Förste. Der Erzählkreis Förste bei Osterode am Harz blickt zurück: Von Tanzabenden und Saturday Night Fever beim „Rioseco Twist-Club“.

Der Erzählkreis der heimatkundlichen Dorfgemeinschaft Förste-Nienstedt e. V. trifft auf reges Interesse. Jüngst erinnerte er daran, wie der Twist nach Förde kam.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebte das öffentliche Leben wieder auf. Tanzveranstaltungen hatten einen hohen Stellenwert. Es war selbstverständlich, dass Kapellen bei jeder Veranstaltung zur Unterhaltung beitrugen. In Förste spielten die Feuerwehr, die Kapelle um den Nienstedter Karl Zellmann und die Bari Combo. Später noch das ASS Quintett und die Arno Ringmann Kapelle.

Mit der nachfolgende Generation änderte sich die musikalische Ausrichtung dann radikal. Über den Äther drang die Kunde vom Twist und Rock’n Roll aus den USA und England bis ins Sösetal. Doch wie konnte man in Förste die jungen Leute und die neue aufregende Musik zusammenführen?

Idee im Spanien-Urlaub entstanden

Claus Küster bemerkte rückblickend: „Förste war zu Beginn der 60er ein beschaulicher Ort. Außer sportlichen Aktivitäten wurde für uns nicht viel geboten. Da war es ein Glücksfall, dass ich im Sommer 1962 meinen Freund Peter Kraus in den Zelturlaub nach Spanien begleiten durfte. Costa Brava statt Steinhuder Meer! Wer konnte sich das damals schon leisten? Unter der südlichen Sonne und angeregt durch die spanischen Lebensfreude schlugen unsere Gedanken Purzelbäume. 1500 km von Förste entfernt, kam uns spontan die Idee, etwas gegen die heimatliche Tristesse tun zu müssen. Ein Twist-Club in Förste wäre die Lösung aller Probleme“, lautete die Erkenntnis. „Es fehlte ein Name mit internationalem Flair. Am Campingplatz lag ein ausgetrocknetes Flussbett namens „Rio Seco“. Mit der spanischen Anleihe hieß der Club ab sofort ,Rioseco Twist-Club’, abgekürzt RTC“.

Wieder daheim, wurde Otmar Ahrens ins Boot geholt. Den Clubraum steuerten Peter Kraus Eltern mit dem am Lehrerhaus stehenden Kohlenschuppen bei. Tonbandgeräte, Plattenspieler, Eierkartons, ein ausgedientes Sofa, Tische und Stühle vervollständigten das Inventar.

Jugenddisco entstand in kurzer Zeit

Der Zuspruch wurde größer und das Raumangebot kleiner. Mit Kultwirt Kalle Mönch kam 1963 die Rettung: Er konnte überzeugt werden, im Schwarzen Bären seinen wenig genutzten Saal zur Verfügung zu stellen. Mit Improvisationskunst und mit dem Kreisjugendring Osterode entstand in kurzer Zeit die Jugenddisco des RTC. Schnell sprach sich in Südniedersachsen herum, dass in Förste „der Bär steppte“.

Weiteren Zuspruch fand die Disco durch Bandauftritte. Peter Kraus wurde in Hannover auf die Band namens „Cliff Cenneth and the Lights“ aufmerksam. Deren Auftritte in Förste wurden legendär. Am 1. Mai 1964 befand sich Erich Storz, bundesweit eher „Mit der kleinen Bimmelbahn“ bekannt, als Gast unter den Zuhörern. Bereits eine Woche später produzierte er mit der Band im Hamburger Tonstudio deren erste Single. In Förste fiel maßgeblich der Startschuss für eine bis heute andauernden Karriere. Der Leadsänger Eberhard Jupe tritt z. B. am 16. Dezember 2022 in der Osteroder Stadthalle auf.

In den Nachbarorten Badenhausen, Eisdorf, Westerhof und Bad Grund wurden zusätzliche Jugend-Discos organisiert. Besonders in Badenhausen waren die Freunde um Udo Tilch sehr engagiert. Auch hier war der Zuspruchgroßartig.

Erfolgsgeschichte im Schwarzen Bären

1965/1966 gab es im des RTC persönliche Veränderungen. Die Aktivitäten kamen zum Erliegen. Schnell fanden sich mit Bernd Niebuhr und Harald Münchow zwei aufstrebende DJs, welche die Lücke füllen wollten. Beide fanden im Schwarzen Bären anfangs kein Gehör. So wichen sie nach Dorste aus. Ihr großer Erfolg blieb in Förste nicht unbemerkt. Kalle Mönch erkannte die Möglichkeit eines dauerhaften Discobetriebs im eigenen Haus. Kurz darauf startete der RTC mit neuem Namensinhalt (Ryth‘m Teenage Club). „Anfangs hatten wir nur den Idealismus, aber kein Geld“, erinnerte sich Geschäftsführer Arno Ringmann. Wieder wurde der Saal mit ausgefallenen Ideen und handwerklichem Geschick discofähig hergerichtet. Das Erfolgskonzept der Vorgänger wurde übernommen. Die im vierzehntägigen Rhythmus auftretenden Bands sorgten für ein übervolles Haus.

14-tägig stattfindende Bandauftritte

„Die großen Gigs fanden aus Platzgründen sogar in der Mehrzweckhalle statt. An den freien Wochenenden führten wir Tanzwettbewerbe durch. Eigentlich waren wir damit die Erfinder von „Let’s Dance. Unser mehrwöchiger Gesangswettbewerb, seit Jahren fernsehtauglich als „Deutschland sucht den Superstar“ aufbereitet, war ebenfalls ein Publikumsrenner“, so Ringmann. „Die Durchführung der 14-tägig stattfindenden Bandauftritte verbreitete sich in Musikerkreisen flächendeckend. Jede Band fühlte sich zu einem Auftritt im RTC berufen. Deren Abordnungen standen regelmäßig abends vor meiner Wohnungstür und erbaten ein Engagement im RTC. Alles in allem war es eine spannende, auf Dauer auch anstrengende Zeit. Ich musste aus privaten Gründen etwas kürzer treten, Da traf es sich gut, dass 1971 mit Willi Ahrens ein perfekter Nachfolger meinen Part übernahm. DJ Harald Münchow verließ ebenfalls die Discobühne. Anschließend bildete Bernd Niebuhr mit Dietmar Sohns über lange Jahre ein erfolgreiches Discjockey-Gespann im RTC“.

Rückblickend war Ringmann besonders auf die gut funktionierende soziale Kontrolle stolz. „Der RTC stand gleichbedeutend für größtmögliche Sicherheit und Geborgenheit. Eltern, deren Kinder unsere Disco besuchten, sollten die Gewissheit haben, dass ihr Nachwuchs in guten Händen war“, betont er. Dieser Aspekt trug nicht unerheblich zum Anfangserfolg des RTC bei. Nicht unerwähnt soll eine weitere Discoepisode bleiben.

Zweite Discothek in Förste eröffnet

Aufgrund des andauernden Erfolges vom RTC eröffneten Gleichgesinnte in den siebziger Jahren mit dem Parabel Club eine zweite Discothek in Förste. Trotz anfänglicher Erfolge konnte sich die im ehemaligen Kinosaal des Goldenen Löwen befindliche Disco nur für kurze Zeit am Markt behaupten.

Dafür gelang dem Wirt der Gaststätte einige Zeit später ein großer Coup. Er konnte eine Livesendung des NDR Radios mit dem Stargast Howard Carpendale nach Förste holen. Wieder einmal war die Mehrzweckhalle ausverkauft. Und kaum zu glauben, damals erklärte Howi dem Publikum, dass er im Grunde genommen ein Rock’n Roller sei. Erst nach einem rockigen Medley widmete er sich anschließend dem schönen Mädchen von Seite eins.