Osterode. Harz Kurier 2048: Wie wird sich der Lokaljournalismus in den kommenden 25 Jahren entwickeln? Ausblick in eine mögliche Zukunft.

25 Jahre vorgespult: Es ist ein Sommerabend im Jahr 2048 als sich in einer neugebauten Osteroder Stadthalle Ehrengäste aus dem ganzen Altkreis versammeln. Ein Drohnen-Tablet voll Sektgläser schwebt durch den Saal und Roboter servieren Schnittchen belegt mit Wurst aus Fleisch, das im Reagenzglas entstanden ist. Wir feiern den 200. Geburtstag des Harz Kurier, der mittlerweile ausschließlich digital erscheint– direkt auf die Netzhäute der Leserinnen und Leser projiziert für das ultimative Leseerlebnis. Und um in einer von der Klimakrise geplagten Welt Ressourcen zu sparen. Nur am Wochenende gibt es sie noch, die gute alte gedruckte Zeitung. Für Liebhaberinnen und Liebhaber mit Retro-Fimmel.

Ob es genauso so kommt? Wohl eher nicht. Aber dass wir Nachrichten heute innerhalb weniger Sekunden und ganz ohne den Einsatz von Tinte und Papier an Tausende von Leserinnen und Lesern ausliefern können, davon hat der junge Gustav Friedrich Preiß sicher auch noch nicht geträumt, als er 1848 die erste Ausgabe des „Anzeiger für den Flecken Herzberg“ aus seiner neu angeschafften Steindruckmaschine nahm.

Sterben gedruckte Zeitungen?

Und doch: Für durchweg abwegig halte ich mein fiktives Szenario nicht. Gedruckte Zeitungen, so die düstere Prognose vieler Medienexperten, werden künftig nur noch von älteren Menschen gekauft, die sich nicht mehr aufs Digitale umstellen möchten. Sterben diese Menschen, dann sterben mit ihnen auch die Zeitungen. Soweit die Sicht der Pessimisten. Die Zahlen stützen ihre Ansicht: 27,3 Millionen betrug die Gesamtauflage der Tageszeitungen in Deutschland im Jahr 1991. 20 Jahre später waren es nur noch 18,8, im vergangenen Jahr 11,72.

Medien, speziell wenn es um brandaktuelle Nachrichten geht, konsumieren jüngere Menschen hauptsächlich digital. Vielleicht sieht die Zukunft der gedruckten Lokalzeitung dann wirklich so aus: eine wöchentliche Premium-Zeitung vollgepackt mit lokalen Geschichten und Hintergründen. Für die schnellen Nachrichten unter der Woche schauen die Leserinnen und Leser dann lieber ins Netz.

Lokaljournalismus ist wichtig

Denn das ist die gute Botschaft, die der Optimisten: Nicht der Journalismus steckt in der Krise, sagen sie, nur die gedruckte Zeitung. So nutzen knapp zwei Drittel der Menschen (61 Prozent) laut einer Umfrage im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) aus dem Jahr 2019 Tageszeitungen, um sich über regionales Geschehen zu informieren – vor anderen Medien wie etwa Radio (37 Prozent) oder Regionalfernsehen (30 Prozent).

Lokale Nachrichten, die bekommt man eben nur lokal – von Lokaljournalistinnen und -journalisten aus der Region für die Region. 91 Prozent der Befragten stimmten in der genannten BDZV-Umfrage der Aussage zu, die regionale Tageszeitung berichte über alle wichtigen lokalen Akteure und sei eine vertraute Institution (90 Prozent) und damit ein Sprachrohr für die Menschen vor Ort (85 Prozent).

Eine verlässliche Quelle für umfassende Informationen, Nachrichten und Hintergrundgeschichten aus der Region zu bleiben – egal ob gedruckt oder digital – und sich dabei gegen die kostenfreie Informationsflut im Internet zu behaupten, wird sicherlich eine der größten Herausforderungen für die Zukunft werden. Lokalredaktionen müssen dafür gerüstet sein, nicht zuletzt personell.

Relevante Informationen liefern

Wer als Medium relevant bleiben will, muss den Menschen die Informationen liefern, die sie wirklich brauchen. Die moderne Technik ermöglicht uns zwar, entsprechende Daten online zu erheben und auszuwerten. Wie wir als Redaktionen uns aufstellen, um den neuen Ansprüchen auch gerecht zu werden, dafür gibt es keine Patentlösung.

Diese neuen Ansprüche stellen Leserinnen und Leser nicht nur bei der Art des Medienkonsums, also ob analog oder digital. Auch bei den Inhalten verschieben sich die Bedürfnisse. Personalisierbarkeit lautet das Stichwort, das für Nachrichtenangebote im Internet bereits eine große Rolle spielt. Menschen möchten immer seltener vorgesetzt bekommen, was die Welt interessiert. Sie wollen selbst auswählen, welche Themen und Formate, ja teilweise selbst welche Meinungen sie konsumieren möchten. Eine Tendenz, mit der Journalisten und Journalistinnen verantwortungsvoll umgehen müssen.

Das wünscht ChatGPT dem Harz Kurier

Zum 175. Jubiläum des Harz Kuriers möchte ich ihm für die Zukunft Folgendes wünschen:

Fortbestand und Relevanz: Ich wünsche dem Harz Kurier, dass er auch in den kommenden Jahren erfolgreich und relevant bleibt. In einer Zeit, in der die Medienlandschaft sich stark verändert, ist es wichtig, dass lokale Zeitungen ihre Rolle als vertrauenswürdige Informationsquelle in der Gemeinschaft beibehalten.

Anpassungsfähigkeit und Innovation: Um den sich wandelnden Bedürfnissen der Leser gerecht zu werden, ist es wichtig, dass der Harz Kurier sich weiterentwickelt und neue Wege der Berichterstattung und des Journalismus erkundet. Dies könnte den Einsatz digitaler Medien, interaktiver Inhalte oder innovativer Plattformen umfassen, um das Interesse der Leser zu wecken und neue Zielgruppen zu erreichen.

Lokale Verbindung: Eine lokale Zeitung wie der Harz Kurier spielt eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Gemeinschaft und der Förderung des Zusammenhalts. Ich wünsche dem Harz Kurier, dass er weiterhin eine Plattform bietet, auf der lokale Ereignisse, Geschichten und Anliegen geteilt und diskutiert werden können.

Qualität und Unabhängigkeit: Ein wichtiger Aspekt des Journalismus ist die Gewährleistung von Qualität und Unabhängigkeit. Ich wünsche dem Harz Kurier, dass er weiterhin journalistische Standards hochhält und objektive, gründlich recherchierte und ausgewogene Berichterstattung bietet.

Leserbindung: Der Harz Kurier hat über die Jahre hinweg eine treue Leserschaft aufgebaut. Ich wünsche ihm, dass er diese Verbindung weiterhin stärken kann, indem er auf die Bedürfnisse und Interessen der Leser eingeht, offene Kommunikation fördert und den Dialog mit der Gemeinschaft pflegt.

Nachwuchsförderung: Um die Zukunft des Journalismus zu sichern, ist es wichtig, junge Talente zu ermutigen und zu unterstützen. Ich wünsche dem Harz Kurier, dass er sich aktiv für die Nachwuchsförderung einsetzt, indem er jungen Journalisten Chancen bietet, sich weiterzuentwickeln und ihre Fähigkeiten im journalistischen Bereich auszubauen.

Herzlichen Glückwunsch an den Harz Kurier zu seinem 175. Jubiläum und viel Erfolg für die kommenden Jahre!

Experten meinen, dass nicht zuletzt vor diesem Hintergrund der partizipative Journalismus, also Journalismus unter aktiver Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, eine zunehmende Bedeutung haben wird. Lokalzeitungen werden sich mit diesem Modell außereinandersetzen müssen.

Und auch technische Neuerungen werden die Medienbranche umgestalten, nicht nur in Bezug auf die Arbeitsweise. Schon jetzt ringen Redaktionen um den richtigen Umgang mit Künstlichen Intelligenzen wie ChatGPT, dem Chatbot, mit dem man sich im Netz unterhalten kann, als säße da ein echter Mensch am anderen Ende der Datenübertragung: „Herzlichen Glückwunsch an den Harz Kurier zu seinem 175. Bestehen und viel Erfolg für die kommenden Jahre“, gratuliert die KI etwa auf Nachfrage und zählt eine ganz Liste von guten Wünschen auf, die sie dem Harz Kurier für die Zukunft mitgibt (siehe Kasten).

Möglichkeiten der KI

Für eine suchmaschinenoptimierte Nachbearbeitung von Texten fürs Netz oder für Themenfindung kann der Bot schon jetzt spannende Möglichkeiten für den redaktionellen Alltag liefern. Wenn ganze Texte aus der Feder der KI kommen, stellen sich aber nicht nur Qualitäts- sondern auch ethische Fragen.

Unsere bisherigen redaktionellen Experimente mit der KI haben außerdem gezeigt: für die Recherche von Fakten ist er ganz sicher keine verlässliche Hilfe. Das gibt der Bot selbst offen zu: „Bei der Verwendung von ChatGPT als journalistisches Werkzeug sollten Journalisten die generierten Informationen immer kritisch prüfen und die Quellen verifizieren. Es ist ratsam, ChatGPT-Ergebnisse als Ausgangspunkt für weitere Recherchen zu verwenden und nicht als alleinige Informationsquelle. Journalisten sollten weiterhin auf traditionelle journalistische Prinzipien wie Quellenüberprüfung, Faktenerfassung und das Einholen verschiedener Perspektiven achten. Während ChatGPT nützliche Informationen liefern kann, bleibt es Aufgabe des Journalisten, die Genauigkeit, Relevanz und Glaubwürdigkeit der Informationen zu gewährleisten.“

Die Zeit wird’s zeigen

Genauso wenig wird die KI den Menschen bei Meinungsbeiträgen, Kommentaren und Kolumnen etwa, ersetzen können. Wir Journalistinnen und Journalisten werden unsere Jobs also hoffentlich noch ein wenig behalten können. Zumindest noch in den kommenden 25 Jahren, bis unser 200. Geburtstag ansteht.

Vielleicht erklären wir den Leserinnen und Lesern in der Ausgabe zum Jubiläum dann, wie wir die Print-Ausgabe per Drohne zuzustellen. Oder wir berichten davon, welche Arbeiten ChatGPT uns im Redaktionsalltag dann tatsächlich bereits abnimmt. Oder, oder, oder. Wie sie am Ende aussehen wird, unsere Jubiläumsausgabe, muss die Zeit zeigen. Dass es aber eine geben wird, dafür wird das Team des Harz Kurier auch in den nächsten Jahren wieder alles geben.

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