Bovenden/Osterode. Mit einer Auftaktveranstaltung startet der Landkreis Göttingen das Projekt „Inklusive Kita für Alle“. Das ist genau geplant.

Gerechte teilhabe für alle Kinder – Das ist die Kernabsicht des Modellprojekts „Inklusive Kita für alle“, das jetzt im Landkreis Göttingen startete. Für dieses Vorhaben wurden drei Kindertagesstätten ausgewählt: Die Kita St. Aegidius des Kirchenverbandes Hann. Münden, die Kita Jühnde vom Deutschen Rotes Kreuz und – für den Altkreis Osterode – die Kita Röddenberg in Osterode.

„Die Aufgabe der Umgebung ist nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren.“ Dieses Zitat von Maria Montessori, italienische Ärztin, Reformpädagogin, Philosophin und Entwicklerin der nach ihr benannten Montessoripädagogik, spiegelt den Leitgedanken des Rahmenkonzeptes wider. Umgesetzt werden soll das ehrgeizige Projekt innerhalb eines Zeitrahmens von vier Jahren (2023-2026). Zur Auftaktveranstaltung im Bürgerhaus in Bovenden war neben vielen anderen Akteuren auch der Göttinger Landrat Marcel Riethig gekommen.

Prävention statt Problemlösung

In seiner Begrüßungsrede hob Riethig die Bedeutung des Modellprojekts hervor: „Wir geben Milliardensummen aus, um soziale Probleme zu lösen. Dabei wäre es viel besser, wenn mehr Geld in die Prävention fließen würde“, sagte er. „Ein Euro investiert in die frühen Hilfen ergibt eine spätere Ersparnis von 44 Euro. Wichtig ist zudem, dass wir niedrigschwellig Unterstützung anbieten, und zwar vor Ort.“

In den Kindertagesstätten würden früh die Weichen gestellt. In diese müsste investiert und von Anfang an auf Inklusion gesetzt werden. Daher sei es notwendig, das System zu verändern, um besser zu werden. „Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Geld gut angelegt sein wird“, so der Landrat weiter. „Wir wollen im Landkreis Göttingen aus dem Projekt ein Programm machen. Und wir wollen viel Geld in die frühkindliche Bildung geben. Inklusion soll Teilhabe schaffen.“

Gleiche Startbedingungen für alle

Irina Kunz, Koordinatorin des Projektes „Inklusive Kita für alle“, unterstrich im weiteren Verlauf die Bedeutung von Inklusion. Auch die Antworten der Anwesenden auf die von Kunz gestellte Frage, was denn Inklusion für sie bedeute, waren eindeutig: Inklusion bedeute gleiche Chancen und Startbedingungen für alle Kinder, egal, welche Herkunft sie haben. Sie sei ein wichtiger Schritt für eine gerechte Teilhabe aller Kinder.

Das Projekt
Das Projekt "Kita für alle" startet im Landkreis Göttingen © HK | Ralf Gießler

Noch detaillierter wird die Inklusion im Rahmenkonzept zum Modellprojekt erläutert, dort heißt es: „Inklusion in Kindertageseinrichtungen ist weit mehr als Integration und bedeutet, dass alle Kinder unabhängig von ihren persönlichen Besonderheiten, Stärken und Schwächen, an Bildung wohnortnah teilhaben und alle Kinder unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen zusammen aufwachsen können. Niemand wird ausgegrenzt und alle gehören dazu. Neben der Vielfalt betont die Inklusion, dass eine gute Zusammenarbeit mit Familien die Voraussetzung ist, um für die Kinder Bildungschancen zu schaffen. Inklusion legt weniger den Fokus darauf, wie die Menschen sind, sondern welche Bedürfnisse sie haben. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um diese Bedürfnisse zu berücksichtigen und eine partizipative und vorurteilsbewusste Kita-Kultur zu entwickeln.“

Hoch innovatives Projekt

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung stellten sich alle drei Kindertagesstätten mit kleinen Filmen vor. Wie ihre Kolleginnen und Kollegen freut sich auch die Leiterin der Kita Röddenberg, Jessica Sonnenburg, sehr auf die kommenden vier Jahre. Sie fragte sich, was sich wohl in diesem Zeitraum für die Kinder verändert haben wird.

Dr. Michael Lichtblau von der Leibniz Universität Hannover hielt gemeinsam mit einer Mitarbeiterin einen Vortrag zur wissenschaftlichen Begleitung. Das Referat mit dem Titel „Eine inklusive Kita für alle gemeinsam gestalten“ legte unter anderem dar, dass sich Inklusion nicht auf die Heterogenitätsdimension „Behinderung“ beschränke. Inklusion sei vielmehr gleich zu setzen mit einem bildungspolitischen und gesamtgesellschaftlichen Paradigmenwechsel. Inklusion ginge zurück auf die Integrationsbestrebungen von Elterninitiativen der 1970er Jahre im Elementarbereich. Das Modellprojekt sei hoch innovativ, beispielhaft und stelle notwendige zusätzliche Ressourcen zur Verfügung.

Ort der Begegnung schaffen

Die Zielperspektive der dialogbasierten wissenschaftlichen Begleitung der drei Kitas auf dem Weg zur Inklusion sei es, Erkenntnisse in Bezug auf Wirksamkeit und Umfang der zusätzlichen Unterstützungsleistungen des Landkreises Göttingen zu generieren. Ebenso die Ableitung von Erkenntnissen für die Begleitung weiterer Einrichtungen, um so ein flächendeckendes inklusives Kita-System zu entwickeln. Man wolle während des gesamtes Zeitraumes im Dialog miteinander sein. Außerdem würden zwei Fortbildungen pro Jahr in den Einrichtungen stattfinden.

Die Wissenschaftler gaben den Erzieherinnen und Erziehern zum Abschluss ihrer Ausführungen noch Tipps mit auf ihren Weg: „Feiern Sie die Erfolge und schaffen Sie einen Ort zur Begegnung gesellschaftlicher Vielfalt. Behalten Sie einen realistischen Blick für das Mögliche, aber wagen Sie auch Experimente!“ Am Nachmittag nutzten die Kindertageseinrichtungen die Gelegenheit, sich während eines Workshops mit dem Modellprojekt auseinanderzusetzen und sich zu vernetzen.

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