Lerbach. Bergdorf schützte Äcker und Wiesen mit einem Wildgatter vor Wildschäden. Mangelhalber Tor am Harzer Hexenstieg erinnert als symbolischer Zeitzeuge.

Im Bergdorf Lerbach waren die Arbeit im Eisensteinbergbau und in der Forstwirtschaft mit Köhlerei sowie in der Eisenhütte die dominierenden Erwerbsquellen. Ein wichtiger und notwendiger Nebenerwerb war die Haltung von Kühen „Harzer Rotes Höhenvieh“ sowie Ziegen und Schweinen. Für die Ernährung der meist großen Familien, insbesondere Winterheu für Milchertrag und Kartoffeln wurden Waldbestände an den Berghängen abgeholzt. Wiesen und Kartoffeläcker und Gärten mit Obstbäumen entstanden und beherrschten das Dorfbild im langen Tal.

175 Stück Hornvieh im Jahr 1873

Die Viehweide war mit dem Hut- und Weiderecht gesichert. Das Rotvieh befand sich von Mai bis Oktober mit dem Gemeindehirten mit täglichem Austrieb im Wald. Die Weidegrenzen zu den Nachbarorten Buntenbock und Freiheit wurden mit Grenzsteinen festgelegt. 1859 lebten im Lerbachtal 1.659 Einwohner in 123 Wohnhäusern. Bereits 1784 wurde das Hirtenhaus als Wohnung des Gemeindehirten mit Stall für den Bullen gebaut.

Der Betrieb der Viehwirtschaft fanden bis in die 50er Jahre und der letzte Kuhaustrieb 1962 mit dem Hirten Bruno Arend statt. Auch die Kartoffeläcker wurden aufgegeben und vom Wildgatter um Lerbach spricht heute keiner mehr. Dieses war ein Bauwerk aus Fichtenstangen mit einer Länge von 20 bis 25 Kilometer.

Um das Rotwild, Rehe und Wildschweine von der „Miternte“ von den Wiesen und Äckern fernzuhalten, entschlossen sich die Lerbacher schon vor 1900 die freien Flächen einzugattern. Dies geschah mit Zustimmung der Berg- und Forstbehörde und Kommunalverwaltung sowie Mitwirkung der Realgemeinde, welche das Hut- und Weiderecht besaßen. Die 1885 gegründete Realgemeinde war eine Weidegenossenschaft mit weidepflichtigen Grundstücken in der Feldmark mit 500 Morgen (= 31 Hektar) Land. Das Gatter wurde aus Fichtenstangen mit eine Höhe von zwei Metern gebaut. Wo Wege in den Wald führten, wurden Tore eingebaut. Das bekannteste ist das Mangelhalber Tor. Laut dem Namensforscher Bahlow wird „mang“ als sumpfige Niederung bezeichnet, wäre also Tor am Berghang über einen kleinen Sumpf.

Das Mangelhalber Tor wurde 1992 am historischen Ort am Hundscher Weg zur Erinnerung an das alte Wildgatter um Lerbach aufgestellt.
Das Mangelhalber Tor wurde 1992 am historischen Ort am Hundscher Weg zur Erinnerung an das alte Wildgatter um Lerbach aufgestellt. © Rainer Kutscher

Das Mangelhalber Tor befindet sich auf dem Hundscher Weg – Hoher Weg (eine der ältesten Harzstraßen) – Königsstraße, genutzt als Handels- und Versorgungsweg mit Verlauf von Osterode zum Oberen Huttal über den historischen Salzstieg bei Altenau – Ahrendsberg – nach Harzburg.

1992 hat der langjährige Wegewart des Harzklub-Zweigvereins Lerbach, Wilfried Bügener, mit dem ehemaligen Haumeister der Revierförsterei Lerbach Karl Schönfelder und weiteren ehrenamtlichen Helfern das Tor wieder symbolisch aufgebaut. Eine Tafel beschreibt die Geschichte des Tores und eine Dennert-Tanne informiert über den Hundscher Weg. Eine kleine, 2008 erbaute Hütte neben dem Tor lädt die Wanderer am Harzer Hexenstieg zur Rast ein.

In den Lerbacher Heimatblättern Heft 4 und 5 hat Wilfried Bügener den Verlauf des Wildgatters und seine Tore beschrieben. Der 1933 in Lerbach geborene hat sich aktiv um die Erhaltung historischer Anlagengekümmert und war 1992 Gründungsmitglied der Heimatstube Lerbach. Er schreibt: „Ein Gatter begann im Mühlental am ehemaligen Kurgarten, seit 1994 Freilichtmuseum. Es ging am Wasser hoch bis zum Waldrand, dann hoch zum Hoppenberg. Hier war das erste Tor für die Wanderer. Weiter rechts vom Weg bis zur Königsecke winkelte es hier wieder rechts ab am Waldrand bis ins Schafmeistertal, weiter zum heutigen Friedhof, hinter den Häusern am Degenkopfweg, Lindnerwiese bis an die Straße gegenüber dem ehemaligen Grundstück von Walter Klie. Auf der anderen Straßenseite ging es immer am Waldrand entlang bis zum Eichental, heute Autohaus Tschuk. Dazu muss man wissen, dass der gesamte Hengstrücken und der Vogelherd sowie die obere Baumhofstraße Getreidefelder, Kartoffeläcker oder Wiesen waren.

Kleines Holztor am Wanderweg.
Kleines Holztor am Wanderweg. © Rainer Kutscher

Nach Kriegende 1945 konnte Wild, vor allem Schwarzwild, nicht mehr bejagt werden, da den Deutschen Waffenbesitz untersagt war. So musste man tatenlos ansehen, wie sich Schwarz-, Rot- und Rehwild ständig vermehrten und die Wildgatter regelrecht belagerten und sogar an vielen Stellen durchbrachen, um auf den Äckern zu äsen. Schwarzwild, also Wildschweine, hat ganze Äcker Reihe für Reihe umgebrochen und sogar frisch gepflanzte Kartoffeln wieder ausgegraben und aufgefressen.

Fallen für Wildschweine

Wie wichtig diese Gatter damals waren um Wiesen, Äcker und Gärten zu schützen, kann wohl heute niemand mehr nachvollziehen. So entschloss man sich, Fallen zu bauen, vor allem für Wildschweine. Ich kann mich noch an solch eine Falle erinnern die damals oberhalb vom Eichental gebaut war und mit der viele Wildschweine gefangen wurden.

Ein weiteres Gatter begann am Adamsberg an der alten Straße oberhalb der Brandstelle, immer am Waldrand entlang zur alten Harzstraße, heute hinter dem Altenheim Haus Talblick. Hier war ein großes Tor für Fuhrwerke und ein kleines für Fußgänger. Weiter ging es an den Wiesen am Sonnenschein entlang hinunter ins kleine Bremke. Hier war wieder ein Tor. Weiter führte das Gatter über den Dürrenkopf ins große Bremke. Wieder ein großes Tor! Weiter ging es um den gesamten Hohen Bleek, zum Eulenspiegel bis zum Sonnenkopf, wo viele Äcker und Wiesen waren. Dann ging es an der Straße im großen Bremke entlang bis zum ehemaligen Sportplatz von Freiheit. Hier befand sich wieder ein großes Tor für Fuhrwerke und ein kleines für Fußgänger. Das Gatter ging dann hoch bis oberhalb des Freiheiter Schützenplatzes, überquerte die alte Harzstraße mit einem weiteren Tor und endete in etwa am Branntweinstein/Obere Baumhofstraße.

Verlauf im Oberdorf

Am Sommerbergweg war von der Brandstelle bis zum Kuhkolk trotz der vielen Wiesen und Äcker kein Gatter. Jagdliche Interessen standen hier im Vordergrund. ... Die Gemeinde oder der Jagdpächter hatten wohl nicht genug Geld, um ein ca. 2 km langes Gatter zu bauen. So haben dann die Eigentümer der Grundstücke ihre Äcker und Gärten selbst eingezäunt. Wenn hier durch Wild Schaden entstand, mussten diesen die Jagdpächter bezahlen.

Auf Hundscher Weg und Langenkopf verlief das Gatter zum Mangelhalber Tor.
Auf Hundscher Weg und Langenkopf verlief das Gatter zum Mangelhalber Tor. © Rainer Kutscher (Archiv) | Ernst Bode

Doch nun weiter mit dem Verlauf der Gatter. Es begann im Kuhkolk hinter den Wiesen ging hinüber zum Kleeberg, immer an den Buchen entlang. Es überquerte den Kleeberg etwa 100 m über dem Kleebergstollen. Für Fuhrwerke und Fußgänger war ein Tor eingebaut. … Es ging über den blauen Busch, Teufelszeche zum Haberwiesenkopf und weiter hinunter zum Mühlenteich. Hier winkelte es ab in Richtung Schwimmbad. Ein Tor für Fußgänger war vorhanden. Von dort aus zur Kleinen Wiese – Kunzenloch. Bis hier stand das Gatter immer auf der Grenze zwischen Forst- und Gemeindeeigenen Grundstücken. Ab dem Kunzenloch bei den Ellern ging es weiter über den Kunzenlochweg, weiter zum Steinbruch. … Von dort aus verlief das Gatter durch das Eschnertal über die Langenköpfe hinauf bis zum Hundscher Weg, winkelte hier ab, bis zum bekannten Mangelhalber Tor. Dieses war eines der bekanntesten Tore, was bis in der heutigen Zeit noch jedem Lerbacher in Erinnerung ist.

Weiter ging das Gatter immer am Hundscher Weg entlang, dann über den Bärenkopf steil die Schneise hinunter. Verlief über die Roten Sohle. und weiter zur Körnigsecke, überquerte die Rote Sohle um Hoppenberg im Schafmeistertal. ...

Die Gatter wurden ständig kontrolliert. Hier waren in der Hauptsache die Waldarbeiterlehrlinge für zuständig.“

Zum Kartoffelacker

Ich kenne auch noch das Gatter im oberen Mühlental unterhalb der Körnigsecke am Grünen Platz. Hier bewirtschaftete seit Generationen die Familie Kutscher eine Wiese und Kartoffelacker, später wurde noch ein eingezäunter Gemüsegarten angelegt. Als Schuljunge hatte ich von meiner Mutter den Auftrag nach der Schule zum Garten zu kommen um Stachel- und Johannisbeeren zu pflücken. Eine undankbare Aufgabe war auf dem Kartoffelland (1.500 Quadratmeter), Kartoffelkäfer in einem Becher zu sammeln.

Das Wildgatter war inzwischen mit einem Drahtzaungeflecht ausgestattet und das kleine Tor zum Hoppenberg wurde mit einem Metallriegel gesichert.

Am Grünen Platz oberhalb des Hopfenberges und der Schweinehecke im Sommer 1951. Der Autor Rainer Kutscher schaut als Fünfjähriger aus dem Fenster der kleinen Bude.
Am Grünen Platz oberhalb des Hopfenberges und der Schweinehecke im Sommer 1951. Der Autor Rainer Kutscher schaut als Fünfjähriger aus dem Fenster der kleinen Bude. © Rainer Kutscher (Archiv)

In den fünfziger Jahren weidete die Kuhherde oft in der Schweinehecke und der Kuhmist wurde in Holzkiepen zum Kartoffelland als Dünger getragen. Zwischen unserem Garten und Kartoffelland haben mein Vater und sein Bruder eine kleine Bude zum Schutz vor Regen gebaut. Auf einem kleinen Klapptisch habe ich manchmal meine Schularbeiten gemacht.

Das Kartoffelland und den Garten gibt es nicht mehr, die Wiesen werden heute von Schafen beweidet und sind somit ein wertvoller Beitrag um Verbuschung zu vermeiden.

Es bleibt die Erinnerung an eine schöne Jugendzeit in Wald und Flur.