Osterode. Für seinen Thriller „Turmschatten“ wurde Peter Grandl mit dem diesjährigen „Harzer Hammer“ ausgezeichnet, dem Krimipreis des Mordsharz-Festivals.

Für seinen Thriller „Turmschatten“ wurde Peter Grandl mit dem diesjährigen „Harzer Hammer“ ausgezeichnet, dem Krimipreis des Mordsharz-Festivals. Der Roman wurde damit als bestes Debüt des Genres prämiert. Bestsellerautor Andreas Gruber beschrieb das Grundthema in seiner Laudatio mit den Worten: „Was ist noch Selbstverteidigung und wo beginnt Selbstjustiz?“ Außerdem lobte er: „Peter Grandl bricht mehrere Klischees auf, die in uns stecken, und deshalb liest sich dieses Buch so erfrischend.“

Auch die Jury des Harzer Krimipreises für Erstlingswerke aus dem Bereich Krimi oder Thriller war sich in diesem Jahr einig, dass „Turmschatten“ aus vielen lesenswerten Einsendungen noch einmal positiv hervorsticht. Das Buch erzähle eine Geschichte, die so schnell nicht wieder los lässt und könnte zu jenen gehören, an die man sich auch in Jahrzehnten noch erinnert, weil sie vieles abbildet, was die Gesellschaft treffend beschreibt. Christian Dolle vom Mordsharz-Team hat das ausgezeichnete Werk rezensiert.

Vielschichtig sind sowohl die Handlung, als auch die Figuren

Schon die Ausgangssituation des Plots ist stark: Neonazis dringen in den Turm ein, töten die Haushälterin des jüdischen Besitzers. Daraufhin nimmt dieser drei der Täter als Geiseln und lässt per Videoübertragung online darüber abstimmen, welche Strafe sie verdient haben. Gnade oder Tod? Ein solches Setting bleibt im Gedächtnis, aber ebenso, wie der Autor es im Fortgang entwickelt. Da ist nämlich zum einen die Polizei, die es nicht schafft, den Stream zu stoppen oder in den Turm zu gelangen, der sich als Festung erweist. Und da sind die Medien, die eine solche Geschichte ausschlachten und selbst nicht wissen, wie weit sie in der Berichterstattung gehen dürfen.

Allein die Handlung ist damit vielschichtig, ebenso sind es aber auch die Figuren. Die Neonazis sind keinesfalls schreckliche Abziehbilder wie so oft in der Literatur. Grandl legt sie alle allzu menschlich an, also mit mal mehr, mal weniger nachvollziehbaren und entschuldbaren Eigenschaften bzw. prägenden Erlebnissen versehen. Somit ist der Leser immer wieder zwischen Verachtung und Mitleid hin und her gerissen, es wird ihm nicht einfach gemacht. Ebenso ist auch die jüdische Hauptfigur keinesfalls der Held, der auf Identifikation angelegt ist, denn auch er handelt moralisch fragwürdig und hat keine ganz weiße Weste.

Wo hört Selbstverteidigung auf und wo beginnt Selbstjustiz?

Bei allen anderen Akteuren setzt sich dieses Muster fort, so dass es letztlich auch keinen erhobenen Zeigefinger gibt. Selbst die Medienschelte, die in einem solchen Plot angebracht ist, mit der es sich ein Autor aber auch sehr leicht machen könnte, fällt differenziert aus. Die Figuren werden durch und durch zu Charakteren ausgeformt, so dass der Leser geradezu gezwungen ist, sich Gedanken über Moral und Ethik zu machen, und er der Frage, wo Selbstverteidigung aufhört und Selbstjustiz beginnt, letztlich nicht ausweichen kann.

Das Buch wirft Fragen auf, liefert Denkansätze, aber gibt keine Handlungs- oder Haltungsanweisungen. Der Leser wird immer wieder gezwungen, die Figuren und ihr Agieren zu hinterfragen und moralisch einzuordnen, sich mit deutscher Geschichte, mit Rechtsradikalismus, mit Fake News, Medienmacht und aktuellen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Damit ist der Roman sicher ein guter Ausgangspunkt für gesellschaftspolitische Diskussionen, ist aber doch ganz anders als vieles, was die deutsche Literatur zu diesem Thema vorzuweisen hat.

Eine spannende Geschichte, die unvorhersehbar konstruiert und temporeich ist

Vor allem gelingt es Peter Grandl, eine spannende Geschichte zu erzählen, die fesselt, weil sie unvorhersehbar konstruiert und temporeich ist. Er wollte andere Leute erreichen, sagt der Autor, als jene, die sich ohnehin mit der Aufarbeitung deutscher Geschichte befassen. Das könnte ihm durchaus gelingen, spätestens mit der Verfilmung des Buches als Serie, die bereits in Planung ist. Dennoch könnte es sich als Fehler erweisen, auf diese zu warten, denn der Roman steht für sich. „Es ist ein sehr intensives Leseerlebnis und eines, das sich nicht nach der letzten Seite einfach so ins Regal stellen lässt und vielleicht eines der stärksten Bücher, die in letzter Zeit veröffentlicht wurden“, erklärt Dolle in seiner Buchbesprechung abschließend.

Ein Interview mit Peter Grandl gibt es auf dem Youtube-Kanal „CrYzZ Storys“ unter www.youtube.com/watch?v=wyJv9feSWVc