Osterode. Bessere (Aus)Bildung, ein digitales Niedersachsen und weniger Bürokratie: Das versprechen die Liberalen zur Landtagswahl 2022 in Niedersachsen.

Hochgewachsen, sportlich und mit einem energischen Glänzen in den Augen blickt er fest in die Kamera. Sein Instagram-Profil ist auch sonst voll mit Fotos schöner, junger Menschen – er mit Freunden beim Club-Urlaub am Strand, beim Training im Gym, beim Meeting im Co-Working-Space, wo sich das Team seines eigenen Start-ups bei Hafer-Lattes aus nachhaltigem Anbau über die ambitionierten Ziele für den nächsten Projekt-Sprint austauscht. Think big! Als Inbegriff von Niedersachsens Nachwuchs ist er leistungsfähig, zukunftsgewandt und voller Energie.

Wäre das Programm der FDP für die Landtagswahl 2022 ein Mensch, dann würde er vielleicht so aussehen wie in diesem fiktiven Beispiel. Ja, keine Frage. Wen die Freien Demokraten mit ihrem Papier ansprechen wollen, ist klar: Sie sind auf Stimmenfang bei einer jungen, digitalen Wählerschaft, sie greifen nach der niedersächsischen Elite von morgen.

Investitionsoffensive für Bildung

Schon in der Wortwahl gibt sich die Partei kernig. Von „Digitalisierungsoffensive“ ist da die Rede, Worte wie „Investitionsturbo“, „Exzellenz­status“ und „Energie-Import-Multihub“ tauchen auf.

Exzellenz, das ist überhaupt das Stichwort. Zumindest im Bezug auf Bildung, die die Freien Demokraten an die Spitze stellen – zumindest auf dem Papier. So erklärt die FDP im ersten Punkt des ersten Kapitels auf knapp 10 Seiten, wie sie Niedersachsen durch „Chancen und Bildung“ fit für die Zukunft machen will. Mehr Betreuer für Kindertagesstätten, digital bestens ausgestattete Schulen mit kleineren Klassen und besser bezahlten und besser ausgebildeten Lehrkräften – das sind nur einige der vollmundig klingenden Vorhaben.

Online-Diskussion zur Landtagswahl 2022 in Niedersachsen

Am Dienstag, 27. September, veranstalten wir ab 18 Uhr eine digitale Podiumsdiskussion mit den Landtagskandidaten unseres Wahlkreises.

Senden Sie uns gerne Ihre Frage per Mail an redaktion-harzkurier@funkemedien.de oder per Post an Harz Kurier Redaktion, Gipsmühlenweg 2-4, 37520 Osterode am Harz. Betreff: „Wahldiskussion“.

Bitte schreiben Sie dazu, ob Ihre Frage an alle oder nur an einzelne Kandidaten geht. Bitte teilen Sie uns außerdem mit, ob Sie mit der Nennung Ihres Namens einverstanden sind.

Am Abend der Diskussion haben Sie außerdem die Möglichkeit, Ihre Fragen unter der Nummer (05522) 3170-444 zu stellen. Da wir nur eine Leitung zu Verfügung haben, bitten für eventuelle Wartezeiten um Verständnis.

Die Diskussion wird live auf harzkurier.de und der Facebook-Seite des Harz Kurier übertragen. Auch dort haben Sie über die Kommentar-Spalte die Möglichkeit, Fragen zu stellen.

Wegen der begrenzten Zeit für die Diskussion behält sich die Redaktion vor, eine Auswahl an Publikumsfragen zu treffen. Ähnliche Fragestellungen werden unter Umständen zusammengefasst.

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

Aber auch über Niedersachsens Hochschulen will die Partei ein Füllhorn an Verbesserungen ausschütten – allem voran eine Menge Geld für nötige Investitionen in bessere Studienbedingungen und bessere Vergütungsstrukturen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Leistung und das Engagement und nicht die soziale Herkunft der Studierenden“ solle über ihren Bildungserfolg entscheiden.

Klingt alles ganz gut. Die etwas weniger exzellenten, der Durchschnitt, wir ganz normale Menschen, die wir ja nun auch unsere bescheidenen Beiträge in der Gesellschaft leisten, sind auch immer irgendwie mitgedacht. Und vor allem denjenigen, die sich gegen ein Studium und für eine Ausbildung entscheiden. Zum Beispiel im Handwerk, in dem eklatanter Nachwuchsmangel herrscht. Wie will die Partei junge Menschen dafür begeistern, Sanitärinstallateur oder Bäcker zu werden? Man kann ja nicht auf alles Antworten haben.

Kampf gegen Bürokratie

Dass Leistung die eigenen Geschicke steuern soll, gilt bei den Liberalen übrigens auch für die ältere Bevölkerung, deren spezielle Belange weit weniger Platz im Programm haben. Immerhin neun Mal werden Seniorinnen und Senioren auf den 101 Seiten erwähnt. Sie werden selbst in die Verantwortung genommen beim Thema gesellschaftliche Teilhabe und sollen sich, zur Gewährleistung selbiger, bitteschön mehr in Vereinen engagieren. Wer braucht da schon eine höhere Rente. Außerdem sollen sie noch mal die Schulbank drücken, um nicht von den Entwicklungen der Zeit überholt zu werden: Digitalschulungen soll es zum Beispiel in Pflegeheimen geben. So werden Oma und Opa ruckzuck zu den neuen Coding-Genies von morgen ausgebildet.

Niedersächsische Landtagswahl im Wahlkreis 12

Im April hatten wir die Kandidatinnen und Kandidaten des Wahlkreises 12 (Göttingen/Harz) für die Landtagswahl in kurzen Interviews zu Wort kommen lassen und Ihnen Fragen zur jeweils aktuellen Welle des Niedersachsen-Check gestellt.

Lesen Sie dazu in dem Format:

Ali Abo Hamoud will seiner neuen Heimat Harz etwas zurückgeben

Jannik Föhrke möchte kaum gehörte Stimmen vertreten

Stefan Henkel möchte die ländliche Region stärken

Almut Mackensen möchte Politik für den Harz gestalten

SPD-Kandidat Saade- Für Weltoffenheit und Solidarität

Sie sind Seniorin oder Senior und wollen sich mit dem ganzen modernen Kram einfach nicht mehr auseinandersetzen? Tja, mit dieser Verweigerungshaltung könnten Sie bald dumm dastehen. Denn mit einer „Digitalisierungsoffensive“ möchte die Partei nicht nur für flächendeckend schnelles Internet sorgen, sondern vor allem der Deutschen Bürokratie zu Leibe rücken und nicht nur komplizierten Antragsprozessen, sondern auch dem Papier ganz allgemein den Kampf ansagen.

Das kennt man schon aus früheren Wahlkämpfen, das passt ins Instagram-Profil unseres fiktiven, personifizierten Wahl-Programms: „schlank“ soll er sein, der moderne Staat. Aus dieser Diätkur in deutschen Behörden kommt dann übrigens auch das ganze Geld für all die Investitionen in Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur, ohne dass Steuern erhöht werden oder die Schuldenbremse gelockert werden müsste.

Was ist mit Klima & Energie?

Und der Umwelt, Natur- und Klimaschutz? Ohne geht’s ja nicht, wenn man bei den Wählern heutzutage mehr als einen Blumentopf gewinnen will. Und deswegen will die FDP ihn natürlich auch. Aber bitte nur, wenn er sich den Bedürfnissen der Menschen und natürlich der Wirtschaft unterordnet. Knappe zwei Seiten widmet das Programm dem Klimaschutz.

Teilen muss er sich das Kapitel noch mit dem Thema Energie. Viel ist dort die Rede davon, sich auf die Folgen des Klimawandels einzustellen, sich anzupassen. Ursachenbekämpfung? Eher weniger. Schließlich – und das gilt im Wahlprogramm freilich immer da, wo der Wähler es gerne hört – will eine regierende FDP „ermöglichen statt verhindern“, will mehr Freiheit für alle, will auf Eigenverantwortung setzen statt auf Vorschriften. Denn das klappt ja auf deutschen Autobahnen auch schon so gut.