Lerbach. Firma Gebrüder Wunderlich lieferte aus Lerbach in die ganze Welt. Gründung 1949 – Brandkatastrophe 1981

Das Unterdorf von Lerbach wird noch heute als Ortsteil Hütte bezeichnet. Die postalischen Anschriften Am Hüttenbrinck und Eisenhüttenweg erinnern an das Industriegebiet seit Gründung der fiskalischen Eisenhütte im Jahr 1789. Nach der endgültigen Schließung im Jahr 1932 wurden in den Gebäuden überwiegend metallverarbeitende Betriebe sowie das Gummiwerk Ernst Fröhlich gegründet. Nach dem 2. Weltkrieg wurden weitere Betriebe hier ansässig und es ist sprichwörtlich verwunderlich, dass eine Gardinenfabrik im Lerbachtal Einzug erhielt.

Die Teichwiese um 1930 unterhalb Hüttenteich, wo die „Rotbraunen“ weideten, wurden Werkhallen der Firma Wunderlich gebaut.
Die Teichwiese um 1930 unterhalb Hüttenteich, wo die „Rotbraunen“ weideten, wurden Werkhallen der Firma Wunderlich gebaut. © archiv | Rainer Kutscher

In Frohnau im Erzgebirge betrieb die Firma Wunderlich schon nach dem 1. Weltkrieg einen kleinen Betrieb und die Inflation erfasste das Unternehmen. Die Waren wurden zu „Spottpreisen“ von den US-Amerikanern gekauft. Nach dem 2. Weltkrieg konnte Karl Wunderlich den Betrieb von seinem Vater nicht übernehmen, weil dem Betrieb keine Rohstoffe und Garne zugeteilt wurden. Den Besitz (Elternhaus und Werkstatt) übernahm der Staat.

Karl Wunderlich wurde am 2. April 1908 in Frohnau im Erzgebirge als fünftes von neun Kindern des Posamentiermeisters Karl Wunderlich geboren. Er besuchte Volksschule und Mittelschule. Dann machte er eine dreijährige Lehre im väterlichen Handwerksbetrieb, mit dreijährigem Besuch der Textilfachschule Annaberg-Buchholz im Erzgebirge.

Von Plauen im Erzgebirge in den Harz

Nach der Lehre ist er in kleinen und großen Betrieben im In- und Ausland tätig. Nebenbei absolvierte er ein Fernstudium im allgemeinen Maschinenbau an der Ingenieurschule in Frankenberg bis Kriegsausbruch 1939, dann war Karl Soldat und kam bis Juni 1947 in Gefangenschaft.

Im Juni 1949 setzte er sich von Plauen ab nach Osterode am Harz. Mit dem hier verheirateten jüngsten (einzigen) Bruder Fritz begann Karl mit den bescheidensten Mitteln im selbstgebauten Schuppen auf fremdem Grundstück, Gardinenmaschinen zu bauen.

Dieser „Schuppen“ wurde „handwerksgerecht“ gebaut. Hatte Wunderlich doch in der Zeit der Arbeitslosigkeit noch als Volontär das Maurer- und Zimmererhandwerk praktisch erlernt.

Karl Wunderlich hat sich in seiner neuen Heimat auch in der Kommunalpolitik und dem Vereinsleben engagiert. Im Gemeinderat der Ortschaft Lerbach im damaligen Landkreis Zellerfeld bis zur Gebietsreform 1972 war er 14 Jahre. Ab 1964 für acht Jahre Vorsitzender vom Männer-Turnverein (gegr. 1891). Beim Bau der neuen Schießanlage der Schützengesellschaft im Jahr 1962 stellte er für die umfangreichen Maurerarbeiten der Schützenstube unentgeltlich einen Mitarbeiter seiner Firma zur Verfügung.

1996 verstarb Karl Wunderlich im Alter von 87 Jahren und seine Ruhestätte ist auf dem Lerbacher Waldfriedhof neben seiner Ehefrau Ilse (*1921 †2000). Auf dem Grabstein wird an seinen Geburtsort Frohnau im Erzgebirge erinnert.

1949 Einmannbetrieb in der Schlosserei Rohrmann

„Die ab Oktober 1949 gepachtete Schlosserei von Fritz Rohrmann in Lerbach war zunächst ein Ein-Mann-Betrieb mit einem äußerst bescheidenen Ein-Mann-Haushalt, bis Frau und älteste Tochter im November aus der russischen besetzten Zone nachkamen. Hier wurde die erste selbstkonstruierte 1,20 m breite Gardinen-Maschine gebaut. Sie lief fortan in drei Schichten. Der Bau weiterer Gardinen-Maschinen mit 3 m Arbeitsbreite bedingte dann die Einstellung von geeigneten Handwerkern. Das waren Emil Oppermann, Karl Oppermann, Otto Oppermann, Eugen Heine, Lisa Kutscher.

Die Räume der Rohrmannschen Schlosserei reichten 1950 zum Fabrizieren von Gardinen, Bau von Maschinen und zugleich als Wohn- und Schlafraum nicht mehr aus. So wurden, nach langen erfolglosen Suchen, passende größere Räume in einem etwa 200 Jahre alten Holzbau aus der Zeit der ,Lerbacher Eisenhütte’ von der Firma E. Heine Nachfolger, Inhaber Alfred Schubert, gepachtet. In diesen Räumen hatte vorher eine Keramik-Fabrik bis zum Konkurs ihre Erzeugnisse hergestellt. Hier war auch separater Wohnraum vorhanden, sodass nach drei Jahren Provisorium eine Wohnküche und ein Schlafraum eingerichtet werden konnten. Zu dieser Zeit waren noch etwa 200 heimatvertriebene Menschen aus Ostdeutschland in dem Dorf Lerbach untergebracht.

In diesen neugepachteten Räumen wurden nur Gardinen hergestellt und vertrieben. Der Maschinenbau blieb weiterhin in der Schlosserei Rohrmann.“

1952 Neubau auf der Teichwiese Hüttenteich

Gebäudekomplex der Firma Gebrüder Wunderlich unterhalb vom Hüttenteich. Querbau oben: erster Werkbetrieb 1952, Obergeschoss Wohnräume, Werkhallen (1) völlig vom Brand zerstört, (2) heute Firma Hoff Kaffeesysteme, (3) teilweise zerstört, heute Firma Grüneberg Holzbau.
Gebäudekomplex der Firma Gebrüder Wunderlich unterhalb vom Hüttenteich. Querbau oben: erster Werkbetrieb 1952, Obergeschoss Wohnräume, Werkhallen (1) völlig vom Brand zerstört, (2) heute Firma Hoff Kaffeesysteme, (3) teilweise zerstört, heute Firma Grüneberg Holzbau. © archiv | Rainer Kutscher

„Die Schlosserei Rohrmann reichte 1952 für den Bau der größer werdenden Gardinen-Maschinen nicht mehr aus. So wurde die „Teichwiese“ unterhalb des Hüttenteiches von dem Gastwirt Erwin Gebest gepachtet, später gekauft und nach 1952 mit einem zweigeschossigen Bau begonnen. Im unteren Stockwerk wurde der Maschinenbau eingerichtet. Darüber im zweiten Stock drei Wohnungen mit 30 Prozent Eigenleistung gebaut.

Nach diesem ersten Bau folgte die zweite Halle von 10 x 12 m für die Aufstellung der inzwischen entwickelten ersten Volljacquard-Häkelmaschine. Diese erste Halle wurde 1954 und noch einmal 1956 auf insgesamt 46 m verlängert.

Im Jahre 1956 wurde der Artikel Teppichgleitschutz entwickelt und auf den Markt gebracht, wofür 1958 eine 2. Halle gebaut werden musste. Die 3. Halle mit Erd- und Obergeschoß wurde für eine neue Beschichtungsanlage im Erdgeschoß und für Raschelmaschinen für Bändchenartikel im Obergeschoß gebaut. In diese Zeit fällt auch der Umzug aus den gepachteten Räumen der Firma E. Heine Nachf.

Das alte ,Antiglidgebäude’ wurde inzwischen für moderne Büroräume aufgestockt.

Die 4. Halle wurde 1973 zweistöckig über den von der Firma kanalisierten Lerbach gebaut. Im oberen Stockwerk wurde der Antiglid-Versand, unten Produktion und Lager für Beschichtung eingerichtet. Mit der Überbauung des Lerbaches war die bebaubare Grundstücksfläche voll genutzt.

Im Jahre 1977 musste eine Betriebserweiterung eingeplant werden. Die Talenge in Lerbach ließ eine Erweiterung der Produktionsräume nicht mehr zu. Nach fast einjähriger Suche wurde in Lasfelde ein geeignetes Grundstück erworben, gekauft und 1978-1979 mit etwa 5.000 Quadratmetern Betriebs- und Büroräume in Shed- und Stahlbauweise errichtet.“

1981 vernichtet ein Großbrand drei Werkhallen

Maschinen, Roh- und Fertigwaren der Werkgebäude Halle 1 und 3 fielen dem Brand zum Opfer.
Maschinen, Roh- und Fertigwaren der Werkgebäude Halle 1 und 3 fielen dem Brand zum Opfer. © archiv | Rainer Kutscher

„Am 17. November 1981 entstand in den Fabrikräumen in Lerbach aus bisher ungeklärter Ursache ein verheerender Brand, der die Hallen 1, 3 und 4 mit Maschinen, Roh- und Fertigware vernichtete. Es verbrannten unter anderem Fertigwaren. Allein an die 16.000 Quadratmeter künstlicher Rasen mit dazugehörigen Dränagematten, welche zwei Tage nach dem nicht vorherzusehenden Brand nach Hamburg gebracht und zur Verschiffung nach Japan kommen sollten.

Nach dieser Brandkatastrophe stellte sich die Frage, den Betrieb ganz zu schließen. Damit wären mehr als 100 Arbeitsplätze verloren gewesen. Innerhalb von drei Tagen nach dem Unglück musste die Entscheidung fallen. In einer Betriebsversammlung erklärten die Mitarbeiter sich bereit, trotz Regen, Schnee und Kälte die Massen von Brandschutt zu entfernen. Um die alte, erste Beschichtungsanlage im Erdgeschoss, unter der stehengebliebenen Betondecke, vom Brandschutt freizumachen, sie zu reparieren und wenn möglich, kurzfristig wieder in Gang zu bringen. Nur durch die Bereitschaft der Mitarbeiter konnte diese Anlage in Tag- und Nachtschicht wieder instand gesetzt werden. Mit großem Einsatz wirkte Andreas Windisch (*1933 †1994) mit Schlosserarbeiten an der Reparatur von Maschinenteilen. Für die festen Kunden konnten Lieferungen in vier Wochen zugesagt und eingehalten werden.

Die teilweise stark zerstörten Gebäude nach dem Brand im Lerbacher Werk 1981.
Die teilweise stark zerstörten Gebäude nach dem Brand im Lerbacher Werk 1981. © archiv | Rainer Kutscher

1986 Großbrand mit 10 Millionen Brandschaden

1978 erfolgte ein Neuanfang im Ortsteil Katzenstein An der Bahn. Die Töchter von K. Wunderlich, Anette und Britta, standen ab Mai 1983 nach Betriebswirtschaftsstudium als Mitgesellschafter zur Verfügung.

Karl Wunderlich blieb nichts erspart, als am Abend vom 7. Oktober 1986 ein Großbrand im Katzensteiner Industriegebiet sein Werk fast vernichtete. Ein Brandschaden von ca. 10 Millionen entstand und 140 Arbeitsplätze waren betroffen. Trotz seiner 78 Jahre und angeschlagener Gesundheit trieb Wunderlich unermüdlich den Wiederaufbau voran.

Auf der zweiten Straßenseite wurde ein weiteres Grundstück erworben und der Bau einer zweigeschossigen Halle mit insgesamt ca. 3300 Quadratmetern Nutzfläche entstand. Soweit zum Neuanfang nach dem Brand im Jahr 1986.

Auf dem alten Industriegebiet unter dem Hüttenteich sind in die Werkhallen der Firma Wunderlich die Firmen Hoff-Kaffeesysteme und Holzbau Grüneberg eingezogen und noch heute dort ansässig.

Firmenchef Karl Wunderlich, Mitte, spricht Dank und Anerkennung an langjährige Mitarbeiter aus.
Firmenchef Karl Wunderlich, Mitte, spricht Dank und Anerkennung an langjährige Mitarbeiter aus. © archiv | Rainer Kutscher