Herzberg. Über König Heinrich I. referierte Professor Dr. Stefan Freund im Rahmen der Herzberger Schlossvorträge.

Auf Einladung des Fördervereins Schloss und der SPD Herzberg referierte Prof. Dr. Stefan Freund von der Universität Magdeburg, der Experte für die Geschichte um Heinrich I. und die Ottonen, im Rittersaal des Schlosses Herzberg zu Heinrich I., dem Vogeler. Prof. Freund traf bei seinem Vortrag auf einen großen und sehr interessierten Zuhörerkreis und verstand es brillant, die Anwesenden mit der Geschichte um den Sachsenherzog und Deutschen König zu fesseln.

Dabei war es, so der Referent, gar nicht so einfach, die Geschichte, wie sie sich vor 1.100 Jahren abgespielt hat, nachzuvollziehen. Aus der Zeit Heinrich I. existieren kaum Urkunden und Aufzeichnungen über sein Leben und Wirken wurden erst 60 bis 100 Jahre nach seinem Tode gefertigt. Besonders Widukind von Corvey hat sich hier wohl hervorgetan. Allerdings, so Prof. Freund, sei man bei den Forschungen auch bei den wenigen Urkunden auf offensichtliche Fälschungen gestoßen.

Zweite Ehe mit 13-jähriger Mathilde

Heinrich I. aus dem Adelsgeschlecht der Liudolfinger war ab 912 Herzog von Sachsen. In erster Ehe heiratete er Hatheburg, eine Tochter des Erwin von Merseburg, und konnte so seinen Besitz deutlich erweitern. Gegen die Ehe bestanden ernste kirchliche Bedenken, da Hatheburg zuvor Nonne gewesen war. Die Ehe wurde nicht anerkannt und Hatheburg ging wieder zurück ins Kloster. In zweiter Ehe heiratete Heinrich im Jahr 909 die erst 13 Jahre alte Mathilde, eine Nachfahrin des Sachsenherzogs Widukind.

Durch diese Heirat konnte Heinrich seinen Einflussbereich auf Westfalen ausdehnen. Der Stern der Karolinger Könige verblasste Anfang 900 zusehends, bedingt durch Fehden der Fürsten gegen den König und den ständigen Einfall der Ungarn in das Reich. Auch Heinrich stand bis 916 auf der Seite der Gegner von König Konrad I. und trug Fehden gegen ihn aus. Das Frankenreich drohte zu zerfallen. 915 trafen die Heere von König Konrad I. und Heinrich bei Grone aufeinander. Da das Heer Konrads dem von Heinrich überlegen war, unterwarf sich Heinrich König Konrad und erkannte ihn als König an.

Verzicht auf die Königsinsignien

König Konrad selbst hat wohl vor seinem Tod den Auftrag gegeben, Heinrich die Königswürde anzutragen und ihm die Insignien zu überbringen, so verschiedene Geschichtsschreiber wie auch Widukind von Corvey. Der spätere Glorifizierung dieses Aktes, dass Heinrich die Nachricht im Vogelherd (Pöhlde, Quedlinburg oder wo auch sonst) erreicht habe, widersprach Prof. Freund. Zwischen dem Tod König Konrads im Dezember 918 und der Erhebung Heinrichs im Mai 919 in Fritzlar lagen sechs Monate, so dass davon auszugehen sei, dass der Thronfolge von Heinrich längere Verhandlungen vorausgegangen seien. Dass Heinrich allerdings auf die Königsinsignien, so auch die Heilige Lanze, und eine Salbung als König verzichtete, also Bescheidenheit übte, ist historisch wohl abgesichert.

Prof. Freund traf bei seinem Vortrag auf einen großen und interessierten Zuhörerkreis im Rittersaal des Welfenschlosses.
Prof. Freund traf bei seinem Vortrag auf einen großen und interessierten Zuhörerkreis im Rittersaal des Welfenschlosses. © M. Kirchner

Heinrich I. Regentschaft stand unter einem besseren Stern als die von Karl I. Heinrich ließ den Fürsten weitgehende Autonomie und konnte sie so als Verbündete gewinnen. So gelang es ihm 921, Schwaben und Franken wieder an das Reich zu binden. Die Westfranken erkannten Heinrich 921 ebenfalls als Deutschen König an. 922 wurde Quedlinburg erstmals urkundlich erwähnt. 926 gelang Heinrich die Angliederung Lothringens an das Reich. Die Grundlagen seines Erfolges waren, so Prof. Freund, Diplomatie, Kommunikation und Anerkennung.

Eine weitere Basis war die sogenannte Gebetsverbrüderung mit den Bischöfen und zwischen den Fürstentümern, die das Reich einte und eine der Voraussetzungen für den Sieg über die Ungarn 933 war. Heinrich hatte während einer 9-jährigen vor 933 liegenden vereinbarten Waffenruhe mit den Ungarn sein Heer gestärkt und „die Reiterei“ beigebracht, so dass dieses Heer den Kriegsstrategien der Ungarn etwas entgegensetzen konnte und gewann.

Sohn Otto zum einzigen Erben

Prof. Freund ging in seinem Vortrag auch auf das Wirken Heinrichs in seinem Reich ein. Ein Dokument hierzu sind die Pöhlder Annalen, eine Art Chronik, die allerdings erst nach 1150 entstanden sind. Dass Heinrich als Burgenbauer genannt wird, ist wohl nicht zutreffend, da Burgen erst nach Heinrichs Zeit gebaut wurden. Ein weiterer Teil der Wirkungsgeschichte von Heinrich ist in Quedlinburg zu sehen. Schließlich regelte Heinrich, abweichend von den bisherigen Verfahren der Erbteilung, seine Nachfolge, indem er seinen Sohn Otto zu seinem einzigen Erben bestimmte und seiner Frau Mathilde umfangreiche Besitzungen in Quedlinburg, Pöhlde, Nordhausen, Duderstadt und Grone als Wittum zusicherte.

Heinrich I. verstarb 936 in Memleben und wurde in Quedlinburg beigesetzt. Der Förderverein hatte bereits im letzten Jahr Memleben besucht und Bekanntschaft mit der Herrschaft Heinrichs und der Ottonen gemacht. Eine bedeutende Rolle im Leben und in der Herrschaft Heinrichs spielte seine Ehefrau Mathilde. Sie war hochgebildet und des Lesens und Schreibens kundig, was viele Fürsten der damaligen Zeit nicht konnten. Und so war es wohl auch Mathilde, die Schriftstücke überprüfte, bevor sie der König abzeichnete.

Heinrichs Wirken für die Reichsvereinigung wurde im 19. Jahrhundert instrumentalisiert, der völkisch-nationale Gedanke aufgegriffen und teilweise verfälscht, so Prof. Freund. Missbraucht wurde Heinrich I. dann schließlich während der NS-Zeit, indem Göbbels Heinrichs Wirken für die NS-Ideologie umdefinierte und Quedlinburg zum Wallfahrtsort völkischen Denkens umgestaltete. Sein Referat schloss Prof. Freund, indem er Heinrich I. als Vorbild für die Gegenwart und Zukunft empfahl: Vorbildlich politische Bescheidenheit, die meist belohnt wird, Kommunikation miteinander und nicht übereinander und Diplomatie und Anerkennung statt Populismus. Für seinen Vortrag erntete Prof. Freund starken Applaus und viel Anerkennung durch die Gäste des Vortrags.