Lerbach. Das Unternehmen Schubert und Karnebogen wurde 1899 in Lerbach gegründet und 1979 geschlossen. Die bewegte Geschichte der Gelbgießerei aus dem Harz.

Im Jahr 1789 wurde auf Veranlassung von Berghauptmann von Rheden die Königlich-Kurfürstliche-braunschweigisch-lüneburgische Eisenhütte mit Eisenstein- und Schlackenpochwerk und Hochofen erbaut. Das urkundlich 1551 gegründete Bergdorf Lerbach, damals von Eisensteinbergleuten, Waldarbeitern und Köhlern bewohnt, wurde ein Wirtschaftsbetrieb mit steigender Industrie. Heute erinnern die postalischen Bezeichnungen Hüttenbrink, Eisenhüttenweg und Hüttenplatz (Bushaltestelle) an die Industrie. Aber auch Privatbetriebe siedelten sich „Auf der Hütte“ im Unterdorf an, so auch die Gelbgießerei Schubert und Karnebogen.

Auf der Bergwiese zwischen dem Schafmeistertal und dem heutigen Bergfriedhof gründeten die Gelbgießer Wilhelm Schubert und Fritz Karnebogen am 1. April 1899 eine kleine Gelbgießerei und begannen mit der Produktion von Gusswaren für Optik, Mechanik und Nautik. Das Königliche Amtsgericht in Osterode veröffentlichte in einer Anzeige vom 6. April 1899 die Bekanntmachung, dass im Handelsregister auf Blatt 424 die Firma Schubert & Karnebogen als offene Handelsgesellschaft im Niederlassungsort Lerbach eingetragen ist.

Transport der Erzeugnisse mit Hundegespann

Bereits 1904 musste das Betriebsgebäude vergrößert werden. Durch Errichtung einer Windturbine wurde eine eigene Stromversorgung geschaffen. Der Transport der Fertigerzeugnisse nach Osterode und Umgebung erfolgte mit einem Hundegespann.

Als dem Mitbegründer Wilhelm Schubert die Befugnis zur Ausbildung von Lehrlingen im Metallgießerhandwerk verliehen wurde, entwickelte sich die Firma schnell zu einem bekannten Lehrbetrieb für Former.

Das Firmengebäude um 1970, links: Formerei und Gießerei, rechts: Neubau mit Wohnung im Erdgeschoss. Heute stehen hier auf der sogenannten Gärtnerwiese Wohnhäuser.
Das Firmengebäude um 1970, links: Formerei und Gießerei, rechts: Neubau mit Wohnung im Erdgeschoss. Heute stehen hier auf der sogenannten Gärtnerwiese Wohnhäuser. © Rainer Kutscher

Das Unternehmen hatte nach dem ersten Weltkrieg unter der allgemeinen Metallverknappung und der Inflation zu leiden. Ein wirtschaftlicher Aufschwung setzte wenige Monate vor dem 25-jährigen Betriebsjubiläum ein, nachdem 1924 die Währung auf Reichsmark umgestellt wurde.

Absatzgebiete Thüringen, Sachsen und Brandenburg fallen weg

Die Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 brachte neue Schwierigkeiten, doch in den 30er Jahren erfolgte eine stete Aufwärtsentwicklung, sodass 1938 die Formerei und Büroräume neu gebaut und auch das Betriebsgebäude wesentlich vergrößert wurden. Nach dem Tod des Firmengründers Wilhelm Schubert am 4. Februar 1939 trat sein Sohn Wilhelm in die Firma ein. Wie fast alle Betriebe im 2. Weltkrieg wurde auch diese Firma zur Ausführung von Rüstungsaufträgen herangezogen. Im April 1945 kam die Produktion vorübergehend zum Erliegen, wurde aber schon im Herbst wieder aufgenommen. In den Folgejahren musste ein neuer Kundenkreis gefunden werden, durch die Teilung Deutschlands waren Absatzgebiete in Thüringen, Sachsen und Brandenburg weggefallen.

Renoviertes Firmenschild in der Lerbacher Heimatstube.
Renoviertes Firmenschild in der Lerbacher Heimatstube. © Rainer Kutscher

Bereits beim 50-jährigen Betriebsjubiläum am 1. April 1949 zeichnete sich in Folge der Währungsreform vom 20. Juni 1948 ein wirtschaftlicher Aufschwung ab. Als am 14. Januar 1954 der Firmengründer Fritz Karnebogen starb, trat sein Sohn Fritz († 1997) in die Firma ein.

Arbeitsplätze für rund 20 Mitarbeiter

Im Jahr 1955 wurden die alten Schmelzöfen und Trockenkammern von Koks- auf Ölfeuerung umgestellt sowie halbautomatische Formmaschinen in Betrieb genommen. Zum Kundenkreis zählten namhafte Firmen des Schiffsbaus.

Die Belegschaft im Jahr 1912.
Die Belegschaft im Jahr 1912. © Archiv | Rainer Kutscher

Wilhelm Schubert erlebte das 75-jährige Jubiläum nicht mehr, er starb am 13. März 1971 im Alter von 72 Jahren, für ihn trat seine Ehefrau Berta, geb. Bierhance in die Firma ei

1979 wurde der Betrieb, der 80 Jahre durchschnittlich für 20 Personen einen Arbeitsplatz geschaffen hatte, geschlossen. Betriebsangehörige fanden einen neuen Arbeitsplatz u.a. in der Metallgießerei Heine-Nachfolger, Inhaber Alfred Schubert KG.

Festschrift zum 75-jährigen Betriebsjubiläum

Zum 75-jährigen Betriebsjubiläum 1974 wurde eine Festschrift erstellt. Der technische Fortschritt wurde in einem Rückblick und Dank an die Mitarbeiter lobend erwähnt. Oftmals arbeiteten Vater und Sohn im Betrieb (z.B. Ernst und Günter Rose, Alfred und Willi Hahn). Beim Jubiläum konnten Formeneinrichter Ernst Rose auf 38 Jahre, Martin Riechers auf 45 Jahre, Kurt Bierbaum auf 27 Jahre und Hubert Ott auf 22 Jahre Betriebszugehörigkeit zurückblicken.

Die Gießereihalle ist 2002 für den Abriss leer geräumt.
Die Gießereihalle ist 2002 für den Abriss leer geräumt. © Lutz Karnebogen

Aber im Jahr 2002 wurde der gesamte Gebäudekomplex abgerissen. Auf dem Gelände und der sogenannten Gärtnerwiese wurden Wohnhäuser gebaut. Im Lerbacher Heimatmuseum im Raum über Bergbau und Hüttenbetrieb sind Fotografien und Exponate ausgestellt.

Ein Auszug aus der Festschrift zum 75-jährigen Betriebsjubiläum über die Entwicklung lautet:

„Heute wie vor 75 Jahren arbeitet die Firma unter dem Leitsatz, dass Qualität begehrt bleibt und sich immer durchsetzen wird. Sie stellt Leicht- und Schwermetallguß für allerhöchste Ansprüche her. Zum Kundenkreis zählen namhafte Firmen des Schiffsbaues, des Maschinenbaues und des Apparatebaues. Es werden Gussteile von nur wenigen Gramm bis zu 150 kg Gewicht hergestellt. Das Programm umfasst ferner magneteisenfreien Spezialguß für den Bau von Navigationsgeräten. Der technische Fortschritt wird uns vor immer neue Aufgaben stellen. Wir wollen uns eifrig bemühen, sie zu lösen.

Rückblickend auf die vergangenen 75 Jahre danken wir allen Freunden unseres Hauses für das uns entgegengebrachte Vertrauen. Wir danken auch unseren Mitarbeitern und besonders denen, die uns ein ganzes Arbeitsleben lang treu zur Seite standen. Das Vertrauen unserer Freunde und die Treue unserer Mitarbeiter sind uns Verpflichtung und Ansporn zugleich.“

Die Belegschaft 1949 beim 50-jährigen Betriebsjubiläum.
Die Belegschaft 1949 beim 50-jährigen Betriebsjubiläum. © Lutz Karnebogen