Bangkok. Ein Bartolfelder reiste durch Thailand. Durch Zufall hatte er einen Reiseleiter, der sich auch in Osterode bestens auskennt. So kam es dazu.

Der Bartolfelder Michael Luthin hat jüngst eine organisierte Rundreise durch Thailand unternommen. Bei seiner Ankunft in der Hauptstadt Thailands (dem früheren Siam) Bangkok wurden er und die übrigen Gäste vom einheimischen Reiseleiter Taen (ausgesprochen „Tenn“) in Empfang genommen. Michael Luthin war angenehm überrascht von den grammatikalisch korrekten und sehr guten Deutschkenntnissen des Thailänders. Noch mehr: Es wurden deutsche Redewendungen benutzt, wie „die Suppe ist lasch“, „der Ort Wang Pho hat nichts mit Hintern zu tun“ oder „Springen Sie bitte nicht auf der Straße rum, Sie sind zwar auch hier im Recht, aber es tut weh“.

Schule in Bad Lauterberg

Das Geheimnis um das hervorragende Deutsch des Thailänders wurde bald gelüftet. Taen berichtete, dass er in seiner Jugend in Osterode bei der Firma Piller als Auszubildender den Beruf des Elektronikers erlernte und einige Jahre im Harz verbrachte.

Er hatte an der KGS in Bad Lauterberg Deutschunterricht bei Herrn König und erhielt Klavierunterricht bei der Ehefrau des damaligen Direktors der Schule Küstner. Auch an den Lehrer Hahne erinnerte er sich gern zurück, denn er besuchte an der KGS Bad Lauterberg die neunte Klasse.

Das Herz des Harzers ging auf, denn natürlich kannte er all die Namen. Die beiden kamen ins Gespräch. Doch was treibt einen jungen Thai aus der Millionenstadt Bangkok in den Harz?

Taen ist 1966 in Bangkok geboren. Wie viele thailändische Kinder war er in seiner Jugend von deutscher Technik fasziniert. Aber es ist schwierig, die deutsche Sprache zu lernen. Wie soll man einem Thailänder erklären, dass das Wort „Stuhl“ einen männlichen Artikel trägt, also „der Stuhl“ heißt? Warum ist „die Wolke“ weiblich, aber „das Auto“ sächlich? Dann die Verben: Er geht, ich gehe, sie gehen. Im Thailändischen wird stets die Grundform verwendet: „ich gehen, du gehen, sie gehen“.

Taen kämpfte sich durch. Er wollte nach Deutschland. Bereits mit 14 Jahren ging er 1980 das erste Mal in die Bundesrepublik. Er nutzte das Angebot, bei der Firma Piller in Osterode den Beruf des Elektronikers zu erlernen, immer wieder mit Unterbrechungen, da er zurück nach Thailand musste.

Sozialstunden wegen Wildangelns

Anfangs gestaltete sich das Leben in Deutschland sehr schwierig für Taen. Allein der Toilettengang: In Thailand war es zu der Zeit noch üblich, in der Hocke über einem Loch sein Geschäft zu verrichten.

Lächelnd erinnert er sich auch an die Sozialstunden, die er ableisten musste – wegen wilden Angelns in einer Talsperre. In Thailand darf man überall angeln, er wusste nicht, dass es dafür einer Erlaubnis bedurfte.

Abseits der skurrilen Erlebnisse schwärmt Taen von der deutschen Genauigkeit. Er meint: „Die Deutschen planen immer alles, während der Thailänder sich in den Tag gleiten lässt.“ Inzwischen ist auch Taen geprägt von deutscher Planungsgenauigkeit und Kontrollfreude.

Am meisten ist ihm jedoch die Herzlichkeit der Harzer im Gedächtnis geblieben. Als Thailänder fand er sich in in einer fremden und für ihn kalten Umgebung wieder. Aber er sei überall auf freundliche Menschen getroffen, die ihn nach Hause einluden, ihn stets unterstützten und mit denen er Freundschaften eingehen konnte.

Er fragte Michael Luthin, ob er seinen alten Freund Thomas aus Scharzfeld kenne und ob es wahr sei, dass inzwischen ein zugelassener thailändischer Tuk Tuk im Südharz fahre. Leider konnte der Bar­tolfelder, der seit Jahren als Anwalt in Frankfurt lebt, die Fragen nicht beantworten. Taen bekommt beim Reden große Lust, wieder mal den Harz zu besuchen, zumal er den ganzen östlichen Teil noch nicht gesehen hat.

Heute ist Taen ein sehr erfolgreicher Unternehmer in Thailand. Seine Karriere fußt auf drei profitable Geschäftszweige: Er ist Reiseleiter für deutsche Reisende und unterhält ein Baugeschäft. Zudem betreibt er zusammen mit seiner Frau ein Resort mit Restaurant im Norden Thailands.

Schlechtes Wetter und Heimweh

Warum ist Taen wieder nach Thailand gegangen? Die Antwort ist einfach: „Das Wetter im Harz ist für einen Thailänder unfassbar kalt.“ Auch das Heimweh bewog Taen im Jahr 1989 wieder zurück zur Familie nach Thailand zu gehen. Als streng gläubiger Buddhist strahlt Taen eine innere Ruhe und Zufriedenheit aus. Er ist freundlich und mit allen 36 Reisenden aus Deutschland und Polen sehr geduldig. Es macht Spaß, ihm zuzuhören und sich mit ihm auszutauschen. Man lernt gern von ihm über andere Kulturen, Religionen und Länder, stellt sogar manche Gemeinsamkeiten fest oder Ähnlichkeiten im Christentum. Vielleicht hat Taen ja Recht, wenn er lächelnd in seiner ruhigen, freundlichen Art sagt: „Andere Länder, andere Sitten, aber Menschen begegnen einander nicht zufällig.“