Göttingen. Die Ex-Geschäftsführer der Tochtergesellschaft UMG-facilities der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) stehen wegen Korruption vor Gericht.

Zu den Korruptionsvorwürfen, für die sich zwei ehemalige leitende Mitarbeiter der Tochtergesellschaft der Universitätsmedizin Göttingen UMG-facilities vor Gericht verantworten müssen, hatten wir das UMG um eine kurze Stellungnahme gebeten. Das antwortet Stefan Weller, Pressesprecher der UMG, auf unsere Fragen:

Die gewerbsmäßige Untreue und Bestechlichkeit ist erst durch einen anonymen Hinweis aufgedeckt worden. Weshalb sind diese Delikte nicht früher erkannt worden?

Es handelt sich hier aktuell um eine Anklage der Staatsanwaltschaft. Es ist guter Brauch, dass bis zum Prozess und einer letztendlichen Urteilsverkündung die Unschuldsvermutung gilt. Die UMG wird sich deshalb nicht zu einem laufenden Verfahren äußern. Die UMG hat im Jahr 2018 die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen umgehend über ihre Interne Revision unterstützt und transparent begleitet und alle Zugänge zu Dokumenten und Personen der Tochtergesellschaft ermöglicht. Darüber hinaus wurden mit besagten Geschäftsführungen der UMGf die Arbeitsverhältnisse fristlos beendet und das interne Kontrollsystem zwischen UMGf und UMG entsprechend sachgerecht angepasst.

Wurden Mechanismen installiert, welche derartige illegale Machenschaften in Tochterfirmen oder der UMG selbst vorbeugen und verhindern?

An der UMG gibt es seit Anfang 2018 ein Hinweisgeberportal, das allen geschützt und anonymisiert die Gelegenheit gibt, Auffälligkeiten, mutmaßliche Unregelmäßigkeiten oder Verdachtsfälle mitzuteilen. Dieses Portal kann von allen, Patientinnen Patienten, Mitarbeitenden – auch aus den Tochtergesellschaften –, genutzt werden. Es wurde von der UMG als eine der Konsequenzen zu den Vorfällen bei der Lebertransplantation aus dem Jahr 2012 eingerichtet. Der Zugang ist für jeden öffentlich möglich: https://www.umg.eu/ueber-uns/hinweisgeber-portal/. Zudem gibt es seit 2020 ein weiterentwickeltes Berichtswesen durch die UMGf, mit dem die Stabsstelle Beteiligungsmanagement der UMG regelmäßig über die wirtschaftliche Situation und wesentliche wirtschaftliche Vorgänge informiert wird.

Von Heidi Niemann

Zwei frühere leitende Mitarbeiter einer Tochtergesellschaft der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) müssen sich wegen Korruptionsdelikten vor Gericht verantworten. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte in Braunschweig hat einen ehemaligen Geschäftsführer der UMG facilities (UMGf) und dessen einstigen Stellvertreter wegen gewerbsmäßiger Untreue und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 33 Fällen sowie gewerbsmäßiger Untreue in drei beziehungsweise vier Fällen angeklagt.

Neben den beiden 39 und 42 Jahre alten mutmaßlichen Haupttätern muss sich außerdem ein 46-jähriger früherer Geschäftsführer einer Personaldienstleistungsfirma in Thüringen wegen Beihilfe zur Untreue und Bestechung im geschäftlichen Verkehr in 33 Fällen sowie Beihilfe zur Untreue verantworten. Vier weitere Angeschuldigte – zwei 62 und 45 Jahre alte Männer und zwei 37 und 59 Jahre alte Frauen – sollen hierzu Beihilfe geleistet beziehungsweise Geldwäsche begangen haben.

Anonymer Hinweis

Die Ermittlungen waren vor mehr als vier Jahren nach einem anonymen Hinweis in Gang gekommen. Ende November 2018 wurden bei Durchsuchungen in Geschäftsräumen und Privatwohnungen in Göttingen und anderen Orten zahlreiche Unterlagen, Computer und Datenträger sichergestellt. Es bestehe der Verdacht, dass Mitarbeiter der UMG-Tochterfirma gegen Schmiergelder und andere Vergünstigungen Aufträge an die Personaldienstleistungsfirma im nordthüringischen Kyffhäuserkreis vergeben haben könnten, teilte die Staatsanwaltschaft damals mit. Diesen Verdacht sieht die Strafverfolgungsbehörde nach umfangreichen Ermittlungen nun als erhärtet an.

Laut Anklage soll die UMG-Tochterfirma durch korrupte Machenschaften zwischen Januar 2016 und Oktober 2018 um mehrere hunderttausend Euro geschädigt worden sein.

Jugendfreund befördert

Der 39-jährige mutmaßliche Haupttäter war seit Februar 2016 alleiniger Geschäftsführer der Tochterfirma, die für die UMG bestimmte Aufgaben wie Wachdienste, Facility-Management und Handwerksarbeiten übernimmt. In dieser Position soll er dann einem Jugendfreund, der ebenfalls in der UMG-Tochterfirma beschäftigt war, zum beruflichen Aufstieg verholfen haben, indem er diesen zum stellvertretenden Geschäftsführer ernannte. Der 42-Jährige sei ursprünglich als Vorarbeiter im Bereich Maler- und Fußbodenarbeiten eingestellt gewesen, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit.

Auch zu der Personaldienstleistungsfirma in Thüringen, die in das Korruptionsgeflecht verwickelt sein soll, gab es persönliche Beziehungen: Der 46-jährige Firmengründer und zeitweilige Geschäftsführer der Firma sei „zumindest ein guter Bekannter“ der beiden Angeschuldigten, heißt es in der Anklage.

Die UMGf bezog von der Firma gelegentlich Zeitarbeitskräfte, wenn der eigene Mitarbeiterstab nicht ausreichte, um anfallende Bau- und Wartungsarbeiten zu erledigen.

Spezielles System entwickelt

2016 hätten sich die beiden mutmaßlichen Haupttäter entschlossen, unter Nutzung ihrer Leitungspositionen die bereits bestehende Zusammenarbeit zu intensivieren, heißt es in der Anklage. Dabei sollen sie ein spezielles System entwickelt haben, um sich eine „Einnahmequelle von einiger Dauer und Erheblichkeit“ zu verschaffen: So habe die UMGf zunächst Arbeitskräfte angeworben. Die ausgewählten Bewerber seien dann allerdings zu ihrer Überraschung nicht von der UMGf, sondern von der Personaldienstleistungsfirma angestellt worden, obwohl die Arbeitnehmer keinerlei Berührungspunkte mit der Firma hatten und ausschließlich bei der UMGf eingesetzt wurden.

Höhere Stundenbeträge

Die thüringische Firma habe dann gegenüber der UMGf die Arbeitsstunden abgerechnet. Dieser „Umweg“ kam die UMGf teuer zu stehen: Laut Anklage hat die UMG-Tochterfirma für die jeweiligen abgerechneten Stunden einen höheren Betrag gezahlt, als wenn die Arbeitskräfte fest bei der UMGf eingestellt gewesen wären. Die Hauptangeschuldigten hätten damit eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt mit dem Ziel, Gelder aus der UMGf herauszuziehen in dem Wissen, dass sie von dem Chef der Personaldienstleistungsfirma an dem Gewinn beteiligt werden, heißt es in der Anklage.

680.000 Euro erlangt

Insgesamt habe die Personalfirma durch dessen Taten einen Betrag von fast 680.000 Euro erlangt. Die früheren UMGf-Leiter hätten dafür ab Januar 2016 monatliche Cashback-Bargeldzahlungen erhalten, ohne dass Verantwortliche der Muttergesellschaft UMG davon wussten.

Insgesamt hätten sie 83.000 beziehungsweise 103.000 Euro kassiert. Zwei weitere Angeschuldigte, die in das System involviert gewesen seien, hätten Zahlungen von 6.300 beziehungsweise 11.000 Euro erhalten.

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