Osterode. Kernthema ist die soziale Gerechtigkeit: Mit diesem Programm tritt Die Linke zur Landtagswahl 2022 in Niedersachsen an.

Ach wäre das schön, fünf Prozent oder mehr, oder viele direkt gewählte Kandidaten und Kandidatinnen: Und dann Politik machen in Hannover. Doch man ahnt schon: Das wird schwer, schon gar mit derart polarisierenden Statements. „Politik verkommt zu einem Schmierentheater gebrochener Versprechungen. Statt Probleme nur auszusitzen, wollen wir Druck machen für einen sozial-öko-logischen Systemwechsel.“ Derart markig leitet Die Linke ihr fast 100-Seiten starkes Wahlprogramm für die Landtagswahl 2022 in Niedersachsen ein, holt zum großen Rundumschlag aus und fordert einen Politikwechsel statt Austausch von Ministerköpfen. „Systemwechsel“: Da läuten weithin die Alarmglocken.

Dabei sind es ihre bekannten Felder, die beackert werden, die Ungleichheiten in der Gesellschaft, die Schere zwischen Arm und Reich, die immer größer wird, die Gier großer Konzerne, während viele Menschen in existenzielle Notlagen gestürzt werden, bis hin zu einer verfehlten Atompolitik. Und zugegeben: An der Kritik ist einiges dran, was aber nicht viel heißt.

Tradition der Arbeiterbewegung

Die Linke kommt aus der Tradition der Arbeiterbewegung und sieht sich immer noch als Vertreterin von Menschen mit geringen Einkommen und prekären Lebenslagen. So ist das prägende Kernthema soziale Gerechtigkeit mit Arbeit, Bildung, mit Pflege, Steuern, Rente, Verkehr und Demokratie. Mehr Eigentum will sie in öffentlicher Hand wissen, setzt auf völlig neue Kooperation der Beteiligten in Staat und Wirtschaft und von starken zivilgesellschaftlichen Akteuren und Experten, um die Herausforderungen von Klimakatastrophe, Pandemien und sozialer Krise durch radikale Kurswechsel zu bewältigen. Vieles klingt durchaus sinnig, doch letztlich weit weg von der Realität. „Wir sind nicht wie jene Parteien, die sich devot den Wünschen der Wirtschaftsmächtigen unterwerfen und gerade deshalb kaum noch voneinander unterscheidbar sind. Und wir wollen auch nicht so werden“, beschreibt Die Linke im Wahlprogramm ihr Profil.

Und so ist die Bindung zu den Wählerinnen und Wählern in Niedersachsen gering, das ganze Füllhorn von Vorhaben für einen sozial-öko-logischen Systemwechsel scheint sich an den Menschen vorbei ins Leere zu ergießen. Gerade mal drei Prozent räumen jüngste Wahlumfragen der Partei ein, trotz guter Ansätze und wichtiger gesellschaftlicher Forderungen im Wahlprogramm, eine Prognose, die nicht gerade Mut macht und weit unter dem Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021 (4,9 Prozent).

Online-Diskussion zur Landtagswahl 2022 in Niedersachsen

Am Dienstag, 27. September, veranstalten wir ab 18 Uhr eine digitale Podiumsdiskussion mit den Landtagskandidaten unseres Wahlkreises.

Senden Sie uns gerne Ihre Frage per Mail an redaktion-harzkurier@funkemedien.de oder per Post an Harz Kurier Redaktion, Gipsmühlenweg 2-4, 37520 Osterode am Harz. Betreff: „Wahldiskussion“.

Bitte schreiben Sie dazu, ob Ihre Frage an alle oder nur an einzelne Kandidaten geht. Bitte teilen Sie uns außerdem mit, ob Sie mit der Nennung Ihres Namens einverstanden sind.

Am Abend der Diskussion haben Sie außerdem die Möglichkeit, Ihre Fragen unter der Nummer (05522) 3170-444 zu stellen. Da wir nur eine Leitung zu Verfügung haben, bitten für eventuelle Wartezeiten um Verständnis.

Die Diskussion wird live auf harzkurier.de und der Facebook-Seite des Harz Kurier übertragen. Auch dort haben Sie über die Kommentar-Spalte die Möglichkeit, Fragen zu stellen.

Wegen der begrenzten Zeit für die Diskussion behält sich die Redaktion vor, eine Auswahl an Publikumsfragen zu treffen. Ähnliche Fragestellungen werden unter Umständen zusammengefasst.

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

Zugegeben: Niedersachsen ist nicht das angestammte Revier der Partei. So versucht sich Die Linke zwar mit jungem, oft weiblichem Personal freizuschwimmen, scheitert aber an ihrem Anspruch, immer besonders radikal sein zu müssen. Dabei sind die Niedersachsen ja bekanntermaßen „sturmfest und erdverwachsen“ und haben somit nur wenig für radikale Vorschläge übrig, die per Definition Probleme an ihrer Wurzel packen wollen.

Seine Partei im Niedersächsischen Landtag über fünf Prozent zu bringen, wie ihr junger Kandidat für den Wahlkreis 12 Göttingen/Harz Jannik Föhrke die Herausforderung formuliert, scheint da in weiter Ferne. „Ich glaube, die Menschen in der Region sind ziemlich verunsichert. Jeden Tag erreichen uns tragische Nachrichten aus dem In- und Ausland. Sei es die Corona-Pandemie oder der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Menschen sehnen sich nach Stabilität und Verlässlichkeit. Wir als politisch Aktive stehen daher auch besonders in der Verantwortung, für eine klare Kommunikation zu sorgen und auf ein Hin und Her in der politischen Entscheidungsfindung zu verzichten“, nimmt er die Politik grundsätzlich in die Pflicht und ruft die eigene Partei zur Geschlossenheit auf.

Schaden durch Zank und Streit

Doch bundespolitisch ist der Schaden durch beständigen Zank und Streit angerichtet, dazu die vermasselten Wahlen inklusive Absturz im Saarland: All das bleibt nicht ohne Wirkung und belegt ein grundsätzliches Strategieproblem der Partei.

Und wenn dann noch radikale Positionen vertreten werden, die die große Mehrheit nicht unterschreiben kann, wie sie beispielsweise die Parteivorsitzende Janine Wissler auf dem Bundesparteitag der Linken in Erfurt verbreitete, wird es schwierig, als Garant für eine friedliche Zukunft ernstgenommen zu werden. Das Nordatlantische Verteidigungsbündnis habe sich nach dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre immer weiter Richtung Osten ausgeweitet. Das Gegenteil wäre richtig gewesen: „Es war ein Fehler, sie (die Nato) nicht aufzulösen“, sagte Wissler. Wer weiß, wo wir dann jetzt stünden!

Niedersächsische Landtagswahl im Wahlkreis 12

Im April hatten wir die Kandidatinnen und Kandidaten des Wahlkreises 12 (Göttingen/Harz) für die Landtagswahl in kurzen Interviews zu Wort kommen lassen und Ihnen Fragen zur jeweils aktuellen Welle des Niedersachsen-Check gestellt.

Lesen Sie dazu in dem Format:

Ali Abo Hamoud will seiner neuen Heimat Harz etwas zurückgeben

Jannik Föhrke möchte kaum gehörte Stimmen vertreten

Stefan Henkel möchte die ländliche Region stärken

Almut Mackensen möchte Politik für den Harz gestalten

SPD-Kandidat Saade- Für Weltoffenheit und Solidarität

Mit „Demokratischem Sozialismus“ beschreibt die Linke ihr Engagement für Niedersachsen, will sich entgegen der konkurrierenden Parteien Großkonzernen, Millionärinnen und Millionären und Grundstücksspekulantinnen und -spekulanten mutig entgegenstellen. „Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der kein Kind in Armut aufwachsen muss, in der alle Menschen selbstbestimmt in Frieden, Würde und sozialer Sicherheit leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse demokratisch gestalten können. Wir wollen mit unserer Politik Hoffnung machen auf eine andere Gesellschaft, in der Politik und Wirtschaft nicht mehr von den Interessen der Banken, Konzerne und Superreichen dominiert sind, sondern von den Bedürfnissen und Lebensinteressen der Mehrheit der Gesellschaft.“

Doch ob man an dem durch die Kommunisten diskreditierten Begriff „Sozialismus“ überhaupt festhalten solle, darüber gab es nach 1989 schon große Unsicherheit unter den sozialdemokratischen Parteien, und so stellt sich für viele auch heute noch die Frage, ob sich frühere Kommunisten ihre Selbstdarstellung durch einen demokratischen Sozialismus nicht lediglich erleichtern.

„Die Linke wird gebraucht – auch bei uns in Niedersachsen“: Das jedenfalls steht für den jungen Jannik Föhrke fest, der mehr Osteroderinnen und Osteroder für seine Partei begeistern will. Ob ihm das Wahlprogramm dabei helfen wird, da darf man getrost seine Zweifel haben.