalls, weder rechtlich noch politisch. Noch vor Tagen hatte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Ex-Oberbürgermeister von Hannover, vor einer Eskalation im Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in deutschen Städten gewarnt.

„Es empfiehlt sich sehr, die Temperatur zu dämpfen und die nächste Eskalationsstufe zu vermeiden“, hatte Weil gesagt – und die Türkei aufgefordert, auf weitere Auftritte von Erdogan-Getreuen in Deutschland zu verzichten. Die Türkei müsse innenpolitische Auseinandersetzungen „bei sich zu Hause führen“.

Dass dies ein frommer, aber unrealistischer Wunsch war, dürfte Weil geahnt haben. Denn prompt erreichte die türkische Wahlkampf-Welle Niedersachsen und auch Weils Heimatstadt. Zunächst war der Stadt Hannover ein allgemeiner Mietwunsch der Union Europäisch-Türkischer Demokraten ins Haus geflattert. Doch wer im städtischen „Freizeitheim Lister Turm“ sprechen sollte, musste offenbar die Polizei ermitteln: AKP-Vize Mehmet Mehdi Eker.

Das wiederum bot der Stadt dann einen willkommenen Hebel für die Absage. OB Schostok zitierte „Ziffer 7“ der Nutzungsordnung des Heims, wonach Räume bei drohenden Störungen, Belästigungen oder Gefährdungen versagt werden können. In dem Haus seien am Freitag auch andere Veranstaltungen, Kinder seien dort, so der Oberbürgermeister. Das passt in der Tat schlecht zu Wahlkampf und Gegendemonstrationen. Ein Vertrag war laut Stadt zudem noch nicht geschlossen worden.

Innenminister Boris Pistorius hatte schon Stunden zuvor am Rande einer anderen Pressekonferenz bezweifelt, dass ein geordneter Ablauf der geplanten Veranstaltung sichergestellt sei. Schon da war klar, dass die Absage kommen würde. „Es besteht kein Anrecht einer ausländischen Regierung darauf, ihre Propaganda auf Kundgebungen in Deutschland zu verbreiten“, erklärte FDP-Landtagsfraktionschef Christian Dürr.

Von vornherein Nein zu sagen, damit tut sich auch Niedersachsen allerdings schwer. Schließlich will man nicht als undemokratisch dastehen, gerade nicht gegenüber einer unter Erdogan immer unfreieren Türkei. Pistorius verwies beim Auftritt mit Schostok auf die Anforderungen, die der Bund an solche Auftritte gestellt habe: Veranstaltungen seien den Behörden rechtzeitig und korrekt anzumelden. Genehmigt ist damit aber noch lange nichts.

Wer gegen Deutschland hetze und das friedliche Zusammenleben von Menschen in Deutschland gefährde oder beeinträchtige, dem müsse Einhalt geboten werden, meinte der Innenminister. Pistorius brachte ausdrücklich § 47 des Aufenthaltsgesetzes ins Spiel, der das zulässt. Das hatte zuvor auch die Ministerpräsidentin des Saarlands, Annegret Kramp-Karrenbauer, getan. Doch während sie pauschal nein sagt, will Niedersachsen den Einzelfall prüfen.

Das dürfte schon juristisch zwingend sein. Im Zweifel bleiben immer noch Fragen des Baurechts und der Gefahrenabwehr: Sind der Saal oder die Gaststätte geeignet? Und im Fall Freizeitheim: Ist die Nutzungsordnung eingehalten?