Altkreis Osterode. Der Regionssprecher des Bündnisses gegen Straßenbaubeiträge wirbt bei den Landtagskandidaten um Unterstützung.

Bürgerinnen und Bürgern sind sie häufig ein Dorn im Auge, für Kommunen oft aber wichtige Einnahmequellen: Straßenbaubeiträge. Auch im Altkreis Osterode wird das Thema heiß diskutiert. Als Vertreter des „Niedersächsischen Bündnisses gegen Straßenausbaubeiträge“ (NBgS) sprach deswegen Bernd Jackisch (IG Strabs-freies Bad Lauterberg) in den vergangenen Woche mit den Kandidaten und der Kandidatin des Wahlkreises 12 für die Landtagswahl im Oktober über das Thema „Abschaffung der Straßenausbaubeiträge“.

„Niedersachsen muss das elfte Bundesland ohne Straßenausbaubeiträge werden“, so lautete daher schon im März die Forderung von Vertreterinnen und Vertretern von 90 dem NBgS angeschlossenen Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften mit Gästen aus Politik und Verbänden. Schon damals hatte das Bündnis angekündigt, sich im Vorfeld der Landtagswahl verstärkt dafür einsetzen zu wollen, dass Niedersachsen das elfte strabsfreie Bundesland werde.

Diesem Versprechen kam Jackisch als NBgS-Regionssprecher für den Südharz nun nach und lief mit seiner Forderung „offene Türen ein“. So zumindest formulierte es SPD-Kandidat Alexander Saade. Auch Stefan Henkel (CDU), Jannik Föhrke (Linke) und Ali Abo Hamoud (FDP) sagten dem Anliegen Unterstützung zu. Zurückhaltender gab sich nur die Grünen-Kandidatin Almut Mackensen.

Niedersächsische Landtagswahl im Wahlkreis 12

Im April hatten wir die Kandidatinnen und Kandidaten des Wahlkreises 12 (Göttingen/Harz) für die Landtagswahl in kurzen Interviews zu Wort kommen lassen und Ihnen Fragen zur jeweils aktuellen Welle des Niedersachsen-Check gestellt.

Lesen Sie dazu in dem Format:

Ali Abo Hamoud will seiner neuen Heimat Harz etwas zurückgeben

Jannik Föhrke möchte kaum gehörte Stimmen vertreten

Stefan Henkel möchte die ländliche Region stärken

Almut Mackensen möchte Politik für den Harz gestalten

SPD-Kandidat Saade- Für Weltoffenheit und Solidarität

„Abschaffung überfällig“

Über Einzelheiten der unbeliebten Straßenausbaubeiträge brauchte Bernd Jackisch seinen Gesprächspartner Stefan Henkel nicht von Grund auf zu informieren. So sei Stefan Henkel als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Hörden mit diesem Thema konfrontiert. In seiner rund 1.000-Seelen-Gemeinde bemühe man sich laufend, die Straßen durch regelmäßige Instandhaltung in Ordnung zu halten, damit ein teurer Neuausbau auf Kosten der Bürger vermieden werden könne. Leider, so Stefan Henkel, sei das nicht in allen Städten und Gemeinden möglich. Im Gegenteil – Gerade in den ärmeren Kommunen würde die Straßenunterhaltung und -sanierung oft vernachlässigt. Schon deshalb sei die Abschaffung der „Strabs“, wie die Beiträge auch kurz genannt werden, seit langen überfällig, so der CDU-Politiker.

Die Probleme dieser „ungerechten Beiträge“ sind auch Alexander Saade gut bekannt. So habe er mit seinem SPD-Ortsverband bereits im vergangenen Jahr, zusammen mit vielen weiteren Ortsverbänden im Land den Antrag zur Abschaffung der Strabs an den SPD-Landesparteitag gestellt. „Leider wurde der Antrag abgelehnt“, so der Landtagskandidat. „Aber für solch komplexe Themen braucht es zumeist mehrere Anläufe.“ Deshalb werde er auch künftig auf allen Ebenen die Abschaffung der Strabs thematisieren und unterstützen.

Gemeinsame Aufgabe

Auch Jannik Föhrke habe die Diskussionen wiederholt in seiner Samtgemeinde verfolgt, wenn es um die Erhebung der Strabs bei geplanten Neuausbauten oder Grundsanierungen von Ortsstraßen ging. So unterstütze auch er die Abschaffung dieser Gebühren, da es sich bei Straßen um Allgemeingut handele, welches von jedermann benutzt werde und nicht nur von den Anliegern. Die Linke habe bereits seit der letzten Landtagswahl 2017 die Abschaffung der Strabs im Wahlprogramm aufgenommen und er werde auch darauf achten, dass dieses Thema auch zur anstehenden Landtagswahl im Programm seinen Platz finden wird.

Dass eine landesweite Abschaffung der Strabs eigentlich den gemeinsamen Einsatz aller Parteien fordere, dieser Ansicht ist Ali Abo Hamoud. So werde jede Straße von der Allgemeinheit genutzt und nicht nur von den Anliegern. So lange die Strabs nicht landesweit abgeschafft würden, könne die Gebühr bei klammen Kassen der Kommunen auch dort schnell wieder eingeführt werden, wo aktuell keine Satzung vorhanden ist. Deshalb, so Ali Abo Hamoud, sollten die inzwischen rund 100 Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften im Land noch mehr alle Hausbesitzer motivieren, sich für die Abschaffung der Strabs und der Kompensierung der ausfallenden Einnahmen durch das Land Niedersachsen für die Kommunen einzusetzen.

Diese Punkte sprachen auch Henkel, Saade und Föhrke an: „Keinesfalls darf der Ausfall der Beiträge für die Kommunen mit einer Erhöhung der Grundsteuer einhergehen“, so Saade. Vielmehr müsse dieser Ausfall vom Land kompensiert werden. Dafür möchten auch Stefan Henkel und Jannik Föhrke sich einsetzen. Letzterer könne sich allerdings auch vorstellen, dass absolute Spitzenverdiener über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer mit zur Finanzierung von Straßenausbaubeiträgen herangezogen würden.

Zehn Bundesländer „strabsfrei“

Wie Jackisch mitteilt, liege dem NBgS ein Schreiben des CDU-Landesvorsitzenden Bernd Althusmann vor, laut dem „die CDU mit ihrem Regierungsprogramm 2022 – 2027 die Erhebung von Straßenausbeiträgen in der kommunalen Abgabenordnung abschaffen und im Gegenzug die Kosten der Kommunen dafür über den kommunalen Straßenbau angemessen kompensieren“ wird.

Verwunderlich sei laut Bernd Jackisch, dass aber im Entwurf des Regierungsprogrammes 2022 – 2027 der CDU Niedersachsen kein einziges Wort über die geplante Abschaffung der Strabs zu lesen sei. Gleiches gelte für den Entwurf des Regierungsprogrammes der SPD Niedersachsen.

Dass es durchaus finanziell möglich sei, die Straßenbaubeiträge abzuschaffen, zeigten laut Bernd Jackisch und seinem Stellvertreter Steffen Blau abschließend unter anderem Berechnungen vom Bund der Steuerzahler. Zudem müsse auch in Niedersachsen das möglich sein, was inzwischen in weiteren zehn Bundesländern umgesetzt würde.

Sorgen der Bürger aufnehmen

Zurückhaltender in der Unterstützung gab sich die Grünen-Landtagskandidatin Almut Mackensen, die damit dem Kurs ihrer Partei folgt. Diese, so der NBgS-Regionssprecher des Südharzes Bernd Jackisch, habe in den letzten Jahren nicht an landesweiten Treffen der inzwischen rund 90 Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaft teilgenommen. Vielmehr hätten den NBgS mehrfach standardisierte Schreiben des Landesvorstandes erreicht, laut dem die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen im Ermessen der Kommunen stehe. Man hielte es demnach grundsätzlich für richtig, die Entscheidung, ob Straßenausbaubeiträge erhoben werden oder nicht, auf der kommunalen Ebene zu treffen. Daher setzten sich die Grünen nicht für die landesweite Abschaffung ein.

Almut Mackensen versprach jedoch, die Sorgen der Haus- und Grundstücksbesitzer aufzunehmen und mit der Landtagsfraktion und der Bundestagsabgeordneten Karoline Otte zu besprechen. Otte setzt sich unter anderem für die finanzielle Stärkung der Kommunen und deren Finanzen ein.

Gravierende Unterschiede

Im Wahlkreis 12 Göttingen/Harz herrschen laut Jackisch gravierende Unterschiede bei der Erhebung der Straßenausbaubeiträge. Während im Altkreis Osterode alle Städte und Gemeinden aus finanziellen Gründen zur Erhebung der Strabs gezwungen seien, habe die Nachbarstadt Braunlage im Landkreis Goslar noch nie solche Gebühren erhoben. Mit der Fusion mit Braunlage war auch für St. Andreasberg die Gebühr Geschichte, ebenso erhebe auch die Bergstadt Clausthal-Zellerfeld, wie fast alle Orte im Landkreis Goslar, keine Strabs.

Noch fragwürdiger für die beiden Sprecher der Interessengemeinschaften Jackisch und Blau sei, dass auf der einen Seite Parteien anmerken, dass es den Kommunen im Rahmen der „kommunalen Selbstverwaltung“ freigestellt sei, ob Straßenausbaubeiträge erheben werden oder nicht. Dann würden Kommunen, wie aktuell die Gemeinde Walkenried wiederum quasi vom Land Niedersachsen dazu gezwungen, erneut eine Straßenausbaubeitragssatzung einzuführen, um die Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Nur dann zahle das Land eine dringend benötigte und schon lange zugesagte Bedarfszuweisung für Walkenried auch aus.

Um gleiche Verhältnisse im gesamten Land herzustellen, so Bernd Jackisch, müsse die Strabs landesweit abgeschafft werden. Wie es gelingen könne zeige unter anderem das direkte Nachbarbundesland Thüringen, wo die rot-rot-grüne Koalition die Strabs rückwirkend zum 1. Januar 2019 abgeschafft habe.

Beiträge treffen Menschen hart

Wie Jackisch weiter ausführt, müssten Anlieger einer sanierten öffentlichen Straße Beiträge zahlen, egal ob sie die Straße selbst nutzten oder nicht. Dabei führten die Beiträge oft zu sozialen Härten, Existenzgefährdungen und Altersarmut, denn zahlen müsse jeder – ungeachtet des Alters, des Einkommens und der sozialen Stellung.

Nicht etwa Vermieter von Wohnanlagen oder großen Mehrfamilienhäusern würden zur Kasse gebeten, da sie die Straßenausbaubeiträge auf die Mieter umlegten und von der Steuer absetzten. Daher trete das NBgS besonders für Hausbesitzer ein, die zumeist viele Jahre für den Bau ihres Eigenheims gespart und hart gearbeitet hätten. „Oft trifft es die Hausbesitzer unerwartet und eiskalt, wenn plötzlich die Straße vor ihrer Haustür neu ausgebaut wird und sie mit horrenden Straßenausbaugebühren, teilweise im fünf- und sechsstelligen Bereich belastet werden“, so Jackisch.

Großes „Wählerpotenzial“

Das NBgS besteht derzeit landesweit aus rund 90 Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaft und wird unter anderem von den mitgliederstarken Verbänden wie dem Verband Wohneigentum Niedersachsen, Bund der Steuerzahler, Haus und Grund Niedersachsen, Landvolk, Deutschen Mieterbund und weiteren unterstützt und stelle damit ein nicht zu unterschätzendes Wählerpotenzial im Land dar.

Entsprechend viel erwartet Jackisch nach den Gesprächen mit den Landtagskandidaten und der Kandidatin und zieht ein insgesamt positives Fazit aus den Gesprächen: „Egal, welche Partei am Ende im Landtag die Mehrheit bekommt, ich bin optimistisch, dass die Beiträge innerhalb der nächsten fünf Jahre abgeschafft werden.“