Osterode. Ein Hoch auf die Ausgestoßenen und Missachteten: Wildkräuter übernehmen auch im Garten wichtige Aufgaben, sind oft gesund und schmackhaft.

Es ist eine herausfordernde Zeit für jene, die mit ihrem Garten, ihren Terrassen und Wegen optisch der gesellschaftlichen Norm entsprechen wollen, denn es ist Frühling und alles beginnt zu blühen und zu wachsen, auch die sogenannten Unkräuter. Da wird fleißig gezupft, geschnitten, gemäht, geflämmt, da werden Fugen gekratzt und, oft im Verborgenen, noch ein bisschen gespritzt. Was tun schon Herbizide, wenn alles wohlgeordnet und sauber sein soll. Was wird sonst der Nachbar denken?

Der 28. März am heutigen Dienstag wird seit Anfang der 2000er-Jahre als „Tag des Unkrauts“ begangen und ist so etwas wie ein Ehrentag der Ausgestoßenen und Missachteten unter den Pflanzen. An diesem Tag sollen all jene wilden und unangepassten Pflanzenrebellen gefeiert werden, die keinen Platz im penibel gestutzten aufgeräumten deutschen Garten haben.

Wildkräuter sind wertvoll

Ob Giersch (Aegopodium podagraria), die Brennnessel (Urtica urens und Urtica dioica), Löwenzahn (Taraxacum) oder Vogelmiere (Stellaria media): Diese und andere sogenannten Unkräuter oder besser Beikräuter oder Wildkräuter stellen den sorgsamen Gärtner zuweilen vor besondere Herausforderungen in einer langen und immer wiederkehrenden Auseinandersetzung mit der Natur und sind im Kampf mit dem Kulturgrün um Raum, Licht, Wasser und Nährstoffe oftmals die Gewinner. Doch was sind schon Unkräuter und warum sie nicht besser nutzen?

Diese Frage stellen zurecht die Naturschützer. Was viele Hobbygärtner als unerwünschtes Grün in ihrem Rasen und den Beeten empfinden, sind oft für die Natur sehr wertvolle Wildkräuter. „In Zeiten des Insektensterbens sind sie wichtige Nahrungsquellen für die Tiere. Die Bedeutung von Beikräutern wird oft unterschätzt“, erklärt Biologin Gabriele Hoffmann, Vorsitzende des Deutschen Naturschutzbundes Osterode. Wichtig seien sie vor allem für das Ökosystem.

Die Ackerwinde, ein Kraut, das manchen Gärtner verzweifeln lässt, besticht durch herrliche Blüten.
Die Ackerwinde, ein Kraut, das manchen Gärtner verzweifeln lässt, besticht durch herrliche Blüten. © PIXABAY

Unkraut als kulinarischer Genuss

Doch nicht nur das: Sauerampfer, Schafgarbe, Vogelmiere, Giersch, Knopfkraut, Gartenschaumkraut, Spitzwegerich oder Brennnessel sind für unseren Gaumen ein kulinarischer Genuss, wenn man sich darauf einlässt. „Viele der sogenannten Unkräuter sind essbar, öffnen den Magen oder sind anders wirksam. Beifuß und Doldenblütler zum Beispiel haben viele ätherische Öle und beeinflussen Verdauung und Leber positiv“, weiß die Biologin. Vogelmiere und Giersch schmeckten köstlich.

Wildkräuter haben ein besonders intensives Aroma und enthalten mehr Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe als kultivierte Pflanzen. Das feinherbe Gemüse aus der Wildkräuterküche bereicherte in Notzeiten als Alternative zu Spinat oder Blattsalat die magere Speisekarte. Giersch beispielsweise schmeckt wie Spinat, erinnert roh an Petersilie oder Möhre, die Knospen des Spitzwegerich schmecken in rohem Zustand angenehm nussig und angeröstet sogar pilzähnlich, der säuerliche Geschmack von Sauerampfer macht sich gut in Suppen und Eintöpfen, sollte aber in Maßen genossen werden. Die Brennnessel kann gedünstet wie Spinat verwendet werden, und Vogelmiere ist eine wohlschmeckende Zutat zu Salaten oder Suppen. Hübsch anzuschauen ist das Gänseblümchen im Salat.

Ein Kraut gegen jede Krankheit

Wichtig ist es, ähnlich wie beim Sammeln von Waldpilzen, nur das zu nutzen, was man kennt und sich über die jeweiligen Eigenschaften der Pflanzen vor dem Verzehr zu informieren. Wildkräuter sind also schmackhaft. In der modernen und hochklassigen Küche erleben sie inzwischen eine neue Wertschätzung. Dabei sind sie reich an wertvollen Inhaltsstoffen. Vielen werden sogar heilende Eigenschaften zugesprochen, sie gelten als „Medizin aus der Natur“.

Gegen jede Krankheit sei ein Kraut gewachsen, meinte die bekannte österreichische Kräuterkundige Maria Treben (1907 bis 1991), eine Spezialistin auf dem Gebiet der Pflanzenheilkunde und alternativer Behandlungsmethoden in der Tradition von Sebastian Kneipp. Wildkräuter sind grüne Kraftpakete, die auch aus Sicht der Naturschützer überwiegend Vorteile bringen. Nicht nur, dass viele der Pflanzen Nektar- und Pollenlieferanten sind. Insekten finden zwischen ihnen Ruheplätze und Verstecke, Nistplätze und Überwinterungsorte. Auch zur Bodengesundheit können sie beitragen, denn sie bedecken kahle Stellen, beschatten den Boden und halten ihn feucht.

Die leuchtenden Blüten des Löwenzahn tauchen die Wiesen in sattes Gelb.
Die leuchtenden Blüten des Löwenzahn tauchen die Wiesen in sattes Gelb. © PIXABAY

Falls nötig: Wie wird man Unkraut los?

Wer nun partout die Wildkräuter loswerden oder eindämmen möchte, letzteres durchaus nachvollziehbar, kann die bewährten Fugenkratzer und -bürsten zu Hand nehmen. Auch das Entfernen mit Hochdruckreiniger und Abflammgerät hat sich bewährt. Pflanzenschutzmittel, die Glyphosat und andere chemischen Substanzen, wie Streu- und Kochsalz oder Essig enthalten, sind grundsätzlich auf allen Freilandflächen verboten. Ihr Einsatz, auch auf Gehwegen, Toreinfahrten, Terrassen oder Steinmauern wird mit hohen Strafen belegt. Solche Substanzen gefährden nicht nur Tiere und Bodenorganismen, sondern werden später auch ins Klärwerk gespült.

Wichtig ist laut Expertenrat, das „Unkraut“ früh zu jäten und ihm regelmäßig Aufmerksamkeit zu schenken, um eine flächige Ausbreitung zu verhindern. Geht das über Samen, sollte man die Blüten vor der Samenbildung abschneiden. Bei Wurzel-Wildkräutern wie Giersch, Schachtelhalm und Löwenzahn wird es schon schwieriger. Hier hat der Herr vor den Erfolg den Schweiß gesetzt, denn man muss sorgfältig graben, damit die langen Wurzelausläufer komplett aus dem Boden geholt werden können.

Rote Karte für Schottergärten

Gar keinen Platz findet natürliches Grün in den sogenannten Schottergärten, die laut der Niedersächsischen Bauordnung bereits seit 2012 untersagt sind.

Die Niedersächsische Bauordnung sieht vor, dass nicht überbaute Flächen der Baugrundstücke Grünflächen sein müssen, soweit diese nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind. Auch die Stadt Osterode hatte sich in mehreren Kampagnen gegen Schottergärten gewendet. Gabriele Hoffmann: „Rein rechtlich müssten solche Steinwüsten zurückgebaut werden.“

Oft seien sie auf Schutzfolien angelegt, versiegelten damit den Boden, ihre Auswirkungen auf das Mikroklima seien negativ, dem Artensterben leisteten sie Vorschub und: „Sie sind einfach hässlich.“ Die Osteroder Biologin rät allen Gartenbesitzern dazu, ganz bewusst eine Ecke als Biotop anzulegen, sie mit Totholz und Laub auszustatten und Wildkräuter zuzulassen.

Wildkräuter sind ein wichtiger Nahrungsgeber in der Welt der Insekten.
Wildkräuter sind ein wichtiger Nahrungsgeber in der Welt der Insekten. © PIXABAY

Insekten und Menschen profitieren

Davon profitierten alle. Denn Wilde Malve, Wiesensalbei, Mädesüß, Akelei, Seifenkraut oder Blutweiderich aber auch verschiedene Kleearten oder Spitzwegerich, die sich in vielen Rasenflächen finden, haben ein gutes Nahrungsangebot für Insekten. Und die Menschen könnten viele Pflanzen nutzen, eben für die heimische Küche.

Und noch ein Vorteil: Das menschliche Auge sei auf Grün geprägt. Denn Grün steht als Sinnbild für das Leben und die Natürlichkeit und wird oft mit Glück, Hoffnung und Zufriedenheit verbunden. Auf die Psyche wirkt Grün bekanntlich erholsam und ausgleichend. Und das kommt im hektischen Alltag ja mehr als gelegen.

Unter dem Titel „Was wächst denn da“ informiert der Naturschutzbund Deutschland auf seiner Homepage über die einzelnen Wildkräuter und ihre fast vergessenen Fähigkeiten (shorturl.at/bwyJS).

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