Osterode, Lasfelde, Herzberg. Energiekrise und Inflation: Pizzabäcker Pietro Giordano aus Osterode rechnet vor, was eine Pizza derzeit kosten müsste. Und bleibt realistisch.

Langsam wölbt sich der Teigrand nach oben, nimmt eine schöne goldbraune Farbe an. Der Käse wirft kleine Blasen in der Backofenhitze, zart zergeht er über der würzigen Tomatensauce. Die Pizza ist fertig. Schon schiebt Pietro Giordano den Pizzaheber in den Ofen und verfrachtet den dampfenden Fladen in einen flachen Pappkarton.

Lecker, schnell zubereitet und vor allem günstig – dank dieser Eigenschaften ist der Klassiker der italienischen Küche auf der ganzen Welt bekannt und beliebt, wurde im Jahr 2017 sogar zum Weltkulturerbe erklärt. Als Arme-Leute-Essen – denn als solches wurde der ursprünglich nur mit Öl beträufelte Teigfladen im 18. Jahrhundert erfunden – gilt die Pizza aber schon lange nicht mehr. Schon gar nicht in Zeiten der Inflation. Wegen der steigenden finanziellen Belastung im Alltag sehen sich aktuell immer mehr Menschen gezwungen, auf nicht essenzielle Ausgaben zu verzichten. Dazu gehört für viele auch das Essen vom Pizzaservice.

Zutaten werden immer teurer

Auch Giordano spürt das. Der Gastronom aus Apulien betreibt die Pizzeria „La Famiglia“ im Osteroder Stadtteil Lasfelde. „Es kommen um ein vielfaches weniger Kunden“, beschreibt er die aktuelle Lage. Die Inflation ist angekommen in den Geldbeuteln der Bürgerinnen und Bürger. 120 bis 150 Pizzen wandern laut seiner Schätzung täglich in einer gut laufenden Pizzeria aus den Öfen in die Kartons und auf die Teller der Kundinnen und Kunden. Bei ihm sind es derzeit im Schnitt 30. Dabei leidet der Pizzabäcker selbst an den Folgen der Inflation – nicht nur beim privaten Einkauf.

Giordano rechnet vor: Ein 25-Kilo-Sack Mehl kostete vor einem Jahr noch rund 15 Euro, jetzt liegt er bei 25. Das Kilo Käse kaufte der Pizza-Bäcker für 3,50 Euro ein, nun sind es 6,90. Die große Dose Tomaten hat den Preis von rund 4 auf etwa 8 Euro verdoppelt. Thunfisch, Ananas, Oliven, Schinken – die Liste geht weiter. „Alle Zutaten sind deutlich teurer geworden, haben den Preis verdoppelt oder sogar mehr“, sagt Giordano.

Kein Ende in Sicht bei Lebensmittelpreisen

Pro Pizza heißt das konkret: „50 Cent für das Mehl, 1 Euro für Käse, 20 Cent für Tomaten, 50 Cent für Salami, macht 2,20 Euro. Um wirtschaftlich zu arbeiten und selbst auch noch etwas zu verdienen, müsste Giordano gemäß der in der Gastronomie üblichen Aufschlagskalkulation für Preise mindestens 8,80 Euro für die Salamipizza nehmen – Plus der Mehrwertsteuer, die in der Rechnung noch nicht enthalten ist. Aber fast 10 Euro für eine Pizza Salami? „Das geht doch nicht“, sagt der Mann aus Apulien. „Wenn man das Essen zu teuer macht, können es sich die Leute gar nicht mehr leisten.“ Ein Ende der Preisanstiege ist aktuell nicht in Sicht.

Pietro Giordano, Pizza-Bäcker in Lasfelde, erzählt, was eine Pizza angesichts der durch die Inflation gestiegenen Kosten für Zutaten eigentlich kosten müsste.
Pietro Giordano, Pizza-Bäcker in Lasfelde, erzählt, was eine Pizza angesichts der durch die Inflation gestiegenen Kosten für Zutaten eigentlich kosten müsste. © HK | Svenja Paetzold-Belz

Schon im Sommer hatten mehrere Umfragen in Deutschland ergeben, dass die Inflation das Konsumverhalten von Bürgerinnen und Bürgern stark beeinflusst. Günstigere Lebensmittel kaufen, Mahlzeiten ausfallen lassen, oder eben weniger Essengehen oder Bestellen, so wollen laut den Ergebnissen viele Menschen für Einsparungen in der Haushaltskasse sorgen.

Mindestlohn und Spritpreise

Dabei sind die steigenden Kosten für Lebensmittel und ausbleibende Kundschaft längst nicht alles, was die Gastronomen derzeit umtreibt. Auch die explodierenden Energiepreise reißen Löcher in viele Betriebskassen. Wegen der gestiegenen Papierpreise sind sogar die Kartons deutlich teurer geworden, sie kosten pro Stück im Einkauf derzeit etwa 35 Cent. „Und ich möchte für meine Arbeit ja auch bezahlt werden und nicht umsonst in der Küche stehen“, sagt Giordano, der froh ist, in seinem Familienunternehmen weder Personal noch einen Lieferdienst zu haben. „Dann kämen nämlich der gestiegene Mindestlohn und die steigenden Spritpreise hinzu.“

So ist es zum Beispiel beim „Pizza House“ in Osterode. „Wir haben vor einiger Zeit wegen der Spritpreise, aber auch mit Blick auf den Klimaschutz für unseren Lieferdienst ein E-Auto angeschafft“, sagt Mitarbeiterin Laura Weisbrich. „Da haben wir angesichts der steigenden Strompreise derzeit aber auch nicht viel gewonnen. Unsere beiden Benziner müssen wir eigentlich täglich tanken. Die Kosten dafür sind enorm gestiegen.“

12 Euro für eine Salamipizza?

Auch im Pizza House, in dem außerdem Burger auf der Karte stehen, macht sich die Inflation bemerkbar. Den Preisanstieg für die Zutaten, die das Team zum Teil von anderen regionalen Anbietern bezieht, könne man gar nicht auf die Kundinnen und Kunden umlegen. „Das ist auch eine Gewissensfrage“, sagte Weisbrich. „Natürlich kann man die Preise immer weiter erhöhen. Aber selbst wenn die Kunden bereit sind, das noch zu bezahlen, kann ich persönlich es nicht verantworten, 12 Euro für eine Salamipizza zu nehmen.“

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Das sieht auch Marco Vecchio so, Inhaber der Pizzeria „Mamma Mia“ in Herzberg. „Die Preiserhöhungen sorgen sicher dafür, dass sich der ein oder andere Gast überlegen wird, ob er im Lokal essen möchte. Auswärts essen zu gehen ist in dieser Zeit schon fast eine Art Luxus.“, sagt Vecchio, dem seine Steuerberatung dazu geraten habe, seine Preise um rund 10 bis 20 Prozent zu erhöhen. „Auch unser Personal ist im Privaten von den Preiserhöhungen für Strom und Gas betroffen und benötigt mehr Geld.“

Optimistisch bleiben mit Außer-Haus-Verkauf

Wie sich die Kostensteigerung für das Restaurant genau entwickle, würden die Abrechnungen für Oktober und November zeigen. „Ich befürchte, dass einige Restaurantkollegen nach der bereits anstrengenden Corona-Zeit nicht überstehen könnten“, so der Inhaber, der trotz Absagen von großen Gesellschaften und Geburtsgasfeiern optimistisch bleiben möchte. „Corona hat uns gezeigt, dass ein Außer-Haus-Verkauf gut funktioniert und Kunden so beispielsweise an den Getränken sparen können“, so Ve­cchio.

Bis zu 150 Pizzen täglich wandern in guten Zeiten in einer Pizzeria im Schnitt in den Ofen.
Bis zu 150 Pizzen täglich wandern in guten Zeiten in einer Pizzeria im Schnitt in den Ofen. © HK | Svenja Paetzold-Belz

An welchen Stellen – abseits der Energiesparvorgaben des Bundes – die Pizzeria-Betreiber selbst noch sparen können, ist begrenzt. Das weiß auch Pietro Giordano. „Wenn ich einen weiteren Ruhetag einlege, um weniger Strom zu verbrauchen, fehlen mir die Einnahmen.“ Auch an der Qualität der Zutaten könne er unmöglich sparen – „Das merken die Kunden sofort“ – sagt der Italiener, der mit 22 Jahren das Pizzabacken in Apulien lernte, um im Restaurant seiner Mutter arbeiten zu können, und der für seinen traditionellen Teig eine bestimmte Mischung verschiedener Mehlsorten benutzt, die er aus mehreren Mühlen bezieht. „Früher hat man mit dem Pizzabacken gutes Geld verdient. Aber das ist vorbei.“

„Staat sollte Preise blockieren“

Erst im Mai hatte der kleine Familienbetrieb die Preise – unter anderem wegen der Belastungen durch die Corona-Pandemie – anheben müssen und war bei der Kundschaft allgemein auf Verständnis gestoßen – noch. Obwohl Abhol- und Lieferdienst anders als Bars und Restaurants in der Corona-Krise vergleichsweise gut wegkamen, haben auch sie mit den Nachwirkungen zu kämpfen.

Viele Bekannte aus der Branche, so berichtet Giordano, müssten derzeit zusätzlich zu allen Belastungen auch noch die Coronahilfen aus dem Frühjahr 2020 zurückzahlen. Mit der Corona-Soforthilfe im Frühjahr 2020 hatten Liquiditätsengpässe in den ersten drei Monaten nach Antragstellung überbrückt werden sollen. Nachträgliche Überprüfung bei vielen Solo-Selbständigen und Kleinunternehmen durch die Förderbanken ergaben aber, dass der Anspruch in vielen Fällen aus verschiedenen Gründen gar nicht gerechtfertigt war. Daher müssen viele Betriebe die Soforthilfen derzeit zurückzahlen.

Statt Rückforderungen zu erheben, sieht Pietro Giordano den Staat in der Pflicht, Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen zur Seite zu stehen. „Der Staat sollte die Preise blockieren“, sagt er. „Und Spekulationen an der Börse unterbinden.“ Optimistisch bleiben der Italiener und seine Familie trotz allem. „Wir machen auf jeden Fall weiter, trotz der angespannten Situation. Dass wir regelmäßig neue Kundschaft gewinnen können, gleicht die steigenden Preise aus.“