Osterode. Am 28. Juni 1919, kurz nach dem 1. Weltkrieg, wurde der Versailler Vertrag unterzeichnet. Auch aus Osterode kamen Petitionen gegen die Bedingungen.

Die militärische Lage im Herbst 1918 war für Deutschland aussichtslos. Ermattet von jahrelangen Entbehrungen und Leiden sehnten die ausgehungerten und kriegsmüden Menschen den Frieden herbei. Die letzte große deutsche Offensive im Frühjahr 1918 gegen die weit überlegenen Ententemächte war gescheitert. Die Armeen der mit Deutschland verbündeten Staaten befanden sich in Auflösung.

Unter dem Druck der alliierten Gegenoffensiven erklärte die deutsche Heeresleitung die Fortführung des Krieges für aussichtslos und forderte am 29. September 1918 die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen. Eine durch eine Matrosenmeuterei in den Marinehäfen Ende Oktober 1918 initiierte Revolution breitete sich in Windeseile über ganz Deutschland aus. Auch im Binnenland bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte, die die Macht übernahmen. Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert führte fortan die Regierungsgeschäfte.

Am 9. November 1918 verkündete ein Extrablatt des Osteroder Allgemeinen Anzeigers: „Unser Kaiser hat der Krone entsagt“. Zwei Tage später meldete die Zeitung, dass der Waffenstillstand unterzeichnet sei: „Die Feindseligkeiten werden an der ganzen Front vom 11. November, 11 Uhr vormittags französischer Zeit an eingestellt.“

Doch hatte man mit der Beendigung der Kampfhandlungen noch keinen Frieden geschlossen. Erst in monatelangen Verhandlungen zwischen den Siegermächten wurde ein Friedensvertrag ausgearbeitet. Das besiegte Deutsche Reich galt dabei nicht als Verhandlungspartner, sondern hatte lediglich die Ergebnisse der Ententemächte zur Kenntnis zu nehmen und zu akzeptieren.

Die Alliierten übten auf das besiegte Deutschland erheblichen Druck aus, um die Durchsetzung ihrer Forderungen zu erzwingen. So hielt etwa die britische Flotte die Seeblockade weiterhin aufrecht, die die deutschen Häfen vom internationalen Handel und den Importen von Lebensmitteln und Rohstoffen weitgehend abschnitt.

Proteste auch in Osterode

Eine Verschärfung der Waffenstillstandsbedingungen im Februar 1919, mit der die Entente den Druck auf die deutsche Regierung bei den Friedensverhandlungen nochmals verstärken wollte, rief in ganz Deutschland große Proteste hervor. Auch eine vom Osteroder Bürgerausschuss organisierte Versammlung wandte sich mit einer entsprechenden Petition an die Reichsregierung: „Die heute Abend tagende Versammlung der Bürgerschaft Osterode (Harz) erhebt flammenden Einspruch gegen jede weitere Verschärfung der schon bestehenden unerhört schweren Waffenstillstandsbedingungen, sowie jede von der Entente beabsichtigte fernere Vergewaltigung des deutschen Volkes.“

Auch in Osterode sammelte man Spenden für die deutschen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten.
Auch in Osterode sammelte man Spenden für die deutschen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten. © Stadtarchiv Osterode

Auch die meisten deutschen Kriegsgefangenen hatten die Westalliierten nach dem Waffenstillstand noch nicht entlassen. So befanden sich auch im Frühjahr 1919 noch zahlreiche Osteroder in Kriegsgefangenschaft. Eine Osteroder Ortsgruppe des Reichsbundes zum Schutz der Kriegsgefangenen wurde gegründet, der der Rechtsanwalt Dr. Cramer vorstand. In einer Resolution forderte man die baldige Rückkehr der noch etwa 750.000 bis 800.000 deutschen Gefangenen, die die Alliierten im Frühjahr 1919 noch nicht freigelassen hatten. Auf der 1. Mai-Veranstaltung 1919 in Osterode, an der über 2.000 Zuhörer teilnahmen, beschloss die Versammlung eine von Karl Schröder (SPD) vorgetragene Resolution an die Reichsregierung, die „mit Entrüstung Protest gegen die Maßnahmen der Entente-Regierungen erhebt, dass man es wagt, unsere Kriegsgefangenen wider alles Völkerrecht nicht freizugeben.“

Tatsächlich kehrten erst nach der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags ab Spätsommer 1919 auch viele Osteroder Kriegsgefangene wieder in die Heimat zurück.

Die Ablehnung der harten Bedingungen des Friedensvertrags ging durch alle politischen Lager. So ließ die Empörung über den Vertragsentwurf den sozialdemokratischen Politiker Philipp Scheidemann am 12. Mai 1919 in der Nationalversammlung ausrufen: „Welche Hand müsse nicht verdorren, die sich und uns diese Fessel legt?“ Doch alle Proteste und die Hinweise auf die Undurchführbarkeit der Forderungen blieben vergeblich. Die Siegermächte zwangen Deutschland zur Annahme des Versailler Vertrags, der sehr harte Maßnahmen, wie etwa Gebietsabtretungen und umfangreiche Reparationsleistungen, beinhaltete.

Kein Ausgleich, keine Versöhnung

Die Forderungen der Alliierten nach einem gewissen Schadensausgleich schienen unabweisbar, fanden doch die Kämpfe, die ganze Landstriche verwüsteten, größtenteils außerhalb des Reichsgebiets statt. Doch waren das enorme Ausmaß der Forderungen und die überaus harten Bestimmungen des Versailler Vertrags nicht geeignet, einen Ausgleich und eine Versöhnung zwischen den Völkern herbeizuführen. All die unerträglich schweren Auflagen des Vertrags wurden mit dem Artikel 231 begründet, der Deutschland und seinen Verbündeten die alleinige Verantwortung für den Krieg aufbürdete. Zwar gab es auch auf alliierter Seite Politiker, die den Versailler Vertrag kritisierten, doch setzten sich die Kräfte durch, die Deutschland bestrafen wollten.

Die Bedingungen dieses Friedensschlusses wurden von den meisten Deutschen als ungerecht und demütigend empfunden und sollten sich als eine schwere Hypothek für die junge deutsche Republik erweisen. Nach dem Ersten Weltkrieg musste das Deutsche Reich eine Fläche von 70 579 Quadratkilometern abtreten auf denen 6.475.650 Menschen lebten. Das entsprach 13 Prozent des Reichsgebietes und 9,97 Prozent der Bevölkerung.

Demonstration auf dem Kornmarkt

Schon während der Friedenskonferenz meldeten die Zeitungen immer wieder den Stand der Verhandlungen, wobei auch die großen Lasten, die die Siegermächte Deutschland auferlegen wollten, bekanntgegeben wurden.

Gegen diese harten Friedensbedingungen demonstrierten auch die Osteroder am 18. Mai 1919 auf dem Kornmarkt. Bürgermeister Dr. Hessel verlas auf dieser Kundgebung eine Protestadresse an die Reichsregierung, die von den zahlreichen Zuhörern durch Handzeichen angenommen wurde: „Die Einwohner der Stadt Osterode am Harz, Angehörige aller Parteien, vereinigt in einer Massenversammlung auf dem altehrwürdigen Marktplatze, erheben in lodernder Empörung Einspruch gegen die dem deutschen Volke zugemuteten Friedensbedingungen, durch welche Deutschland verstümmelt, deutsche Arbeit geknebelt, deutsche Kultur vernichtet und deutsche Ehre und Freiheit vergewaltigt werden sollen. Wir fordern von der Reichsregierung, diesen Gewalt- und Schmachfrieden, welcher die Feindschaft der Völker verewigt, das Recht beugt, und aller Menschlichkeit Hohn spricht, nicht zu unterzeichnen, da er das Todesurteil des deutschen Volkes bedeutet.“

Der Osteroder Bürgermeister Dr. Rudolf Hessel sprach auf einer Protestversammlung gegen die Bedingungen des Versailler Vertrags.
Der Osteroder Bürgermeister Dr. Rudolf Hessel sprach auf einer Protestversammlung gegen die Bedingungen des Versailler Vertrags. © Stadtarchiv Osterode

Die Alliierten drohten schließlich damit, die Kampfhandlungen wieder aufzunehmen und Deutschland militärisch zu besetzen, wenn der Versailler Vertrag nicht unterschrieben würde. Am 24. Juni 1919 wandte sich die von SPD und Zentrum gebildete Reichsregierung mit einer Erklärung an das deutsche Volk, in der sie die von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnte Annahme des Versailler Friedensvertrags begründete: „Die Reichsregierung hat mit Zustimmung der Nationalversammlung erklärt, den Friedensvertrag zu unterschreiben. Schwersten Herzens, unter dem Druck der rücksichtslosen Gewalt, nur in dem einen Gedanken, unserem wehrlosen Volk neue Kriegsopfer und Hungerqualen zu ersparen.“

Am 28. Juni 1919 wurde der Versailler Friedensvertrag unterzeichnet. Es sollte viele Jahre und umfangreiche Verhandlungen erfordern, bis Abmilderungen der Vertragsbedingungen erreicht wurden. Doch kamen diese „Nachbesserungen“ zu spät, um eine längerfristige Annäherung der ehemaligen Feinde zu erreichen. Außerdem sorgte die Reparationsfrage auch innerhalb Deutschlands für heftige politische Auseinandersetzungen, die die radikalen Kräfte für sich zu nutzen wussten. Der französische Marschall Ferdinand Foch, der die alliierten Truppen an der Westfront als Oberbefehlshaber geführt hatte, kommentierte den 1919 geschlossenen Versailler Vertrag: „Das ist kein Friede. Es ist ein Waffenstillstand auf 20 Jahre.“